Richard Brunn
Die Stadt Dresden verdankt B. v.a. die erfolgreiche Umsetzung ihres anspruchsvollen politischen Ziels, öffentliche Bibliotheken mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen und Eigentumsformen unter dem kommunalen Dach zusammenzuführen. Unter B.s Leitung gelang es, den Fusionsprozess mit einer den Anforderungen der Zeit gerecht werdenden Modernisierung zu verbinden und die neue Einrichtung zu einer Bildungsinstitution für alle gesellschaftlichen Schichten zu formen. – B. besuchte 1876 bis 1883 die Mittelschule in seiner Geburtsstadt Heide/Holstein, danach bis 1888 eine Privatrealschule in Flensburg und 1888 bis 1890 das dortige Königliche Realgymnasium. 1890 bis 1893 war er als Buchhändler in Lübeck tätig. Ab September 1893 studierte er ein Semester an der Universität Basel (Schweiz). In den folgenden Jahren arbeitete er erneut im Buchhandel: 1894 bis 1896 in Frankfurt/Main sowie 1896 bis 1900 in Lübeck. Nach Privatstudien auf dem Fachgebiet der Literatur in Frankfurt/Main war B. 1902/03 wiederum als Buchhändler in Hannover tätig. – Am 20.7.1903 übernahm B. als Bibliothekar die Leitung der im Aufbau befindlichen Dresdner Lesehalle in der Waisenhausstraße 9, die am 27.12.1902 eröffnet wurde. Sie war eine gemeinnützige Institution zur Förderung der Volksbildung, gestiftet von Karl August Lingner. Die an die Dresdner Lesehalle am 4.11.1903 angegliederte unentgeltliche Volkslesehalle unterstand ebenfalls B.s Leitung. – Nach dem Beschluss des Rats der Stadt Dresden 1909, die Volksbibliotheken des Gemeinnützigen Vereins zu Dresden in kommunale Verwaltung zu übernehmen, war B. ab 1.10.1909 maßgeblich an den vorbereitenden Maßnahmen für die Reformierung des Dresdner Volksbüchereiwesens beteiligt. Nach Schließung der einzelnen Volksbibliotheken am 1.12.1909 konnte am 15.6.1910 die Städtische Zentralbibliothek im Gebäude der Dresdner Lesehalle eröffnet werden. B. übernahm deren Leitung, wurde aber erst ab 1.1.1912 in den städtischen Dienst übernommen und zum Direktor der Zentralbibliothek ernannt, da er bis dahin hauptamtlich die Leitung der Dresdner Lesehalle innehatte. Am 31.12.1911 schied er aus diesem Vertragsverhältnis aus, leitete die Dresdner Lesehalle aber nebenamtlich weiter. – Bei der Aufstellung des Zettelkatalogs in der Zentralbibliothek richtete sich B. nach den vereinfachten Regeln der „Königlich Preußischen Instruktionen“. Für die technische Seite des Ausleihbetriebs war für ihn das Essener-Elberfelder System maßgeblich. Er lehnte die sozialpädagogischen Grundsätze Walter Hofmanns, des Leiters der Freien öffentlichen Bibliothek Dresden-Plauen, und die zu ihrer Umsetzung entwickelten bibliothekstechnischen Methoden ab, sodass es zwischen beiden zu Konflikten kam. Um dem Bildungsauftrag einer von allen Schichten und Berufsgruppen besuchten Bücherei nachzukommen, legte B. Wert auf ein gut geschultes Personal. Er selbst bildete in einem anderthalbjährigen theoretischen und praktischen Volontariat geeignete weibliche Kräfte aus und nahm Prüfungen ab. Ein Beschluss des damaligen Oberbürgermeisters Gustva Otto Beutler und des Stadtschulrats Otto Lyon vom 30.11.1911 berechtigte ihn, den Volontärinnen am Ende ihrer Ausbildung Zeugnisse auszustellen. – Während des Ersten Weltkriegs gehörte B. zum Landesausschuss für die Versorgung der sächsischen Truppen mit Lesestoff. Für diese Tätigkeit wurde ihm 1916 das sächsische Kriegsverdienstkreuz verliehen. 1917 erhielt er den Titel und Rang eines Königlich Sächsischen Hofrats. Im gleichen Jahr wurde B. Mitglied im Königlich Sächsischen Altertumsverein. – Als am 1.1.1918 die Städtische Zentralbibliothek mit der Dresdner Lesehalle organisatorisch zu einer allgemeinen Bildungsbücherei unter dem Namen „Städtische Bücherei und Lesehalle“ vereinigt wurde, ernannte man B. wiederum zum Direktor. Verwaltet wurde die Einrichtung vom Bibliotheksausschuss des sozialen Ausschusses des Schulamts Dresden, dessen Mitglied B. ebenfalls war. Allerdings trat er für eine Trennung des „volkstümlichen Büchereiwesens“ vom Dezernat des Schulamts ein, denn er wünschte sich als Bibliotheksdirektor für seine Volksbibliotheken mehr Befugnisse in fachlichen Fragen. B.s Leitungstätigkeit wurde erschwert durch den Ersten Weltkrieg und die Jahre der Inflation. Eine weitere Herausforderung für ihn war die Erweiterung seines Wirkungskreises infolge der Angliederungen der kleinen Vorstadtbibliotheken an das städtische Bibliotheksnetz, zumal in seine 21-jährige Dienstzeit 25 Eingemeindungen fielen. – Am 1.11.1924 trat B. in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde Alfred Löckle, der bisher Direktor der Stadtbibliothek Elberfeld gewesen war. – Am 9.4.1931 wurde B. vom preußischen General
Arthur Otto Ludwig Wilhelm Brunsich Edler von Brun adoptiert und trug fortan die Namensbezeichnung Brunsich Edler von Brun. – Nach seiner Pensionierung verließ B. Dresden und hielt sich bis 1947 in Berlin (West) auf. Anschließend zog er nach Hamburg, wo er im Alter von 94 Jahren starb.
Quellen Stadtarchiv Dresden, 2.3.20, Schulamt, 3.1., Stadtverordnetenakten; Fachamt Einwohnerwesen der Freien und Hansestadt Hamburg, Melderegister; Standesamt Hamburg-Blankenese; Standesamt der Hansestadt Lübeck, Melderegister; Meldestelle der Hansestadt Lübeck, Melderegister; Kirchenkreisbuchamt Dithmarschen, Tauf-, Trau- und Totenregister Heide; Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Heide, Friedhofsverwaltung.
Werke Offener Brief an das Volksbildungsarchiv, in: Volksbildungsarchiv Berlin 2/1911, S. 241-252; Zwei wichtige Faktoren Dresdner Volksbildungsarbeit, Dresden 1916.
Literatur Bücherei und Bildungspflege 4/1924, S. 299; H. Starke, Eingemeindungen nach Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 6, Altenburg 2000, S. 7-44; Stadttore zur Medienwelt, hrsg. von den Städtischen Bibliotheken Dresden, Altenburg 2006. – H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Berlin 101935, S. 214.
Porträt Richard B., Dresdner Nachrichten, Jahrgang 75, Nr. 489 vom 17.10.1930, S. 6 (Bildquelle).
Edda Siegel
7.12.2009
Empfohlene Zitierweise:
Edda Siegel, Artikel: Richard Brunn,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25050 [Zugriff 26.11.2024].
Richard Brunn
Quellen Stadtarchiv Dresden, 2.3.20, Schulamt, 3.1., Stadtverordnetenakten; Fachamt Einwohnerwesen der Freien und Hansestadt Hamburg, Melderegister; Standesamt Hamburg-Blankenese; Standesamt der Hansestadt Lübeck, Melderegister; Meldestelle der Hansestadt Lübeck, Melderegister; Kirchenkreisbuchamt Dithmarschen, Tauf-, Trau- und Totenregister Heide; Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Heide, Friedhofsverwaltung.
Werke Offener Brief an das Volksbildungsarchiv, in: Volksbildungsarchiv Berlin 2/1911, S. 241-252; Zwei wichtige Faktoren Dresdner Volksbildungsarbeit, Dresden 1916.
Literatur Bücherei und Bildungspflege 4/1924, S. 299; H. Starke, Eingemeindungen nach Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 6, Altenburg 2000, S. 7-44; Stadttore zur Medienwelt, hrsg. von den Städtischen Bibliotheken Dresden, Altenburg 2006. – H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Berlin 101935, S. 214.
Porträt Richard B., Dresdner Nachrichten, Jahrgang 75, Nr. 489 vom 17.10.1930, S. 6 (Bildquelle).
Edda Siegel
7.12.2009
Empfohlene Zitierweise:
Edda Siegel, Artikel: Richard Brunn,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25050 [Zugriff 26.11.2024].