Andreas Günther

Als Jurist, Stadtschreiber und seit 1543 Bürgermeister von Kamenz vertrat G. die Stadt z.B. bei Verhandlungen in Prag, Breslau (poln. Wrocław), Wien oder Augsburg. Er gilt bis heute als einer der einflussreichsten Bürgermeister der Stadt und war maßgeblich an der Tilgung und letztlich auch Überwindung der königlichen Strafbefehle beteiligt, die die Sechsstadt nach dem Pönfall 1547 in Mitleidenschaft zogen. – Nach dem Studium der Rechte und dem Erwerb des Doktorgrads, vermutlich in Prag, füllte G. seit 1522 das Amt des Stadtschreibers ununterbrochen bis 1569 aus. In der Funktion eines Ratsmitglieds, die ein Stadtschreiber von Kamenz in der Regel parallel zu seinem Amt bekleidete, schlug G. eine neue Ratsordnung vor, die beinhaltete, dass statt der Wahl eines Bürgermeisters für jeweils ein Jahr, künftig drei Bürgermeister auf Lebenszeit als „Konsul regens“ alternierend eingesetzt würden. 1525 erfolgte die Umsetzung dieser Ordnung. Die Macht der alteingesessenen städtischen Oberschicht wurde so gestärkt, was einerseits frei gewählte Bürger und Handwerker aus dem Rate drängte, andererseits aber eine gewisse Kontinuität der Ratspolitik zur Folge hatte. – 1527 erbte G. von der Mutter seiner ersten Frau beachtenswerte Grundstücke und bekam von seinem Schwager Lache 1531 ein Haus am Markt mit eigenem Brau- und Malzhaus übertragen. Sein Auskommen dürfte damit als gesichert einzustufen sein. 1530 setzte sich G. für eine Verschärfung der finanziellen Aufwendungen zum Erwerb des Bürgerrechts ein, womit z.B. die zumeist finanziell schwach gestellten Sorben de facto von diesem ausgeschlossen wurden. – Wie sein Vater stand G. der Reformation zunächst feindlich gegenüber, konnte jedoch nicht verhindern, dass diese spätestens um 1540 in Kamenz Einzug hielt. Im Lauf seines Lebens entwickelte er, wohl aus pragmatischen Gründen, zumindest eine Haltung der Akzeptanz gegenüber dem Protestantismus. So ist auch kein Fall überliefert, in dem die überwiegend evangelische Einwohnerschaft der Stadt Anstoß am Glauben ihres langjährigen Bürgermeisters nahm. – Im Gegensatz zum Adel prosperierten Städte wie Kamenz in ökonomischer Hinsicht in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, da sie vom geldbedürftigen Landesherrn, dem böhmischen König, immer mehr Privilegien durch ein erstarkendes Bürgertum erwarben, was oft zu Streit mit dem Adel führte. Dieser Konflikt eskalierte 1547 im sog. Pönfall als Folge des Schmalkaldischen Kriegs: Eine Abordnung um G. versuchte bereits im Frühjahr desselben Jahrs in Prag die Zahl der geforderten Landsknechte sowie andere Forderungen des Königs zu verringern, denn nur ungern zogen die Sechsstädte gegen ihre evangelischen Glaubensgenossen des Schmalkaldischen Bunds ins Feld. Da die Abstellzeit nur auf zwei Monate begrenzt war, kehrten die Oberlausitzer Truppen, deren Größe kaum kriegsrelevant war, einen Tag vor der entscheidenden Schlacht heim. G. registrierte diesen Fauxpas und suchte in Wittenberg den dort verweilenden König Ferdinand I. vergebens auf; seine Bitte um Pardon wurde abgelehnt. G. und seine Amtskollegen wurden für den 1.9.1547 nach Prag einberufen, nachdem am 16.8. Ulrich von Nostitz, aus dem Oberlausitzer Adel stammend und entschiedener Feind der Städte, die Vorladung an die Städte verlesen hatte. Am 13.9.1547 kehrte G. aus Prag nach Kamenz zurück und verkündete den Bürgern das Urteil des Königs und damit verbunden die Entrichtung von hohen Strafgeldern sowie die Zurücknahme von städtischen Privilegien. In der Folgezeit agierte G. recht erfolgreich, indem er durch sein persönliches Engagement, in Verbindung mit zahlreichen Reisen nach Prag, bis 1559 wieder das Recht der freien Ratswahl, bis 1562 die hohe und niedere Gerichtsbarkeit sowie fast alle 1547 verlorenen Vorrechte für Kamenz zurückgewinnen konnte. Für G.s Ansehen bei König Ferdinand spricht neben seiner katholischen Konfession auch, dass er 25 Jahre Erfahrung im Rat von Kamenz hatte und so als einziger Bürgermeister der Sechsstädte nach dem Pönfall im Amt bleiben durfte. – 1561 reformierte G. in Kamenz die Handhabung der Policeygewalt, die damals der Rat innehatte und dessen Stellung damit massiv gestärkt wurde, aber auch mehr Sicherheit für die Bürger schuf. Diese reformierte Policeyordnung, auch als „Günthersche Willkür“ bezeichnet, galt noch bis ins 18. Jahrhundert. – Ab 1560 versuchte G., die Übergabe der innerstädtischen Klosterkirche an die Stadt Kamenz zu ermöglichen, da wohl wegen reformationsbedingt ausbleibender Spendenbereitschaft immer mehr Franziskanermönche die Stadt verließen und das vollständige Absterben des Klosters vorauszusehen war. 1564 übergab der letzte verbliebene Mönch das Klostergebäude dem Rat zur weiteren Nutzung; 1565 stimmte auch das Kapitel des Mutterklosters Bechin (tschech. Bechyně) dieser Regelung zu. 1567 ließ G. ein Epitaph für sich und seine Frau in der Kamenzer Klosterkirche anfertigen. Er stiftete zudem 1570 den Aufbau eines Brunnens im Stadtzentrum von Kamenz, der später nach ihm „Andreasbrunnen“ benannt wurde und eine ihm gewidmete Inschrift trägt. G. hinterließ ein Vermögen von 12.000 Reichstalern, das er z.T. an verschiedene der Stadt zugehörige Einrichtungen spendete.

Quellen Stadtarchiv Kamenz, AA, Nr. 5400, B1. 18: Bericht Günthers an den Rat zu Bautzen vom 14. Mai 1547.

Literatur M. I. F. Gregorii, Nachricht vom letzten römisch-katholischen Bürgermeister in Camentz, Andreas Günthern, und von einigen seiner Nachkommen, in: Dreßdnische Gelehrte Anzeigen 25/1754; G. Uhlig, Bürgermeister Dr. Andreas G. und seine Zeit, in: ders. (Hg.), Festschrift zur Feier des 25jährigen Amtsjubiläums des Bürgermeisters der Stadt Kamenz, Herrn Dr. jur. Julius Oswin Feig, Kamenz 1911, S. 3-64; M. Hermann, Kamenz im Sechsstädtebund, in: 650 Jahre Sechsstädtebund der Oberlausitz, hrsg. vom Kamenzer Geschichtsverein, Kamenz 1997, S. 9-30; ders., Auf den Spuren des Bürgermeisters Andreas G., in: Pönfall der Oberlausitzer Sechsstädte, hrsg. vom Kamenzer Geschichtsverein, Kamenz 1999, S. 15-40.

Sven Brajer
1.3.2017


Empfohlene Zitierweise:
Sven Brajer, Artikel: Andreas Günther,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1860 [Zugriff 8.5.2024].

Andreas Günther



Quellen Stadtarchiv Kamenz, AA, Nr. 5400, B1. 18: Bericht Günthers an den Rat zu Bautzen vom 14. Mai 1547.

Literatur M. I. F. Gregorii, Nachricht vom letzten römisch-katholischen Bürgermeister in Camentz, Andreas Günthern, und von einigen seiner Nachkommen, in: Dreßdnische Gelehrte Anzeigen 25/1754; G. Uhlig, Bürgermeister Dr. Andreas G. und seine Zeit, in: ders. (Hg.), Festschrift zur Feier des 25jährigen Amtsjubiläums des Bürgermeisters der Stadt Kamenz, Herrn Dr. jur. Julius Oswin Feig, Kamenz 1911, S. 3-64; M. Hermann, Kamenz im Sechsstädtebund, in: 650 Jahre Sechsstädtebund der Oberlausitz, hrsg. vom Kamenzer Geschichtsverein, Kamenz 1997, S. 9-30; ders., Auf den Spuren des Bürgermeisters Andreas G., in: Pönfall der Oberlausitzer Sechsstädte, hrsg. vom Kamenzer Geschichtsverein, Kamenz 1999, S. 15-40.

Sven Brajer
1.3.2017


Empfohlene Zitierweise:
Sven Brajer, Artikel: Andreas Günther,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1860 [Zugriff 8.5.2024].