Wilhelm von Hamm

H. verlebte seine Kindheit in Darmstadt. Seine Ausbildung erhielt er im landwirtschaftlichen Institut von H. W. Pabst. Daran schlossen sich Praktika auf verschiedenen Gütern an, u.a. auf Rittergut Winterstein. Nach einer Tätigkeit als Gutsverwalter folgte 1838/39 ein Studium an der landwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim, v.a. bei August von Weckherlin. Hier zeigte H. besonderes Interesse für Neuentwicklungen im landwirtschaftlichen Maschinenbau sowie in der Forst- und Landwirtschaft. 1840 ging er auf Wanderschaft durch Belgien, Nordfrankreich und nach Hamburg. In Darmstadt legte er die Reifeprüfung ab, um 1841 in Gießen Kameralwissenschaften zu studieren. Dort übte Justus von Liebig maßgeblichen Einfluss auf ihn aus, und zwischen beiden entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. Bald trat H. als Autor in wissenschaftlichen landwirtschaftlichen Zeitschriften hervor. Besonderes Aufsehen erregten seine Hefte „Landwirthschaftliche Geräthe und Maschinen in England“ (1845-1849, umgearbeitete Neuauflage 1856-1858). 1845 promovierte er und lehrte danach an der landwirtschaftlichen Erziehungsanstalt von Phillip Emanuel von Fellenberg in Hofwyl (Schweiz). Anschließend war er 1847 bis 1867 als Redakteur der „Agronomischen Zeitung“ in Leipzig tätig, wo er Anschluss an schöngeistige und künstlerische Kreise erlangte. Hier lernte H. u.a. Gustav Freytag, den Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker und den späteren Verleger der „Gartenlaube“ Ernst Keil kennen. In den Revolutionsjahren 1848/49 bezog H. in seiner „Agronomischen Zeitung“ Partei für Landarbeiter und Bauern und gegen Landadel und Gutsherren. Im April zog er mit einer Freischar von Leipzig aus in den Krieg um Schleswig-Holstein. Nach der Niederlage der Revolution vermied H. in seiner Zeitung offene politische Stellungnahmen und wandte sich neben Fachartikeln den Lebensverhältnissen in den Dörfern zu. 1850 gründete er in Leipzig ein „Comptoir“ für landwirtschaftlichen Verkehr, wo er auch eine Dauerausstellung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte einrichtete. – H. war in Verbindung mit Handwerksmeistern als Zulieferer von Maschinenteilen für Einzelanfertigung tätig. Sein Programm enthielt verschiedene Typen von Dresch-, Häcksel-, Malzquetsch- und Heuwendemaschinen sowie von Göpeln und Pflügen. Nach dem Besuch der Weltausstellung in London 1851 erwarb er englische Maschinen, z.B. eine Lokomobile, und gründete 1855 in Eutritzsch bei Leipzig eine Landmaschinenbauanstalt. Die technische Leitung übertrug er seinem Bruder, dem Ingenieur-Leutnant Friedrich Hamm. Erprobungsfeld für seine Maschinen war die staatliche landwirtschaftliche Versuchsanstalt in Möckern bei Leipzig, die der Tharandter Professor Julius Adolph Stöckhardt gegründet hatte. 1855 bis 1859 produzierte der Betrieb von H. u.a. 1.100 Handdreschmaschinen, 200 Drainröhrenpressen und 340 Getreidereinigungsmaschinen, die vielfach ausgezeichnet und nach Europa und Übersee exportiert wurden. 1863 erhielt H. ein Mandat der II. Kammer des Sächsischen Landtags für die Landgemeinden um Leipzig. – 1865 verkaufte H. seine Fabrik und folgte 1867 einem Ruf als Ministerialrat nach Wien. Er leitete zunächst das Departement für Landwirtschaft und wechselte 1869 in das Ackerbauministerium. H. hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung der Hochschule für Bodenkultur in Wien. Er förderte landwirtschaftliche Vereine und Ausstellungen und war ab 1869 Chefredakteur der landwirtschaftlichen Wochenzeitschrift des Ackerbauministeriums. H. trat als Verfasser zahlreicher Arbeiten über Pflanzenbau, Tierzucht und Maschinenkunde hervor. 1870 wurde ihm der österreichische Adelstitel Ritter von Hamm verliehen.

Werke (Bearb.), Emanuel Fellenbergs Leben und Wirken, Bern 1845; (Bearb.), Die Grundzüge der Landwirtschaft, 2 Bde., Braunschweig 1850; Chemische Bilder aus dem täglichen Leben, 2 Bde., Leipzig 1854-1855; Weinbuch, Leipzig 1865; Das Wesen und die Ziele der Landwirtschaft, Jena 1866; Gesammelte kleine Schriften, hrsg. von L. Přibyl, 2 Bde., Wien/Leipzig 1881.

Literatur L. Oeser, Album der Sächsischen Industrie, Bd. 1, Neusalza 1856, S. 95-98; R. Forberger, Die Industrielle Revolution in Sachsen 1800-1861, Bd. 2: 1831-1861, Leipzig 1999-2003, Bd. 2/1, S. 525f., Bd. 2/2, Tab. 376; U. Krüger, Dr. phil. Wilhelm H., Maschinenfabrikant, Publizist und Politiker in Leipzig von 1847-1867, in: U. Heß (Hg.), Wirtschaft und Staat in Sachsens Industrialisierung 1750-1930, Bd. 3, Leipzig 2003, S. 287-314. – DBA I, II, III; DBE 4, S. 360; NDB 7, S. 587f.

Ursula Forberger †
6.7.2005


Empfohlene Zitierweise:
Ursula Forberger †, Artikel: Wilhelm von Hamm,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18231 [Zugriff 29.3.2024].

Wilhelm von Hamm



Werke (Bearb.), Emanuel Fellenbergs Leben und Wirken, Bern 1845; (Bearb.), Die Grundzüge der Landwirtschaft, 2 Bde., Braunschweig 1850; Chemische Bilder aus dem täglichen Leben, 2 Bde., Leipzig 1854-1855; Weinbuch, Leipzig 1865; Das Wesen und die Ziele der Landwirtschaft, Jena 1866; Gesammelte kleine Schriften, hrsg. von L. Přibyl, 2 Bde., Wien/Leipzig 1881.

Literatur L. Oeser, Album der Sächsischen Industrie, Bd. 1, Neusalza 1856, S. 95-98; R. Forberger, Die Industrielle Revolution in Sachsen 1800-1861, Bd. 2: 1831-1861, Leipzig 1999-2003, Bd. 2/1, S. 525f., Bd. 2/2, Tab. 376; U. Krüger, Dr. phil. Wilhelm H., Maschinenfabrikant, Publizist und Politiker in Leipzig von 1847-1867, in: U. Heß (Hg.), Wirtschaft und Staat in Sachsens Industrialisierung 1750-1930, Bd. 3, Leipzig 2003, S. 287-314. – DBA I, II, III; DBE 4, S. 360; NDB 7, S. 587f.

Ursula Forberger †
6.7.2005


Empfohlene Zitierweise:
Ursula Forberger †, Artikel: Wilhelm von Hamm,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18231 [Zugriff 29.3.2024].