Gustav Gerson
Der literarisch interessierte Homöopath und praktizierende Arzt Gustav Gerson gehörte Mitte des 19. Jahrhunderts zu den wenigen jüdischen Akteuren im bildungsbürgerlichen Vereinswesen der sächsischen Residenzstadt Dresden. Seine Biografie ist beispielhaft für die Bedeutung von Bildung als ökonomisches Kapital, das häufig zu sozialem Aufstieg führte. – Gerson entstammte einer 1835 noch als unbemittelt geltenden, später aber offenbar zu Wohlstand gekommenen Familie. Nach dem frühen Verlust der Mutter und der Wiederverheiratung seines Vaters studierte er ab 1835 Medizin an der Chirurgisch-medizinischen Akademie in Dresden und wurde dort 1838 zum Dr. med. promoviert. Anschließend praktizierte Gerson als Arzt in Dresden, wandte sich aber zunehmend der Homöopathie als besonderem Interessengebiet zu. So nahm er 1861 als Mitglied seines Berufsverbands an der Versammlung des Zentralvereins homöopathischer Ärzte Deutschlands in Leipzig teil. – Auf behördliche Aufforderung hin beantragte und erhielt Gerson 1844 das Dresdner Bürgerrecht. Nach mehreren Umzügen innerhalb der Dresdner Altstadt wohnte und praktizierte der angesehene Arzt seit 1854 in der Waisenhausstraße 17 über dem Café Français. Verheiratet mit
Louise Elb, der Tochter des Kaufmanns
Nathan Elb, setzte sich das kinderlose Ehepaar 1850 testamentarisch gegenseitig zu Erben ein. In die künftige Erbmasse sollte auch ein Kapital von mindestens 28.000 Talern einfließen, die Gersons 1848 verstorbener Vater seiner zweiten Ehefrau
Therese zum Nießbrauch vermacht hatte. Zum Zeitpunkt seines Tods wohnte Gerson auf der Waisenhausstraße 28 in unmittelbarer Nähe seiner Praxis. – Gerson war seit 1839 Mitglied der bürgerlichen, nichtjüdischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 1842 gehörte er zudem zu den Gründungsmitgliedern des Lesevereins Literarisches Museum, der seinen Mitgliedern die Lektüre zahlreicher Presseerzeugnisse aus dem In- und Ausland ermöglichte und die politische Opposition des Vormärz beflügelte. Gerson sowie die mit ihm befreundeten Ärzte Joseph Elb - sein Schwager - und Bernhard Hirschel waren die einzigen jüdischen Mitglieder des Lesevereins. Innerhalb der jüdischen Gemeinde Dresdens scheint der von seiner christlichen Schulausbildung geprägte, wohl stark assimilierte Gerson dagegen nicht besonders in Erscheinung getreten zu sein.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 826c, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1168; Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XXI.20.117 Kirchliche Wochenzettel \ Trauungen, Taufanzeigen u. Sterbefälle 1820, 2.1.3-C.XXI.20.117 Kirchliche Wochenzettel \ Trauungen, Taufanzeigen u. Sterbefälle 1821, 2.1.3-C.XXI.20.117 Kirchliche Wochenzettel \ Trauungen, Taufanzeigen u. Sterbefälle 1883, 2.3.9. Gewerbeamt A, G.1526, 6.4.25 Sterberegister/Sterbefallanzeigen – Dresdner Adressbücher 1840-1859; Daniela Wittig, Das Verzeichniß der Ruhenden auf dem israelitischen Friedhof zu Dresden aus dem Jahre 1852: Auswertung und Ergebnisse, in: MEDAON. Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung 9/2015, H. 16, S. 1-67.
Werke De pleuritide, Dresden 1838; Ueber Eintheilungsmethoden der Arzneimittel und über die Bearbeitung der materia medica überhaupt, in: Monatsschrift für Medicin, Augenheilkunde und Chirurgie 3/1840, H. 1, S. 69-84.
Literatur Neue Zeitschrift für homoeopathische Klinik 6/1861, Nr. 18; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden, Darmstadt 1973; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Konstantin Hermann, Vereine in Dresden 1831 bis 1871, in: Dresdner Geschichtsbuch 13/2008, S. 76-96; Daniel Ristau, Juden in Sachsen zwischen 1781 und 1932: Von der „Vorgeschichte“ der Shoa zur Vielfalt jüdischen Lebens, in: MEDAON. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 6/2012, H. 10, S. 1-58; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Hamburg 2016.
Jochen Vötsch
14.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Gustav Gerson,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27879 [Zugriff 10.8.2025].
Gustav Gerson
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 826c, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1168; Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XXI.20.117 Kirchliche Wochenzettel \ Trauungen, Taufanzeigen u. Sterbefälle 1820, 2.1.3-C.XXI.20.117 Kirchliche Wochenzettel \ Trauungen, Taufanzeigen u. Sterbefälle 1821, 2.1.3-C.XXI.20.117 Kirchliche Wochenzettel \ Trauungen, Taufanzeigen u. Sterbefälle 1883, 2.3.9. Gewerbeamt A, G.1526, 6.4.25 Sterberegister/Sterbefallanzeigen – Dresdner Adressbücher 1840-1859; Daniela Wittig, Das Verzeichniß der Ruhenden auf dem israelitischen Friedhof zu Dresden aus dem Jahre 1852: Auswertung und Ergebnisse, in: MEDAON. Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung 9/2015, H. 16, S. 1-67.
Werke De pleuritide, Dresden 1838; Ueber Eintheilungsmethoden der Arzneimittel und über die Bearbeitung der materia medica überhaupt, in: Monatsschrift für Medicin, Augenheilkunde und Chirurgie 3/1840, H. 1, S. 69-84.
Literatur Neue Zeitschrift für homoeopathische Klinik 6/1861, Nr. 18; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden, Darmstadt 1973; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Konstantin Hermann, Vereine in Dresden 1831 bis 1871, in: Dresdner Geschichtsbuch 13/2008, S. 76-96; Daniel Ristau, Juden in Sachsen zwischen 1781 und 1932: Von der „Vorgeschichte“ der Shoa zur Vielfalt jüdischen Lebens, in: MEDAON. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 6/2012, H. 10, S. 1-58; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Hamburg 2016.
Jochen Vötsch
14.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Gustav Gerson,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27879 [Zugriff 10.8.2025].