Ernst Christoph Graf von Manteuffel

M. war als Diplomat und Kabinettsminister für auswärtige Angelegenheiten im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts Vertreter einer kaisertreuen Politik, die gleichzeitig die Verbindung zu Preußen suchte. Daneben bemühte er sich als Anhänger Christian Wolffs dessen Philosophie zu verbreiten. – M. stammte aus einem alten pommerschen Adelsgeschlecht. Er wuchs auf dem väterlichen Gut Kerstin auf und erhielt ersten Unterricht von Privatlehrern. 1693 bis 1696 studierte er an der Universität Leipzig Jura und Philosophie. 1697 hielt er sich einige Monate am Reichskammergericht in Wetzlar auf und begab sich anschließend auf Kavalierstour, die ihn nach Holland und Frankreich führte. Nach seiner Rückkehr trat M. 1699 als Kammerjunker in brandenburgische Dienste. 1701 musste er Berlin verlassen, um einer Verhaftung zu entgehen, da ihm als Verfasser oder Mitautor des Spottgedichts „Lampon“ auf die Gräfin Wartenberg ein Prozess drohte. – Auf Vermittlung Jakob Heinrich Graf von Flemmings, zu dem er lebenslang in freundschaftlicher Verbindung stand, erhielt er eine Kammerjunkerstelle am Dresdner Hof. Im März 1705 wurde M. zum Hof- und Legationsrat ernannt und als Gesandter nach Kopenhagen geschickt. Seine Aufgabe war es, ein erneutes Bündnis Dänemarks mit Sachsen gegen Schweden vorzubereiten, das 1709 zustande kam. Im Oktober 1707 kehrte M. für zwei Jahre nach Sachsen zurück und wurde v.a. mit der Korrespondenz mit polnischen Großen betraut. 1708 erhielt er den Titel eines Wirklichen Kammerherrn. 1709 wurde M. von Kaiser Joseph I. in den Freiherrenstand erhoben. Von September 1709 bis Ende 1710 war er erneut als sächsischer Gesandter in Kopenhagen tätig. Während des kursächsischen Vikariats 1711 hielt er sich als Vikariatsgesandter für den Niedersächsischen Kreis in Hamburg auf. Im Juli 1711 bekam M. eine Domherrenstelle in Lübeck. Von Ende 1711 bis 1717 übte er die Funktion eines sächsischen Gesandten in Berlin aus und bemühte sich um den preußischen Eintritt in den Nordischen Krieg, der 1715 erfolgte. Im selben Jahr wurde M. zum Kabinettsminister ernannt. Von 1717 bis zu seinem Ausscheiden aus sächsischen Diensten befand er sich fast ständig in der unmittelbaren Umgebung Friedrich Augusts I. und begleitete ihn meist auf seinen Reisen nach Polen. Ihm wurde die Leitung des Departements der auswärtigen Angelegenheiten übertragen. M. agierte bis zum Tod Flemmings, der als dirigierender Kabinettsminister der eigentliche Leiter der sächsischen Politik war, als dessen engster Mitarbeiter. 1719 wurde er vom Kaiser in den Reichsgrafenstand erhoben. 1720 bis 1727 fungierte M. auch als Direktor der königlichen Sammlungen. – Mit Flemmings Tod 1728 wurde eine Neuordnung des Geheimen Kabinetts erforderlich. M. erhielt die Bestätigung seiner Funktion im auswärtigen Departement. Ihm gleichrangig zugeordnet wurde nun François Joseph Wicardel Marquis de Fleury et de Beaufort. M. war Verfechter guter Verbindungen zu Preußen, Österreich und Russland und bemühte sich, zur Sicherung des polnischen Throns ein sächsisch-preußisch-österreichisches Bündnis zu erreichen. Dabei sah er sich jedoch dem Widerstand der französischen Hofpartei um Karl Heinrich Graf von Hoym, Johann Anton Thioly und Fleury ausgesetzt. Um einem Sturz zuvorzukommen, reichte er am 5.8.1730 sein Abschiedsgesuch ein und zog sich auf sein Gut Kerstin (Pommern) zurück. – Auch in der Zeit nach seiner Abkehr vom Dresdner Hof hielt M. den Kontakt nach Sachsen stets aufrecht und agierte in sächsischem Interesse. Nach dem Tod Friedrich Augusts I. setzte er sich in zahlreichen anonymen Flugschriften für die sächsische Thronfolge in Polen ein. 1733 übersiedelte er nach Berlin. In den engsten Kreisen des preußischen Hofs verkehrend, u.a. als Tischgast König Friedrich Wilhelms I., unterhielt M. eine intensive Korrespondenz mit dem leitenden sächsischen Minister Heinrich von Brühl und diente diesem als geheimer Berichterstatter in Berlin. – Bereits seit seiner Zeit am Dresdner Hof war M. jedoch auch in das Netz der habsburgischen Geheimdiplomatie von Prinz Eugen eingebettet, der jahrelang Abschriften von Relationen sächsischer Diplomaten aus Venedig, München und London sowie Schreiben aus Warschau bekam. M. erhielt dafür vom Kaiser finanzielle Zuwendungen und wurde 1735 sogar zum kaiserlichen Geheimen Rat ernannt. – Nach 1733 suchte M. auch die Nähe zum preußischen Kronprinzen, dem späteren König Friedrich II., in der Hoffnung, ihn gegen Frankreich und für Sachsen einnehmen zu können. 1735/36 bestand zwischen beiden ein enger literarisch-philosophischer Briefwechsel, in dem M. Friedrich die Beschäftigung mit der Philosophie Christian Wolffs nahe brachte. 1740 bei Friedrich II. in Ungnade gefallen, siedelte er nach Leipzig über, wo er bis zu seinem Tod lebte. – Seine letzten Lebensjahre widmete M. hauptsächlich geistigen Interessen. Als Anhänger der Aufklärung stand er 1738 bis zu seinem Tod im Briefwechsel mit Christian Wolff. Die von M. initiierte Gründung der „Gesellschaft der Alethophilen“ (Gesellschaft der Wahrheitsliebenden) 1736 in Berlin, die in den 1740er-Jahren Tochtergesellschaften in Weißenfels und Stettin bildete, widmete sich der Verbreitung von Wolffs Philosophie. Daneben betätigte er sich als Übersetzer. Seit Ende der 1730er-Jahre stand er in engem geistigen Austausch mit dem Ehepaar Gottsched. Jahrelange Korrespondenz unterhielt er auch mit Herzogin Luise-Dorothee von Sachsen-Gotha. 1743 feierte M. sein 50-jähriges Universitätsjubiläum in Leipzig. In die 1740er-Jahre fällt seine Ernennung zum Mitglied der britischen Sozietät der Wissenschaften. – M., der das polnische Indigenat hatte, war 1717 bis 1733 Starost auf Nowodwár. In Sachsen besaß er die Rittergüter Gönsdorf bei Dresden und Lauer bei Leipzig. – Wegen des frühen Tods seines einzigen Sohns adoptierte M. Christoph Friedrich von Mihlendorff, der der Begründer des freiherrlichen Zweigs der Manteuffels in der Niederlausitz wurde.

Quellen J. J. Schwabe, Beschreibung der akademischen Jubelfeyer Sr. Excellenz des Erlauchten und Hochgebohrnen Herrn Ernst Christophs, des H.R.R. Grafen von M., Leipzig 1743; J. C. Gottsched, Ehrenmaal, welches dem Herrn E. C. Grafen von M. aufgerichtet worden, Leipzig 1750 (P); A. F. Büsching, Beytrag zu der Lebensgeschichte des Freyherrn Christian von Wolf, in: ders., Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, Bd. 1, Halle 1783, S. 1-138 (Auszüge Briefwechsel mit M.); H. Wuttke (Hg.), Christian Wolffs eigene Lebensbeschreibung, Leipzig 1841 (Auszüge Briefwechsel mit M.); T. W. Danzel, Gottsched und seine Zeit, Leipzig 1848 (Auszüge Briefwechsel mit M.); Universitätsbibliothek Leipzig, C. E. Comites de M. Chr. de Wolff Epistolae Mutuae, 1738-1749.

Werke (anonym) Remarques sur les Portraits de la cour de Pologne, 1705; Lettre d’un gentilhomme Polonois à un ministre étranger à Varsovie, 1729; Réponse d’un ami Prussien a un ami Hollandois au sujet de l’élection prochaine d’un Roy de Pologne, La Haye 1733; Lettres d’un Gentilhomme à deux de ses amis contenans des réflexions sur ce que les Russiens ont traité le M. de Monti en prisonnier de Guerre, 1734.

Literatur H. Ostertag, Der philosophische Gehalt des Wolff-Manteuffelschen Briefwechsels, Leipzig 1910; G. Schmidt, Die Familie von Manteuffel, Berlin 1905 (Bildquelle); C. Troeger, Aus den Anfängen der Regierung Friedrichs des Großen, Berlin 1901; P. Haake, „La société des antisobres“, in: NASG 21/1900, S. 241-254; ders., Zur Kritik der „Remarques sur les Portraits de la cour de Pologne“, in: NASG 23/1902, S. 84-99; T. von Seydewitz, Ernst Christoph Graf M., Kabinettsminister Augusts des Starken, Dresden 1926 (P); M. Braubach, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Köln/Opladen 1962; ders., „Le Diable“, ein Mentor Friedrichs des Großen als Agent des Prinzen Eugen, in: K. E. Born (Hg.), Historische Forschungen und Probleme, Wiesbaden 1961, S. 122-145; H. J. Pretsch, Graf M.s Beitrag zur österreichischen Geheimdiplomatie von 1728 bis 1736, Bonn 1970. – ADB 20, S. 256f.; DBA I, II, III; DBE 6, S. 600; J. H. Zedler, Großes Vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 19, Halle/Leipzig 1739, Sp. 1107-1110.

Judith Matzke
19.12.2004


Empfohlene Zitierweise:
Judith Matzke, Artikel: Ernst Christoph Graf von Manteuffel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2776 [Zugriff 21.11.2024].

Ernst Christoph Graf von Manteuffel



Quellen J. J. Schwabe, Beschreibung der akademischen Jubelfeyer Sr. Excellenz des Erlauchten und Hochgebohrnen Herrn Ernst Christophs, des H.R.R. Grafen von M., Leipzig 1743; J. C. Gottsched, Ehrenmaal, welches dem Herrn E. C. Grafen von M. aufgerichtet worden, Leipzig 1750 (P); A. F. Büsching, Beytrag zu der Lebensgeschichte des Freyherrn Christian von Wolf, in: ders., Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, Bd. 1, Halle 1783, S. 1-138 (Auszüge Briefwechsel mit M.); H. Wuttke (Hg.), Christian Wolffs eigene Lebensbeschreibung, Leipzig 1841 (Auszüge Briefwechsel mit M.); T. W. Danzel, Gottsched und seine Zeit, Leipzig 1848 (Auszüge Briefwechsel mit M.); Universitätsbibliothek Leipzig, C. E. Comites de M. Chr. de Wolff Epistolae Mutuae, 1738-1749.

Werke (anonym) Remarques sur les Portraits de la cour de Pologne, 1705; Lettre d’un gentilhomme Polonois à un ministre étranger à Varsovie, 1729; Réponse d’un ami Prussien a un ami Hollandois au sujet de l’élection prochaine d’un Roy de Pologne, La Haye 1733; Lettres d’un Gentilhomme à deux de ses amis contenans des réflexions sur ce que les Russiens ont traité le M. de Monti en prisonnier de Guerre, 1734.

Literatur H. Ostertag, Der philosophische Gehalt des Wolff-Manteuffelschen Briefwechsels, Leipzig 1910; G. Schmidt, Die Familie von Manteuffel, Berlin 1905 (Bildquelle); C. Troeger, Aus den Anfängen der Regierung Friedrichs des Großen, Berlin 1901; P. Haake, „La société des antisobres“, in: NASG 21/1900, S. 241-254; ders., Zur Kritik der „Remarques sur les Portraits de la cour de Pologne“, in: NASG 23/1902, S. 84-99; T. von Seydewitz, Ernst Christoph Graf M., Kabinettsminister Augusts des Starken, Dresden 1926 (P); M. Braubach, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Köln/Opladen 1962; ders., „Le Diable“, ein Mentor Friedrichs des Großen als Agent des Prinzen Eugen, in: K. E. Born (Hg.), Historische Forschungen und Probleme, Wiesbaden 1961, S. 122-145; H. J. Pretsch, Graf M.s Beitrag zur österreichischen Geheimdiplomatie von 1728 bis 1736, Bonn 1970. – ADB 20, S. 256f.; DBA I, II, III; DBE 6, S. 600; J. H. Zedler, Großes Vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 19, Halle/Leipzig 1739, Sp. 1107-1110.

Judith Matzke
19.12.2004


Empfohlene Zitierweise:
Judith Matzke, Artikel: Ernst Christoph Graf von Manteuffel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2776 [Zugriff 21.11.2024].