Georg Hermann von Schweinitz
Während des Ersten Weltkriegs war S. einer der beiden Militärbefehlshaber im Königreich Sachsen. In dieser mit beinahe diktatorischen Machtbefugnissen ausgestatteten Funktion wurde er zusammen mit Innenminister Christoph Johann Friedrich Graf Vitzthum von Eckstädt und dem Dresdner Militärbefehlshaber General Georg Hermann von Broizem zwischen 1914 und 1918 zum wichtigsten staatlichen „Gestalter“ der sächsischen Innenpolitik. – S. stammte aus einem seit 1241 nachgewiesenen, ursprünglich schlesischen, ab dem Ende des 18. Jahrhunderts aber auch in Ostsachsen ansässigen Adelsgeschlecht. Nach dem Abitur am Vitzthumschen Gymnasium in Dresden (1869) trat er als Avantageur in das Döbelner 8. Infanterieregiment Nr. 107 ein und erhielt noch im selben Jahr die Ernennung zum Portepeefähnrich. Mit Wirkung vom August 1870 zum Leutnant befördert, wurde er im Deutsch-Französischen Krieg als Bataillonsadjutant am 1.9.1870 in der Schlacht bei Sedan leicht verwundet. S. geriet Anfang Dezember kurzzeitig in Gefangenschaft und nahm danach an der Belagerung von Paris teil. Da sein Regiment als Teil der Okkupationsarmee in Frankreich verblieb, kehrte er erst ein halbes Jahr nach dem Ende des Kriegs an den Regimentsstandort Leipzig zurück. Seit April 1873 fungierte er als Regimentsadjutant und seit März 1876 als Adjutant der 4. Infanteriebrigade Nr. 48. Ab September 1878 leistete der im März 1874 zum Oberleutnant avancierte S. wieder Dienst beim Infanterieregiment 107 und erhielt dort im April 1881 gleichzeitig seine Beförderung zum Hauptmann und die Ernennung zum Chef der 9. Kompanie. 1885 wurde er Kompaniechef im königlichen Kadettenkorps in Dresden, 1890 unter Beförderung zum Major dessen Kommandeur. Drei Jahre später übernahm er das I. Bataillon des in Dresden stationierten 2. Grenadierregiments Nr. 101. 1895 wurde S. als Oberstleutnant und etatmäßiger Stabsoffizier zum 1. (Leib-)Grenadierregiment Nr. 100 versetzt. Zwischen 1898 und 1901 war er als Oberst Kommandeur des Infanterieregiments 107, an dessen Spitze rund 30 Jahre zuvor schon sein bei St. Privat gefallener Vater gestanden hatte. Im Juli 1901 zum Generalmajor befördert, übernahm S. im März 1902 die Führung der 1. Infanteriebrigade Nr. 45 und wurde 1904 Kommandant von Dresden. Seit 1905 Generalleutnant, stand S. ab Ende 1907 an der Spitze der 3. Division Nr. 32. Mitte Juli 1910 wurde ihm der Charakter eines Generals der Infanterie verliehen, im November 1910 erhielt er den erbetenen Abschied. – Die eigentliche Bewährungsprobe erfolgte für S. erst nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Im Alter von 63 Jahren wurde er Anfang August 1914 als stellvertretender kommandierender General des XIX. (2. königlich sächsischen) Armeekorps reaktiviert und übernahm auf der Grundlage des Kriegszustandsrechts die vollziehende Gewalt in den Kreishauptmannschaften Leipzig und Zwickau sowie in großen Teilen der Kreishauptmannschaft Chemnitz. Seine Zuständigkeit beschränkte sich nicht allein auf im engeren Sinn militärische Aufgaben, wie die im Kriegsverlauf zunehmend problematisch werdende Sicherstellung des Personalersatzes für die aktiven sächsischen Truppenteile. Als Militärbefehlshaber verfügten S. und der für Ostsachsen verantwortliche stellvertretende kommandierende General des XII. (1. königlich sächsischen) Armeekorps, von Broizem, vielmehr über außerordentliche Kompetenzen auch auf zivilem Gebiet: S. waren zum einen die Gemeinde- und Zivilverwaltungsbehörden formal unterstellt, zum anderen nahm er auf innenpolitische, soziale und wirtschaftliche Fragen Einfluss. Dazu gehörten u.a. die Erhaltung von „Ruhe und Ordnung“, die Pressezensur und Kommunikationskontrolle, die Propaganda, das Bewirtschaften bedeutender Teile des Arbeits- und Gütermarkts, das Schlichten von Streiks, das Zusammen- oder Stilllegen von Betrieben und die Ernährung der sog. kriegswirtschaftlich tätigen Bevölkerung. Im Rahmen dieser „Nebenregierung“ agierte S. um einiges konzessionsbereiter, reformfreundlicher und letztlich moderner als die sächsische Regierung unter der Führung des wenig flexiblen Innenministers Vitzthum von Eckstädt. – Anders als sein Dresdner Pendant, General von Broizem, verfügte S. bei der Übernahme der Funktion des Militärbefehlshabers in Leipzig über keine Vorkriegserfahrung als kommandierender General. Zudem erwies sich die sozioökonomische und politische Lage im westsächsischen Korpsbezirk als ungleich schwieriger. Während es ihm und seinem Stab gelang, die Beziehungen zur Industrie und den Vertretern der Arbeiterschaft relativ produktiv und konfliktfrei zu gestalten, wuchsen zugleich die Spannungen mit der zivilen Exekutive, die schließlich 1918 in einer Petition der Konservativen im Sächsischen Landtag kulminierten. – Kurz nach der Novemberrevolution 1918 trat S. endgültig in den Ruhestand.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Familiennachlass von Schweinitz, Familienchronik, Bd. 2, S. 129-146.
Literatur Kalender für den sächsischen Staatsbeamten auf das Jahr 1916, Dresden 1916, S. 11f. (Bildquelle); General der Infanterie Hermann von S. (1851-1929), in: Der Militärfriedhof Dresden Albertstadt (Der Nordfriedhof), Dresden 1998, S. 12f.; P. Mertens, Zivil-militärische Zusammenarbeit während des Ersten Weltkriegs, Leipzig 2004. – DBA II.
Porträt Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden, Va-44747.
Peter Mertens
9.8.2007
Empfohlene Zitierweise:
Peter Mertens, Artikel: Georg Hermann von Schweinitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22292 [Zugriff 20.12.2024].
Georg Hermann von Schweinitz
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Familiennachlass von Schweinitz, Familienchronik, Bd. 2, S. 129-146.
Literatur Kalender für den sächsischen Staatsbeamten auf das Jahr 1916, Dresden 1916, S. 11f. (Bildquelle); General der Infanterie Hermann von S. (1851-1929), in: Der Militärfriedhof Dresden Albertstadt (Der Nordfriedhof), Dresden 1998, S. 12f.; P. Mertens, Zivil-militärische Zusammenarbeit während des Ersten Weltkriegs, Leipzig 2004. – DBA II.
Porträt Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden, Va-44747.
Peter Mertens
9.8.2007
Empfohlene Zitierweise:
Peter Mertens, Artikel: Georg Hermann von Schweinitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22292 [Zugriff 20.12.2024].