Georg Derlitzki

D. gilt als Mitbegründer der Arbeitswissenschaft in Deutschland. Die von ihm in der Oberlausitz geleitete Versuchsanstalt Pommritz entwickelte sich in den 1920er-Jahren rasch zu einem internationalen Anziehungspunkt der Landarbeitsforschung. Von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt, konnte D. erst nach 1945 wieder beruflich Fuß fassen. 1950 bis 1955 bekleidete er eine Professur für Landarbeitslehre an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. – Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Osterode (poln. Ostróda) absolvierte D. zunächst eine Landwirtschaftlehre, wandte sich dann aber dem Studium der Staatswissenschaften und der Rechtswissenschaft in Berlin zu. Erst der Wechsel an die Universität Gießen ermöglichte ihm die wissenschaftliche Vertiefung seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse. 1913 wurde er hier mit einer Arbeit zur Systematik des Roggens promoviert. Als Assistent Paul Gisevius’ habilitierte sich D. 1917 für Landwirtschaft und übernahm daraufhin die Leitung der Abteilung für Acker- und Pflanzenbau am Landwirtschaftlichen Institut der Universität Gießen. Im September 1919 wurde er schließlich zum Direktor der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Pommritz berufen, die vom sächsischen Wirtschaftsministerium auf die Lösung der „Landarbeiterfrage“ ausgerichtet worden war. Mit arbeitsorganisatorischen Fragen hatte D. sich zuvor schon als Vorstand der Samenkontroll- und Maschinenprüfstation der Landwirtschaftskammer Wiesbaden beschäftigt. Unter seiner Leitung unterzog man in Pommritz nun die gängigen landwirtschaftlichen Arbeitsgeräte, -techniken und -verfahren einer kritischen Prüfung und systematischen Verbesserung. Schon 1923 konnte mit dem Pommritzer Rübenernteverfahren bei einer der arbeitsintensivsten Kulturen ein entscheidender Durchbruch erzielt werden. Das „Pommritzen“ setzte sich in der praktischen Landwirtschaft rasch durch und begründete den Weltruf, den die Versuchsanstalt in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre genoss. Auch den inneren Arbeitsabläufen des Landhaushalts wurde in Pommritz besondere Aufmerksamkeit zuteil, nachdem D.s Ehefrau die Errichtung einer hauswirtschaftlichen Forschungsabteilung durchgesetzt hatte. In Anerkennung seiner Verdienste um die Landarbeitslehre wurde D. 1927 zum Mitglied des Internationalen Landwirtschaftlichen Instituts in Rom ernannt. Als entscheidende Zäsur für D.s Karriere erwies sich die nationalsozialistische „Machtergreifung“ des Frühjahrs 1933. Die Bestrebung verschiedener Parteistellen, über die Stilllegung landwirtschaftlicher Maschinen zu einer Steigerung des Arbeitsaufkommens und damit zu Erfolgen im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit zu gelangen, lehnte D. kategorisch ab. Zudem blieb er ein öffentliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus schuldig, weshalb er im Frühjahr 1934 als Direktor der Versuchsanstalt Pommritz abgelöst wurde. Persönliche Gründe hinderten ihn an der zunächst beabsichtigten Emigration nach Brasilien. Stattdessen erwarb er einen Hof in Kindisch bei Kamenz, den er fortan bewirtschaftete. Seit 1935 beteiligte sich D. an den Arbeiten des Reichskuratoriums für Technik in der Landwirtschaft zur besseren Ausnutzung der elektrischen Überlandnetze. Bis zur kriegsbedingten Einstellung der Versuche betreute er zahlreiche Modelldörfer. Nach Kriegsende engagierte sich D. zunächst in der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, avancierte aber bald zum Leiter des Ausschusses für Landarbeit der wiedererrichteten Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Berlin. Eine Rückkehr nach Pommritz erschien angesichts der dortigen Verhältnisse hingegen ausgeschlossen. Gegenüber der SED blieb D. auf Distanz, was ihm schließlich eine Denunziation wegen angeblicher Misshandlung der auf seinem Hof beschäftigt gewesenen französischen Kriegsgefangenen einbrachte. Erst 1949 konnten die Vorwürfe entkräftet werden. D. beteiligte sich in der Folgezeit am Aufbau einer neuen Lehr- und Forschungsanstalt für Landarbeit, die 1949/50 in Gundorf bei Leipzig errichtet wurde. Daneben wurde er als Berater beim Aufbau der arbeitswirtschaftlichen Forschungsstelle der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf dem Lehr- und Versuchsgut Etzdorf hinzugezogen. Aus dieser Zusammenarbeit resultierte auch seine Berufung zum Professor mit vollem Lehrauftrag für Landarbeitslehre an der Universität Halle-Wittenberg, wo man seine fachlichen Qualitäten schätzte, ihm als bürgerlichen Gelehrten aber bis zu seiner Emeritierung 1955 grundsätzlich misstraute.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Landwirtschaftliche Versuchsanstalt Pommritz; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsarchiv, Personalakte.

Werke (Hg.), Berichte über Landarbeit, Stuttgart 1927; mit A. v. Strantz/H. Nauck, Die Landarbeitslehre im bäuerlichen Haushalt in Bildern, Berlin 1935.

Literatur D. Brendler/R. Derlitzki/S. Schumann, Erinnerungen an 80 Jahre Landarbeits- und Agrartechnologieforschung in Sachsen, in: Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, hrsg. von der Leipziger Ökonomischen Societät, Leipzig 2000, S. 33-74; R. Derlitzki/E. Schulze, Georg Max Ludwig D. (1889-1958), Halle/Saale 2004. – DBA II, III; F. und U. Fiedler, Lebensbilder aus der Oberlausitz, Norderstedt 2011, S. 17-19.

Christian Augustin
13.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Christian Augustin, Artikel: Georg Derlitzki,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26492 [Zugriff 22.11.2024].

Georg Derlitzki



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Landwirtschaftliche Versuchsanstalt Pommritz; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsarchiv, Personalakte.

Werke (Hg.), Berichte über Landarbeit, Stuttgart 1927; mit A. v. Strantz/H. Nauck, Die Landarbeitslehre im bäuerlichen Haushalt in Bildern, Berlin 1935.

Literatur D. Brendler/R. Derlitzki/S. Schumann, Erinnerungen an 80 Jahre Landarbeits- und Agrartechnologieforschung in Sachsen, in: Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, hrsg. von der Leipziger Ökonomischen Societät, Leipzig 2000, S. 33-74; R. Derlitzki/E. Schulze, Georg Max Ludwig D. (1889-1958), Halle/Saale 2004. – DBA II, III; F. und U. Fiedler, Lebensbilder aus der Oberlausitz, Norderstedt 2011, S. 17-19.

Christian Augustin
13.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Christian Augustin, Artikel: Georg Derlitzki,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26492 [Zugriff 22.11.2024].