Curt Lahr

L. gehörte zwischen 1933 und 1945 zu den einflussreichsten Vertretern der sächsischen Sparkassenverbandsorganisation. – Aus sehr einfachen Verhältnissen stammend, gelang es L. trotz der Invalidität seines Vaters und somit geringen finanziellen Mitteln der Familie zunächst die Schule in Vielau und danach die Gemeinde- und Privatbeamtenschule in Geyer zu besuchen. 1914 bis 1916 nahm ihn die Stadtverwaltung Nossen als Hilfsexpedient in ihre Dienste, 1916 bis 1920 die Stadt Schwarzenberg. 1918 absolvierte L. seinen Kriegsdienst. Er meldete sich als Freiwilliger zur Vierten Marineartillerieabteilung Cuxhaven und war bis zum Kriegsende mit dem Zweiten Matrosenregiment an der flandrischen Front stationiert. 1920/21 war L. Buchhalter der Sparkasse der Stadt Rechenberg, 1923 bis 1932 Sparkassenleiter in Augustusburg. Im Sommer 1930 trat L. in die NSDAP ein. Trotz seiner Parteizugehörigkeit, wohl wegen seiner ausgezeichneten Fachkenntnisse, wurde er Ende 1932 vom Stadtrat Hartha, der mehrheitlich aus Sozialdemokraten bestand, zum Sparkassen- und Stadtbankdirektor der Stadt Hartha gewählt. Im August 1933 bestimmte ihn Johann Christian Eberle, Präsident von insgesamt fünf sächsischen Sparkassenverbänden, zu seinem Stellvertreter und Nachfolger. Nachdem L. aufgrund seiner Stelle in Hartha Positionen abgelehnt hatte, die ihm seit Ende 1932 mehrmals von Seiten der NSDAP angeboten worden waren, nahm er schließlich ab Mai 1933 den Posten eines Ministerialmitarbeiters im sächsischen Landesdienst und ab Ende 1933 den eines Ministerialrats im Innenministerium an. Hier war er u.a. mit der Verwaltung von Sparkassenangelegenheiten betraut. Gleichzeitig war er persönlicher Referent des Gauleiters und Reichsstatthalters in Sachsen, Martin Mutschmann. 1935 bis Ende 1937 war L. Leiter der sächsischen Staatskanzlei. In dieser Position oblag ihm die Gründung und die Leitung des Heimatwerks Sachsen e.V. Außerdem setzte sich L. ab 1933, geprägt durch das Schicksal seines Vaters, für die soziale Absicherung invalider Bergarbeiter ein. Neben einer „Altersspende“, deren Finanzen er verwaltete und die er vom Einfluss der NSDAP bzw. der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt möglichst frei zu halten versuchte, initiierte er die Gründung von vier Bergarbeitersiedlungen mit insgesamt 400 Häusern, u.a. in Vielau. L. machte auch seinen Einfluss auf die sächsischen Sparkassen geltend und versuchte Geld, das sie für soziale Einrichtungen ausgaben, z.B. für eine Stiftung zugunsten von Waisenkindern, vor dem Zugriff der Deutschen Arbeitsfront zu schützen. Das eigenmächtige soziale Engagement L.s stieß bei Mutschmann auf Widerstand. Um zunehmenden Differenzen mit dem Gauleiter zu entgehen, ergriff L. nach Eberles Tod die Chance, die Staatskanzlei zu verlassen und widmete sich ab 1938 ausschließlich dem sächsischen Sparkassenwesen. L. wurde Vorsitzender des Sächsischen Sparkassenverbands, des Giroverbands Sächsischer Gemeinden, Aufsichtsratsvorsitzender der Kreditanstalt Sächsischer Gemeinden, der Öffentlichen Versicherungsanstalt und der Landesbausparkasse Sachsen. Als Präsident der sächsischen Sparkassenverbände war L. gleichzeitig in den Gremien des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und seiner Bankanstalt, der Deutschen Girozentrale - Deutsche Kommunalbank, vertreten. Bis zu seiner Absetzung 1945 verfolgte er die Konsolidierung der sächsischen Sparkassenorganisation. Um eine Aufhebung des Kommunalkreditverbots von 1931, das die Arbeit der Kreditanstalt Sächsischer Gemeinden beeinträchtigte, bemühte sich L. jedoch vergebens. – Ab 1945 war L. in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern inhaftiert, zuletzt 1948/49 in einem Lager in Ludwigsburg. Danach bemühte er sich lange Zeit um seine Rehabilitierung. Schließlich arbeitete er bis zu seiner Pensionierung als Außendienstmitarbeiter beim Deutschen Sparkassenverlag in Stuttgart. Bis zu seinem Tod lebte er in Leinfelden bei Stuttgart.

Quellen Archiv des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbands, Berlin (P).

Literatur Deutsche Sparkassenzeitung 7.1.1939, S. 2; T. Schaarschmidt, Vom völkischen Mythos zum „sozialistischen Patriotismus“, in: G. Heydemann/E. Jesse (Hg.), Diktaturvergleich als Herausforderung, Berlin 1998, S. 235-257; ders., Kulturpolitik im Lande eines Kunstbanausen?, in: C. Vollnhals (Hg.), Sachsen in der NS-Zeit, Leipzig 2002, S. 104-117; B. Hillen, Der Sparkassenreformer und sächsische Mittelstandspolitiker Johann Christian Eberle (1869-1937), Beucha 2004 (P).

Barbara Hillen
17.6.2005


Empfohlene Zitierweise:
Barbara Hillen, Artikel: Curt Lahr,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18255 [Zugriff 22.12.2024].

Curt Lahr



Quellen Archiv des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbands, Berlin (P).

Literatur Deutsche Sparkassenzeitung 7.1.1939, S. 2; T. Schaarschmidt, Vom völkischen Mythos zum „sozialistischen Patriotismus“, in: G. Heydemann/E. Jesse (Hg.), Diktaturvergleich als Herausforderung, Berlin 1998, S. 235-257; ders., Kulturpolitik im Lande eines Kunstbanausen?, in: C. Vollnhals (Hg.), Sachsen in der NS-Zeit, Leipzig 2002, S. 104-117; B. Hillen, Der Sparkassenreformer und sächsische Mittelstandspolitiker Johann Christian Eberle (1869-1937), Beucha 2004 (P).

Barbara Hillen
17.6.2005


Empfohlene Zitierweise:
Barbara Hillen, Artikel: Curt Lahr,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18255 [Zugriff 22.12.2024].