Carl Paul

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt P. in Deutschland als der Fachmann für Kolonialmission. Er war 13 Jahre lang Direktor der Leipziger Mission und hatte gleichzeitig großen Anteil an den Einigungsbestrebungen des Weltluthertums. – Seine gymnasiale und musische Bildung erhielt er ab 1870 am Thomasgymnasium in Leipzig. Im Anschluss daran studierte P. 1877 bis 1880 Theologie in Tübingen und Leipzig. Während seiner darauffolgenden zweijährigen Hauslehrertätigkeit in einem Bremer Kaufmannshaus hatte er erste intensive Kontakte zu Missionskreisen, die seiner Zukunft die entscheidende Prägung gaben. Nach dem Besuch des Leipziger Predigerseminars St. Pauli (1882-1884) war er ab 1884 Pfarrer in Rothschönberg bei Meißen und 1887 Mitbegründer der Sächsischen Missionskonferenz, deren Vorstand er als Schriftführer bis zu seinem Tod angehörte. 1887 wechselte er in das Pfarramt seines Heimatdorfs Lorenzkirch, wo er bis 1911 blieb. Bereits während dieser Zeit war er unermüdlich für die Anliegen der Mission tätig, v.a. durch Veröffentlichungen im „Jahrbuch der Sächsischen Missionskonferenz“ sowie u.a. im „Evangelisch-Lutherischen Missionsblatt“ und in der „Allgemeinen Missionszeitschrift“. Überdies war P. ein gefragter Referent, so bei der Kontinentalen Missionskonferenz in Bremen und ab 1902 beim Deutschen Kolonialkongress, und er bekleidete eine führende Stelle im Deutschen Evangelischen Missionsausschuss. Im Sächsischen Missionshauptverein übernahm er 1888 bis 1911 als Komiteemitglied Leitungsverantwortung. Ab 1900 begründete P. verschiedene „Pressekorrespondenzen“, die monatlich zahlreiche Tageszeitungen mit Missionsinformationen versorgten und so einen nachhaltigen Einfluss auf das zunehmende öffentliche Missionsinteresse ausübten. Als literarisches Hauptwerk P.s gilt sein vierbändiges Werk „Die Mission in unsern Kolonien“ (1898-1908). Im August 1911 wurde P. aufgrund seiner ausgewiesenen Kompetenz zu Fragen der Äußeren Mission zum Direktor der Leipziger Mission ernannt. Außerdem übernahm er 1912 - nachdem ihm schon 1909 für seine missionsgeschichtlichen Arbeiten der Ehrendoktortitel der Theologie der Universität Leipzig verliehen worden war - die ordentliche Honorarprofessur für neuere Missionsgeschichte und Missionskunde an der Leipziger Universität und hielt bis Sommer 1926 Vorlesungen. Nach seiner Wahl zum Leipziger Missionsdirektor visitierte P. von Juli 1912 bis März 1913 intensiv die Missionsgebiete in Ostafrika und Südostindien. Sein Missionsverständnis lief damals auf eine Symbiose zwischen Kolonialpolitik und Mission heraus, was einerseits harsche Kritik an den „brutalen Kolonialegoisten“ (Die Mission in unsern Kolonien: Deutsch-Südwestafrika, 1905, S. III) einschloss, andererseits in einer religiös-ethischen Christianisierung der Kolonialbevölkerung das höchste Ziel dieser Symbiose erblickte. – Durch den Ersten Weltkrieg erfolgte der tiefste Einschnitt in P.s Lebenswerk wie auch in die gesamte Arbeit der Leipziger Mission. P.s Leistung bestand gerade während und nach dieser Zeit darin, durch klug ausgehandelte Pläne die Leipziger Missionsgebiete an ausländische Missionsgesellschaften zu übertragen, um einen möglichst reibungslosen Fortgang der Mission zu gewährleisten, aber auch um die Ansprüche der Leipziger Mission auf diese Arbeitsfelder nach dem Krieg wieder geltend machen zu können. Dabei übernahm die Schwedische Kirchenmission (CSM) 1915 die indischen Missionsstationen und die amerikanische Augustanasynode 1921/22 die Stationen in Ostafrika. Innerhalb Deutschlands wurde P. zur wohl wichtigsten Person eines Hilfsausschusses, der - vom nordamerikanischen National Lutheran Council ins Leben gerufen - zwischen 1919 und 1926 Hilfeleistungen für die Not leidende deutsche Bevölkerung sowie für die Lutheraner in Russland (bzw. Sowjetunion) koordinierte und verteilte. – P. stand als gemäßigt konservativer Lutheraner ökumenischen Bestrebungen verschiedener protestantischer Kirchen in den Missionsgebieten kritisch gegenüber und förderte stattdessen eine engere Verbindung der zahlreichen lutherischen Missionsgesellschaften. So kam es im Juli 1920 - entscheidend durch ihn angeregt - zur ersten Lutherischen Missionskonferenz in Leipzig. In Verbindung mit dem nordamerikanischen National Lutheran Council ist es wesentlich P.s Mitwirkung und Initiative zu verdanken, dass dieser Zusammenkunft 1923 der erste Lutherische Weltkonvent in Eisenach folgte, der eigentliche Vorläufer des 1947 gegründeten Lutherischen Weltbunds. Kurz nach seinem Rücktritt vom Missionsdirektorat wurde P. zum Vorsitzenden des Leipziger Missionskollegiums gewählt und erlebte so noch die Anfänge der Nachkriegsrenaissance der Leipziger Mission mit.

Quellen Archiv des Leipziger Missionswerks, Ev.-Luth. Mission zu Leipzig/Ev.-Luth. Missionswerk Leipzig, II.3.1.II. Prof. D. Carl P., II.10.3. Konferenz der luth. Missionsdirektoren 1919-1920.

Werke Die Mission in unsern Kolonien, H. 1: Togo und Kamerun, Leipzig 1898, H 2: Deutsch-Ostafrika, Leipzig 1900, H. 3: Deutsch-Südwestafrika, Dresden 1905, H. 4: Die deutschen Südsee-Inseln, Dresden 1908; (Hg.), Die Leipziger Mission daheim und draußen, Leipzig 1914.

Literatur K. A. Cordes, D. P., in: Evangelisch-Lutherisches Missionsblatt 59/1927, Nr. 2, S. 25-30; C. Ihmels, Die Leipziger Mission unter dem Direktorat von D. P., in: Neue Allgemeine Missionszeitschrift 4/1927, H. 2/3, S. 35-48; Lutherisches Missionsjahrbuch 41/1928, S. I, 4f. (Bildquelle, WV); A. Oepke, D. Carl P. als lutherischer Missions- und Kirchenmann, in: Lutherisches Missionsjahrbuch 42/1929, S. 50-60 (WV); Amtskalender für die Geistlichen der Sächsischen evang.-luth. Landeskirche 59/1929, S. 134; P. Fleisch, Hundert Jahre Lutherischer Mission, Leipzig 1936.

Thomas Markert
3.8.2010


Empfohlene Zitierweise:
Thomas Markert, Artikel: Carl Paul,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18598 [Zugriff 28.3.2024].

Carl Paul



Quellen Archiv des Leipziger Missionswerks, Ev.-Luth. Mission zu Leipzig/Ev.-Luth. Missionswerk Leipzig, II.3.1.II. Prof. D. Carl P., II.10.3. Konferenz der luth. Missionsdirektoren 1919-1920.

Werke Die Mission in unsern Kolonien, H. 1: Togo und Kamerun, Leipzig 1898, H 2: Deutsch-Ostafrika, Leipzig 1900, H. 3: Deutsch-Südwestafrika, Dresden 1905, H. 4: Die deutschen Südsee-Inseln, Dresden 1908; (Hg.), Die Leipziger Mission daheim und draußen, Leipzig 1914.

Literatur K. A. Cordes, D. P., in: Evangelisch-Lutherisches Missionsblatt 59/1927, Nr. 2, S. 25-30; C. Ihmels, Die Leipziger Mission unter dem Direktorat von D. P., in: Neue Allgemeine Missionszeitschrift 4/1927, H. 2/3, S. 35-48; Lutherisches Missionsjahrbuch 41/1928, S. I, 4f. (Bildquelle, WV); A. Oepke, D. Carl P. als lutherischer Missions- und Kirchenmann, in: Lutherisches Missionsjahrbuch 42/1929, S. 50-60 (WV); Amtskalender für die Geistlichen der Sächsischen evang.-luth. Landeskirche 59/1929, S. 134; P. Fleisch, Hundert Jahre Lutherischer Mission, Leipzig 1936.

Thomas Markert
3.8.2010


Empfohlene Zitierweise:
Thomas Markert, Artikel: Carl Paul,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18598 [Zugriff 28.3.2024].