Georg Bierbaum

Als Prähistoriker, Leiter des Archivs urgeschichtlicher Funde aus Sachsen, nebenamtlicher Landespfleger für Bodenaltertümer in Sachsen sowie als Kustos und späterer Leiter des Landesmuseums für Vorgeschichte in Dresden war B. knapp zwei Jahrzehnte für die archäologische Denkmalpflege und Ausgrabungstätigkeit in Sachsen verantwortlich. Nachhaltig engagierte er sich darüber hinaus für das sächsische „Heimatschutzgesetz“. – Nach Ablegung der Abiturprüfung am Gymnasium in Zittau 1909 studierte B. für ein Semester in Marburg Medizin. Dann wechselte er für ein Studium der Naturwissenschaften an die Universität Leipzig, wo er im Dezember 1913 mit „Untersuchungen über den Bau der Gehörorgane von Tiefseefischen“ promoviert wurde. Im August 1914 bestand B. auch noch das Staatsexamen für den Höheren Schuldienst. Seinen Militärdienst absolvierte er u.a. in einer Sanitätseinheit, wodurch er parallel sein Medizinstudium in Leipzig fortsetzen und das Physikum absolvieren konnte. 1918 diente er als Feldunterarzt an der Westfront. Nach Kriegsende wieder nach Dresden zurückgekehrt, absolvierte B. die obligatorische Vorbereitungszeit für den Schuldienst, wechselte aber im April 1919 als Assistent der Professoren Ernst Kalkowsky und Eberhard Rimann, die zugleich das Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte leiteten, an das Mineralogisch-Geologische Institut der Technischen Hochschule. B. arbeitete sich in die prähistorische Forschung ein und sammelte unter der Leitung von Kustos Johannes Deichmüller erste Erfahrungen bei Ausgrabungen. Durch Kalkowsky wurde er in die Dresdner Naturwissenschaftliche Gesellschaft ISIS eingeführt, deren Abteilung für Vorgeschichte er ab 1921 leitete. Im Oktober 1923 wechselte B. als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter und Nachfolger Deichmüllers an das Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte in Dresden und wurde 1927 zum Kustos von dessen prähistorischer Abteilung ernannt. Unter seiner Leitung gewann die Burgwallforschung in Sachsen an Bedeutung. Er initiierte u.a. die Ausgrabungen der frühmittelalterlichen Burganlage von Köllmichen im Rahmen der von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft finanzierten Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der nord- und ostdeutschen vor- und frühgeschichtlichen Wall- und Wehranlagen. 1931 übernahm B. die Leitung des Archivs urgeschichtlicher Funde aus Sachsen. 1934 wurde B. nebenamtlich zum Landespfleger für Bodenaltertümer in Sachsen ernannt. Nachdem er sich, neben dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz, jahrelang vergeblich für ein Denkmalschutzgesetz eingesetzt hatte, wurde im Januar 1934 von der neuen NS-Regierung das sächsische Gesetz zum Schutze von Kunst-, Kultur- und Naturdenkmalen (Heimatschutzgesetz) erlassen. An der Technischen Hochschule Dresden übernahm er zu dieser Zeit einen Lehrauftrag für Vorgeschichte. Unter Beibehaltung dieser Nebenämter wurde B. mit der im April 1938 vollzogenen Verselbstständigung des Landesmuseums für Vorgeschichte zu dessen Leiter bestellt. Obwohl ihn 1933 und 1934 die Auseinandersetzungen mit ehemaligen Mitarbeitern und dem Vorsitzenden des Reichsbunds für Deutsche Vorgeschichte Hans Reinerth fast das Amt des „Landesarchäologen“ gekostet hätten, war er Reichsbund-Mitglied und gehörte ab 1942 der SS-Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ an. 1936 bis 1938 war B. maßgeblich an der Zusammenführung aller archäologischen Akteure in der Sächsischen Gesellschaft für Vorgeschichte unter dem Dach des „Heimatwerks Sachsen“ und unter der Schirmherrschaft von Gauleiter Martin Mutschmann beteiligt. Der kurzfristige finanzielle und personelle Ausbau der sächsischen Archäologie endete mit Beginn des Zweiten Weltkriegs. 1939 bis 1945 hatte der Landespfleger, durch Einberufungen seiner Mitarbeiter weitgehend auf sich gestellt, trotz der Regelungen des Heimatschutzgesetzes der ungebrochenen Bau- bzw. Abrisstätigkeit in den industriellen Ballungsräumen Westsachsens und der Lausitz denkmalpflegerisch wenig entgegenzusetzen. – Im Oktober 1944 wurde B. zum Volkssturm in Dresden-Mockritz einberufen. Nach Kriegsende konnte B. weiterhin am Landesmuseum arbeiten, da er, obwohl er politisch konservativ und deutsch-national eingestellt, kein Mitglied der NSDAP geworden war. 1946 wurde er zum Museumsdirektor ernannt. Doch zum 31.1.1949 wurde B. gekündigt, offiziell aufgrund von Etatkürzungen. Durch Vermittlung des Prähistorikers Martin Jahn erhielt B. von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften den Auftrag, ab 1949 den sächsischen Teil einer „Bibliographie zur Vor- und Frühgeschichte“ zu bearbeiten, der allerdings erst posthum publiziert wurde.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 521, 19117 Personalunterlagen sächsischer Behörden, Gerichte und Betriebe ab 1945, Personalakten der LRS, Sammelbestand, Nr. 1794, 12820 Personennachlass Georg B.; Stadtarchiv Dresden, 6.4.25-30.4.2-1 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt V, Personenstandsbuch, Sterberegister 1953, Nr. 176 (ancestry.de); Landesarchiv Berlin, Zivilstandsregister 1876-1945, Standesamt Stettin III Nemitz, Heiratsregister 1923, Nr. 815, Sterberegister 1940, Nr. 787 (ancestry.de).

Werke Untersuchungen über den Bau der Gehörorgane von Tiefseefischen, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 111/1914, H. 3, S. 281-380; Vesuvian- und Fibrolithbeilchen aus dem Bodensee, in: Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden 1919, S. 3-29; Das sächsische Gesetz zum Schutze von Kunst-, Kultur- und Naturdenkmalen (Heimatschutzgesetz) vom 13. Januar 1934, in: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 9/1933, S. 211-224; Goldfunde aus der ältesten Bronzezeit in Sachsen, in: Mitteilungen aus dem Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte zu Dresden 1934, S. 123-131; Stichbandkeramische Brandgräber von Kötitz, Kreis Meißen, in: Sachsens Vorzeit 3/1939, H. 1/2, S. 9-20.

Literatur Werner Coblenz, Georg B. 1889-1953, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 4/1954, S. 11-20; ders., In Memoriam Georg B. (13.8.1889-22.6.1953), in: ebd. 33/1989, S. 357-367; Kristina Geupel-Schischkoff, Um die Früchte der eigenen Arbeit gebracht ... Georg B. Sachsens erster Landesarchäologe, in: Archaeo. Archäologie in Sachsen 5/2008, S. 48-53; dies., Dr. Georg B. (13. August 1889-22. Juni 1953). Der Weg vom Zoologen, Mediziner und Lehrer zum Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden und Landespfleger für Bodenaltertümer Sachsens, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 21/2010, S. 19-26 (P); Michael Strobel, Eine archäologische Gesellschaft zwischen Engagement und Ressentiment (Teil I-III), in: Archaeo 15/2018, S. 44-52 (Teil I), 16/2019, S. 44-53 (Teil II), 17/2020, S. 36-46 (Teil III); Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 278-280 (P). – DBA II.

Porträt Georg B., um 1935, Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 521 (Bildquelle).

Karin Müller-Kelwing
3.1.2022


Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Georg Bierbaum,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/559 [Zugriff 17.5.2024].

Georg Bierbaum



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 521, 19117 Personalunterlagen sächsischer Behörden, Gerichte und Betriebe ab 1945, Personalakten der LRS, Sammelbestand, Nr. 1794, 12820 Personennachlass Georg B.; Stadtarchiv Dresden, 6.4.25-30.4.2-1 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt V, Personenstandsbuch, Sterberegister 1953, Nr. 176 (ancestry.de); Landesarchiv Berlin, Zivilstandsregister 1876-1945, Standesamt Stettin III Nemitz, Heiratsregister 1923, Nr. 815, Sterberegister 1940, Nr. 787 (ancestry.de).

Werke Untersuchungen über den Bau der Gehörorgane von Tiefseefischen, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 111/1914, H. 3, S. 281-380; Vesuvian- und Fibrolithbeilchen aus dem Bodensee, in: Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden 1919, S. 3-29; Das sächsische Gesetz zum Schutze von Kunst-, Kultur- und Naturdenkmalen (Heimatschutzgesetz) vom 13. Januar 1934, in: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 9/1933, S. 211-224; Goldfunde aus der ältesten Bronzezeit in Sachsen, in: Mitteilungen aus dem Museum für Mineralogie, Geologie und Vorgeschichte zu Dresden 1934, S. 123-131; Stichbandkeramische Brandgräber von Kötitz, Kreis Meißen, in: Sachsens Vorzeit 3/1939, H. 1/2, S. 9-20.

Literatur Werner Coblenz, Georg B. 1889-1953, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 4/1954, S. 11-20; ders., In Memoriam Georg B. (13.8.1889-22.6.1953), in: ebd. 33/1989, S. 357-367; Kristina Geupel-Schischkoff, Um die Früchte der eigenen Arbeit gebracht ... Georg B. Sachsens erster Landesarchäologe, in: Archaeo. Archäologie in Sachsen 5/2008, S. 48-53; dies., Dr. Georg B. (13. August 1889-22. Juni 1953). Der Weg vom Zoologen, Mediziner und Lehrer zum Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden und Landespfleger für Bodenaltertümer Sachsens, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 21/2010, S. 19-26 (P); Michael Strobel, Eine archäologische Gesellschaft zwischen Engagement und Ressentiment (Teil I-III), in: Archaeo 15/2018, S. 44-52 (Teil I), 16/2019, S. 44-53 (Teil II), 17/2020, S. 36-46 (Teil III); Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 278-280 (P). – DBA II.

Porträt Georg B., um 1935, Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 521 (Bildquelle).

Karin Müller-Kelwing
3.1.2022


Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Georg Bierbaum,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/559 [Zugriff 17.5.2024].