Elias Lindner

L. ist heute nur noch aus der Literatur zur Baugeschichte der großen Silbermann-Orgel des Freiberger Doms bekannt. In der Wahrnehmung der Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts wurde jedoch dieser Orgelbau wesentlich auf L. selbst und nicht auf Gottfried Silbermann zurückgeführt. Sogar für die Aufnahme in die „Ehrenpforte“ des Komponisten und Musikschriftstellers Johann Mattheson wurde L. vorgeschlagen. – Als Sohn einer angesehenen Freiberger Familie von Juristen, kurfürstlichen Beamten und Geistlichen studierte L. in Leipzig Rechtswissenschaften und Mathematik. Nebenher nahm er Unterricht in Klavier und Komposition bei dem Thomaskantor Johann Kuhnau. Sein Talent als Zeichner ist durch die Orgelentwürfe und im Freiberger Stadtarchiv erhaltene Architekturzeichnungen belegt. Als „Kandidat beider Rechte“ 1709 wieder in Freiberg, trat L. am 25.2.1711 die Nachfolge des verstorbenen Domorganisten an. Für die 1710 bis 1714 von Silbermann errichtete Orgel entwarf er die neue Empore und den Prospekt. Doch hatte er offensichtlich auch Einfluss auf das Gesamtkonzept. Sah der erste Entwurf Silbermanns noch einen traditionellen Aufbau mit Rückpositiv vor, so wurde nach der von L. angefertigten Zeichnung schließlich die Orgel in einem einzigen, beispiellosen Gehäuse untergebracht. Mit großer Kennerschaft und für das Barockzeitalter erstaunlicher Konsequenz bediente sich L. der korinthischen Ordnung, um die wenigen und ungewöhnlich breiten Pfeifenfelder unter einem mächtigen, von vier kannelierten Pfeilern getragenen Gebälk zu einer Einheit zusammenzufassen. Das Gehäuse erhält einen Eigenwert über die dienende Funktion als Rahmen hinaus. Die sanft ein- und ausschwingenden Felder machen zwar den Werkaufbau durchaus noch kenntlich, fügen sich aber wie Füllungen in die übergeordnete architektonische Logik. Dieser ästhetische Grundsatz lässt sich im sächsischen Orgelbau bis weit ins 19. Jahrhundert hinein verfolgen. Ohne das Rückpositiv sollte die neue Empore nach L.s Intention Platz für die Aufführung von Kirchenmusik bieten. In Leipzig hatte L. eine rege Kirchenmusik erlebt, nun schuf er in Freiberg zumindest die Voraussetzungen, soweit sie ihn als Organisten betrafen. Dahingehend lässt sich auch sein Prospektentwurf für die Orgel der Freiberger Jakobikirche interpretieren, für die Silbermann ursprünglich ebenfalls ein Rückpositiv vorsah. Die weite Verbreitung eines solchen Rückpositivs, wie sie sich im 18. Jahrhundert in weiten Teilen Deutschlands beobachten lässt, könnte durchaus dem Einfluss L.s geschuldet sein. Er baute zahlreiche Orgeln anstelle von Silbermann und trat 1726 in der Helbigsdorfer Kirche auch noch einmal als Innenarchitekt in Erscheinung. Seine universale Bildung, sein aktives Interesse am technischen, ästhetischen und musikalischen Fortschritt seiner Zeit und seine vielfältige Berufspraxis zeichnen L. als modernen, unabhängigen Gelehrten nach Art eines Mattheson aus.

Quellen J. S. Grübler, Ehre Der Freybergischen Todten-Grüffte, Leipzig 1730, S. 168; J. Mattheson, Grundlage zu einer Ehrenpforte, woran der tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen. Zum fernern Ausbau angegeben, Hamburg 1740, S. 420; J. Adlung, Musica mechanica organoedi, Bd. 1, Berlin 1768, S. 228.

Werke Dom zu Freiberg, Empore und Prospekt der Orgel (Entwurf), um 1710; Kirche Helbigsdorf (heute OT Mulda/Sachsen), innenarchitektonische Planung des Umbaus, 1726.

Literatur E. Flade, Gottfried Silbermann, Leipzig 1953, S. 98; W. Müller, Gottfried Silbermann. Persönlichkeit und Werk, Leipzig 1982; F.-H. Greß, Die Orgeln Gottfried Silbermanns, Dresden 2000. – DBA I, II; EitnerQ, Bd. 5, S. 180; GerberNTL 3, Sp. 235f.; Thieme/Becker, Bd. 23, Leipzig 1999, S. 117.

Tobias Haase
18.5.2009


Empfohlene Zitierweise:
Tobias Haase, Artikel: Elias Lindner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23749 [Zugriff 20.4.2024].

Elias Lindner



Quellen J. S. Grübler, Ehre Der Freybergischen Todten-Grüffte, Leipzig 1730, S. 168; J. Mattheson, Grundlage zu einer Ehrenpforte, woran der tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen. Zum fernern Ausbau angegeben, Hamburg 1740, S. 420; J. Adlung, Musica mechanica organoedi, Bd. 1, Berlin 1768, S. 228.

Werke Dom zu Freiberg, Empore und Prospekt der Orgel (Entwurf), um 1710; Kirche Helbigsdorf (heute OT Mulda/Sachsen), innenarchitektonische Planung des Umbaus, 1726.

Literatur E. Flade, Gottfried Silbermann, Leipzig 1953, S. 98; W. Müller, Gottfried Silbermann. Persönlichkeit und Werk, Leipzig 1982; F.-H. Greß, Die Orgeln Gottfried Silbermanns, Dresden 2000. – DBA I, II; EitnerQ, Bd. 5, S. 180; GerberNTL 3, Sp. 235f.; Thieme/Becker, Bd. 23, Leipzig 1999, S. 117.

Tobias Haase
18.5.2009


Empfohlene Zitierweise:
Tobias Haase, Artikel: Elias Lindner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23749 [Zugriff 20.4.2024].