Emanuel Goldberg
G. vereinte in seiner Person verschiedene sehr unterschiedliche Talente. Er wirkte erfolgreich als Fotochemiker und Hochschullehrer für fotografische Reproduktionstechnik, als Konstrukteur von Foto- und Filmtechnik sowie als Unternehmensleiter und -gründer. Seine Überlegungen zur Codierung und maschinellen Wiederauffindung von Informationen können als visionär bezeichnet werden. – G. studierte Chemie an den Universitäten Moskau, Königsberg (russ. Kaliningrad), Leipzig und Göttingen. 1906 promovierte er bei Robert Luther in Leipzig mit einer photochemischen Arbeit. Nach kurzer Assistententätigkeit bei
Adolf Miethe an der TH Charlottenburg wurde er 1907 Leiter der Abteilung für photomechanische Vervielfältigungsverfahren an der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig, wo G. 1911 zum Professor ernannt wurde. In die Leipziger Zeit fielen seine Untersuchungen zum Moiré-Effekt, die Entwicklung des Goldbergkeils und die Konstruktion von Densografen. Für die Internationale Photographische Ausstellung 1909 in Dresden entwickelte G. mit Studierenden 43 Freihandversuche zur didaktischen Vermittlung der „Lehre für Lichtsinn und Farbe als Grundlage der Photographie“. Während des Ersten Weltkriegs beteiligte er sich als Zivilist an der Entwicklung von Luftbildkameras für die deutsche Aufklärung. 1917 wurde G. Vorstandsmitglied der Internationalen Camera Actiengesellschaft (ICA) in Dresden. Auch nach der Fusion der Firmen ICA, Ernemann, Goerz und Contessa 1926 zur Zeiss Ikon AG blieb G. im Vorstand und war zeitweise als Vorstandsvorsitzender tätig. G. war vornehmlich für die technische Entwicklung in dem Unternehmen verantwortlich, insbesondere die, für die Entwicklung des Dokumentarfilms bedeutende, federgetriebene Filmkamera „Kinamo“ gilt als sein Werk. G. war als Vorstandsvorsitzender der Fernseh AG ab 1929 an der frühen Entwicklung der Fernsehtechnik beteiligt. Luther, der seit 1907 den Lehrstuhl für wissenschaftliche Fotographie an der TH Dresden innehatte, bewirkte, dass G. neben seiner Tätigkeit in der Industrie zunächst eine Privatdozentur und später eine Honorarprofessur für „Photographie, Kinematographie und Reproduktionstechnik“ besetzen konnte. Gemeinsam organisierten sie 1931 in Dresden den „VIII. Internationalen Kongress für wissenschaftliche und angewandte Photographie“ und sorgten dort für die allgemeine Anerkennung des deutschen DIN-Standards zur Messung der Filmempfindlichkeit, der wesentlich auf ihren wissenschaftlichen Vorarbeiten beruht. G. befasste sich außerdem intensiv mit den Verfahren der Mikroverfilmung und entwickelte eine „Statistische Maschine“, um Informationen auf Mikrofilmen kodieren und schnell wieder auffinden zu können. Am 4.3.1933 wurde G. von einem SA-Trupp entführt und drei Tage gefangen gehalten. Nach Intervention seiner Vorstandskollegen wurde G. wieder freigelassen und floh mit seiner Familie aus Deutschland. In Paris war er noch vier Jahre in Tochterfirmen der Zeiss-Stiftung tätig, bevor er 1937 nach Palästina emigrierte. Hier gründete er ein Labor für die Entwicklung und den Bau wissenschaftlicher Instrumente aus dem die israelische Firma Electro-Optical Industries (Rechovot) hervorging.
Werke Beiträge zur Kinetik photochemischer Reaktionen, Diss. Leipzig 1906; Die Grundlagen der Reproduktionstechnik, Halle/Saale 1912, 21923; Der Aufbau des photographischen Bildes, Halle/Saale 1922.
Literatur E. Delpy (Hg.), Leipzig als Kunststadt, Leipzig 1912, S. 86 (P); K. Mauersberger, Von der Photographie zur Photophysik. 100 Jahre wissenschaftlich-photographisches Institut 1908-2008, Dresden 2008; M. Buckland, Vom Mikrofilm zur Wissensmaschine. Emanuel G. zwischen Medientechnik und Politik, Berlin 2010; F. Brons, Observation Techniques. In the Eye of the Beholder: Emanuel G.ʼs Apparatuses at the International Photographic Exhibition, Dresden 1909, in: H. Bredekamp u.a. (Hg.), The Technical Image, Chicago/New York 2015, S. 98-111; K. Stutterheim, Die Kinamo-Kamera, in: Auslöser 3/2016, S. 24-26. – DBA II, III; DBE 4, S. 77.
Porträt Emanuel G., Fotografie, Museen der Stadt Dresden, Technische Sammlungen, Nachlass Emanuel G., Schenkung Familie Gichon, Israel (Bildquelle).
Jörg Zaun
4.10.2017
Empfohlene Zitierweise:
Jörg Zaun, Artikel: Emanuel Goldberg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18493 [Zugriff 21.11.2024].
Emanuel Goldberg
Werke Beiträge zur Kinetik photochemischer Reaktionen, Diss. Leipzig 1906; Die Grundlagen der Reproduktionstechnik, Halle/Saale 1912, 21923; Der Aufbau des photographischen Bildes, Halle/Saale 1922.
Literatur E. Delpy (Hg.), Leipzig als Kunststadt, Leipzig 1912, S. 86 (P); K. Mauersberger, Von der Photographie zur Photophysik. 100 Jahre wissenschaftlich-photographisches Institut 1908-2008, Dresden 2008; M. Buckland, Vom Mikrofilm zur Wissensmaschine. Emanuel G. zwischen Medientechnik und Politik, Berlin 2010; F. Brons, Observation Techniques. In the Eye of the Beholder: Emanuel G.ʼs Apparatuses at the International Photographic Exhibition, Dresden 1909, in: H. Bredekamp u.a. (Hg.), The Technical Image, Chicago/New York 2015, S. 98-111; K. Stutterheim, Die Kinamo-Kamera, in: Auslöser 3/2016, S. 24-26. – DBA II, III; DBE 4, S. 77.
Porträt Emanuel G., Fotografie, Museen der Stadt Dresden, Technische Sammlungen, Nachlass Emanuel G., Schenkung Familie Gichon, Israel (Bildquelle).
Jörg Zaun
4.10.2017
Empfohlene Zitierweise:
Jörg Zaun, Artikel: Emanuel Goldberg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18493 [Zugriff 21.11.2024].