Max Kosler

Neben seinem Wirken als Pädagoge trat K. besonders durch sein Engagement für die Versöhnung zwischen Juden und Deutschen hervor. – Nach dem Besuch der Katholischen Bürgerschule und des Katholischen Progymnasiums in Dresden absolvierte er 1903 das Katholische Lehrerseminar in Bautzen (sorb. Budyšin), um anschließend als Volksschullehrer in den Dresdner Schuldienst zu treten. In den folgenden drei Dekaden unterrichtete er - lediglich unterbrochen durch seinen Kriegsdienst 1914 bis 1918 - an der 31. Dresdner Volksschule. K. bildete sich ständig weiter, so war er 1909 eingeschriebener Gasthörer an der Sorbonne und der Alliance française in Paris sowie während einiger Semester an der Technischen Hochschule seiner Heimatstadt. – 1918/19 zählte K. zu den Mitbegründern der DDP in Dresden, deren örtlichem Parteivorstand er bald angehörte. 1926 wechselte er zur SPD. K. entwickelte ein breites gesellschaftliches Engagement. Er gehörte u.a. der Liga für Menschenrechte und der Deutschen Friedensgesellschaft an und fungierte zudem als Mitbegründer und erster technischer Gauführer des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ in Ostsachsen. Während der Weimarer Republik stieß K. zu jenen Männern christlicher Konfession, die sich - führend tätig in Wissenschaft, Kunst und Literatur sowie in Handel und Industrie - seit 1890 im „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“ zusammen geschlossen hatten. Als Mitglied des Reichsausschusses, Mitherausgeber des vereinseigenen Publikationsorgans „Mitteilungen“ (seit 1925 „Abwehrblätter“) und zugleich Gründungsvorsitzender des Dresdner Ortsvereins setzte sich K. dafür ein, den Antisemitismus wissenschaftlich fundiert zu widerlegen. Es ging ihm zudem darum, Kenntnisse über das Wesen des Judentums, seiner Geschichte und Religion sowie über die Verwurzelung der Juden mit deutscher Geschichte und Kultur zu verbreiten. Wiederholt forderte K. die politischen Parteien zu einem klaren Bekenntnis gegen den Antisemitismus auf. So brachte er 1921 auf dem Bremer Parteitag der Demokraten eine Resolution gegen den „‚Rassen‘- und Klassenkampf“ ein. Seit Anfang der 1920er-Jahre hatte sich K. als sächsische Führungspersönlichkeit des „Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“ v.a. dem Kampf gegen das Vordringen antisemitischer und/oder nationalsozialistischer Propaganda im Bildungswesen - von der Volksschule bis zu den Hochschulen - verschrieben. 1922 legte K. seine Argumentationsbroschüre mit dem Titel „Deutschlands Jugend rette Deutschlands Zukunft!“ vor, mit der er die Jugendarbeit im Abwehrverein forcierte. In dieser Schrift, die in 30.000 Exemplaren erschien, wandte er sich direkt an die Jugend, deren Aufklärung über das Judentum und die Lügen des Antisemitismus ihm ein besonderes Anliegen war. Darüber hinaus warb K. auf zahlreichen Kundgebungen in Sachsen sowie in Hamburg, Stettin (poln. Szczecin), Halle/Saale, Mainz und Wiesbaden für ein harmonisches deutsch-jüdisches Zusammenleben. Noch 1933 wurde der „Abwehrverein“ verboten. K. selbst wurde bereits vor dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7.4.1933 aus politischen Gründen als einer der ersten Lehrer in Sachsen aus dem Schuldienst entlassen. Im März 1933 folgte für K. eine sechsmonatige Haft in der Dresdner Mathildenstraße. Nach seiner Freilassung übernahm er die Wirtschaftsberater-Praxis seines jüdischen Freunds Hans Pohly, die K. elf Jahre führen sollte. Wegen seiner fortwährenden Unterstützung verfolgter jüdischer Bürger gelangte K. 1939 erneut in Gestapo-Haft. – Im Mai 1945 wurde K. zum Schulrat für Dresden-Stadt (Ost) berufen. Im Juni 1945 gehörte er zu den Gründern der Dresdner SPD und wurde einen Monat später zu einem der stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Im Zuge der Zwangsvereinigung von SPD und KPD war K. im April 1946 SED-Mitglied geworden. K. geriet jedoch schon bald in Konflikt mit den neuen Machthabern. Für ihn gingen die von der Stadtverwaltung ausgelösten Entlassungswellen von Lehrern zu weit, und er mahnte auf der Bezirksschulrätekonferenz im September 1945 in Dresden eine sensiblere Überprüfung zur nationalsozialistischen Vergangenheit der Lehrerschaft an. – Der antisowjetischen Propaganda angeklagt, sah er sich schließlich genötigt, am 14.7.1948 sein Pensionsgesuch einzureichen. Bereits seit März 1948 waren auch geheimdienstliche Prüfverfahren gegen K. initiiert worden. Am 29.12.1948 folgte seine Inhaftierung, nachdem ihm, der sich stets für die Versöhnung zwischen den Juden und den Deutschen eingesetzt hatte, vorgeworfen wurde, er habe sich als ehemaliger Rechtsbeistand angemaßt, das beschlagnahmte Vermögen von Verfolgten und den ihrer Lebensmöglichkeit in Deutschland beraubten Juden zu verwalten und für eigene Spekulationen verwendet zu haben. Obwohl die Beschuldigungen aufgrund von einhelligen und entlastenden Zeugenaussagen nicht aufrechterhalten werden konnten, wurde er wegen „antisowjetischer Tätigkeit“ zu 25 Jahren Freiheitsentzug im Bautzener Zuchthaus (mit Einziehung des Vermögens) verurteilt. Im Rahmen einer Amnestie wurde er am 16.1.1954 entlassen und folgte seiner Ehefrau nach Westdeutschland.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Bezirke der DDR 1952-1990, Bezirkstage/Räte der Bezirke, Bezirkstag/Rat des Bezirks Dresden, Verfolgte des Naziregimes-Akten, Nr. 4049; Stadtarchiv Dresden, Stadtverwaltung bis 1945, Ratsarchiv, Schulamt, 2.3.20: Antisemitismus in der Schule, Nr. 42; Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, SPD-Ostbüro, Flüchtlingsakte Maria & Max K., Nr. 505; Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Dresden, B 5931/50-101419.

Werke Deutschlands Jugend rette Deutschlands Zukunft!, Zugleich eine Antwort auf die Frage: „Ist der Jude Schuld?“, Berlin 1922 (ND 1924).

Literatur A. Pehnke, Frieden zwischen den Religionen. Max K. (1882-1966). Sächsischer Brückenbauer für ein harmonisches deutsch-jüdisches Zusammenleben und sein Schicksal in den Diktaturen, Beucha 2009.

Andreas Pehnke
14.9.2016


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Pehnke, Artikel: Max Kosler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25066 [Zugriff 25.4.2024].

Max Kosler



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Bezirke der DDR 1952-1990, Bezirkstage/Räte der Bezirke, Bezirkstag/Rat des Bezirks Dresden, Verfolgte des Naziregimes-Akten, Nr. 4049; Stadtarchiv Dresden, Stadtverwaltung bis 1945, Ratsarchiv, Schulamt, 2.3.20: Antisemitismus in der Schule, Nr. 42; Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, SPD-Ostbüro, Flüchtlingsakte Maria & Max K., Nr. 505; Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Außenstelle Dresden, B 5931/50-101419.

Werke Deutschlands Jugend rette Deutschlands Zukunft!, Zugleich eine Antwort auf die Frage: „Ist der Jude Schuld?“, Berlin 1922 (ND 1924).

Literatur A. Pehnke, Frieden zwischen den Religionen. Max K. (1882-1966). Sächsischer Brückenbauer für ein harmonisches deutsch-jüdisches Zusammenleben und sein Schicksal in den Diktaturen, Beucha 2009.

Andreas Pehnke
14.9.2016


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Pehnke, Artikel: Max Kosler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25066 [Zugriff 25.4.2024].