Johann Andreas Conrad Diller

D. gehörte zu den wenigen Buchbindern Sachsens, die sich erfolgreich dem Verlagsbuchhandel zuwandten. Angesichts der Bildungsbestrebungen und einer fortschreitenden Alphabetisierung, die den Übergang zur bürgerlichen Moderne charakterisierten, erkannte er die ökonomischen Chancen für Buchproduktion und Buchhandel. – Nachdem D. auf seiner Gesellenwanderung in Annaberg, Schneeberg, Wien und Prag Erfahrungen im Handwerk und Handel der Buchbinder gesammelt hatte, legte er 1804 in der Pirnaer Innung die Meisterprüfung ab und erwarb das städtische Bürgerrecht. Als etablierter Buchbinder unterhielt er - wie in diesem Handwerk üblich - auch einen bescheidenen, den örtlichen Bedürfnissen angepassten Handel mit Büchern und Kalenderwerken. In den folgenden Jahren wandte sich D. verstärkt dem Buchhandel zu, da er als zugezogener Neubürger und infolge der Konkurrenz mehrerer Buchbinder vor Ort nur wenige Aufträge erhielt. Zudem erkannte er frühzeitig, dass der sich langsam abzeichnende notwendige Bildungsschub auch die kleinen Städte und die Landbevölkerung erreichen würde. Wachsende Lesebedürfnisse in der Provinz deutete er als zukunftsfähiges, wenn auch sehr schwieriges Marktsegment. Seinen 1804 aufgenommenen Buchhandel entwickelte er in Anlehnung an das Sortiment des Dresdner Buchhändlers Johann Christoph Arnold. Anfangs verstand sich D. noch nicht als eigenständiger Buchhändler, sondern lediglich - im Sinne einer Dienstleistung - als Mittler zum etablierten Sortiment der nahen Residenzstadt. Etwa seit 1809 bestand zudem eine vorteilhafte Zusammenarbeit mit dem Dresdner Verlagsbuchhändler Carl August Friese, der in seiner Stadt keine Konzession zum Verlagsbuchhandel besaß und deshalb über Pirna firmierte. D. übernahm die Aufgabe eines örtlichen Kommissionärs und erweiterte sein Sortiment durch Frieses umfangreiches Verlagsangebot. Außerdem begründete er einen Lesezirkel für Journale und erwarb 1811 eine 1.800 Bände umfassende Leihbibliothek. Mit über 5.000 Bänden war diese um 1825 zur größten gewerblichen Leihbibliothek der Stadt geworden, die regionale Bedeutung erlangte, da viele Botenfrauen die Bücher zu ihren Lesern über Land brachten. Im Jahr 1805 erlangte D. die Konzession zur Herausgabe eines Kalenders, den er mit verschiedenen Anhängen ausstattete und als ein Medium zur Volksaufklärung redigierte. Weiterhin gelang es D. 1810, das zum Erliegen gekommene "Pirnaische Wochenblatt" pachtweise zu übernehmen und fortan als Redakteur und Herausgeber dessen kontinuierliches Erscheinen zu sichern. Dem Blatt widmete D. die größte Aufmerksamkeit, denn seine Verbreitung garantierte kontinuierliche Einnahmen und verschaffte ihm ein wirksames Mittel der Werbung für den eigenen Verlags- und Sortimentsbuchhandel. Anfang 1833 erlangte er die Konzession für die Herausgabe eines „Pirnaer Anzeiger“, welchen er dem Wochenblatt als Anzeigenbeilage hinzufügte. – Hervorzuheben ist D.s soziales Engagement, indem er im Wochenblatt auf Notsituationen aufmerksam machte und für Hilfsbedürftige Sammlungen organisierte. 1831 bis 1836 wirkte er als Ersatzmann der „Communrepräsentanten“, wobei er in verschiedenen Deputationen, u.a. im „Armen-Comité“, tätig wurde. Seit 1818 verstärkte D. für etwa zehn Jahre seine Aktivitäten im Buchverlag. Die Zahl der verlegten Werke blieb zwar insgesamt gering, das Programm war dennoch vielfältig und überstieg den üblichen Buchbinderverlag, der sich meist nur auf Kalender, Predigten, ABC-Bücher und Schriften geringen Umfangs erstreckte. Beim Verlag von „Albina. Ein Taschenbuch für Wanderer in der sächsischen Schweiz“ (1818, bis 1840 vier weitere Auflagen) profitierte D. offensichtlich von seinen geschäftlichen Beziehungen zu Arnold, denn der Verfasser Wilhelm Adolf Lindau und die Ausstattung des Reisehandbuches mit Kupferstichen und Radierungen von Carl August Richter weisen auf bewährte Kontakte des Dresdner Verlegers hin. Hervorzuheben sind aus D.s Verlag die Beschreibung einer „Reise ins Eismeer“ (1819) von Friedrich Gottlob Köhler, der historische Roman „ Jutta von Duba“ (1822) von Ewald Christian Victorin Dietrich, eine Ausgabe von Christian Fürchtegott Gellerts „Fabeln und Erzählungen“ (1824), ein von Charles Kubasch erstelltes „Handbuch der Kochkunst“ (1828) sowie die Robinsonade „Der sächsische Robinson“ (1828). – D. sah sich mitwirkend in den Bildungsbestrebungen seiner Zeit, sein wachsendes Selbstbewusstsein als Unternehmer zeigte sich im Streben nach überregionalen Absatzmöglichkeiten und führte um 1820 zu ersten Versuchen, über den zentralen Buchhandelsplatz Leipzig tätig zu werden. Seit 1833 unterhielt er direkte Beziehungen mit dem Buchhandel über einen Leipziger Kommissionär. In seinem letzten Lebensjahrzehnt orientierte sich D. im Verlag wieder verstärkt am regionalen Markt. D.s Buchhandlung bestand bis 1890 unter seinen direkten Nachfahren, darüber hinaus noch bis 1977.

Quellen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Pirna, Tauf-, Trau- und Sterberegister; Stadtarchiv Pirna, B.II-XI No.13, B.II-XVII No. 17.

Werke Pirnaisches Wochenblatt 1810-1839.

Literatur Johann Andreas Conrad D., Buchhändler u. Buchbinder zu Pirna, in: Neuer Nekrolog der Deutschen 17/1839, Nr. 194, S. 583-585; R. Misterek, Friedrich Gottlob Köhlers Reise ins Eismeer im Jahre 1801. Ein seltenes Buch aus dem Verlag Conrad Diller in Pirna, in: Pirnaer Hefte 7/2010, S. 129-141; ders., Albina. Ein Taschenbuch für Wanderer in der Sächsischen Schweiz aus dem Verlag von Conrad Diller, in: Sächsische-Schweiz-Initiative 32/2015, S. 30f.

Porträt Gemälde (verschollen), Abdruck in: Pirnaer Anzeiger 21.5.1933.

René Misterek
17.12.2015


Empfohlene Zitierweise:
René Misterek, Artikel: Johann Andreas Conrad Diller,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18093 [Zugriff 26.11.2024].

Johann Andreas Conrad Diller



Quellen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Pirna, Tauf-, Trau- und Sterberegister; Stadtarchiv Pirna, B.II-XI No.13, B.II-XVII No. 17.

Werke Pirnaisches Wochenblatt 1810-1839.

Literatur Johann Andreas Conrad D., Buchhändler u. Buchbinder zu Pirna, in: Neuer Nekrolog der Deutschen 17/1839, Nr. 194, S. 583-585; R. Misterek, Friedrich Gottlob Köhlers Reise ins Eismeer im Jahre 1801. Ein seltenes Buch aus dem Verlag Conrad Diller in Pirna, in: Pirnaer Hefte 7/2010, S. 129-141; ders., Albina. Ein Taschenbuch für Wanderer in der Sächsischen Schweiz aus dem Verlag von Conrad Diller, in: Sächsische-Schweiz-Initiative 32/2015, S. 30f.

Porträt Gemälde (verschollen), Abdruck in: Pirnaer Anzeiger 21.5.1933.

René Misterek
17.12.2015


Empfohlene Zitierweise:
René Misterek, Artikel: Johann Andreas Conrad Diller,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18093 [Zugriff 26.11.2024].