Marie Rambert

R. gehört zu den erfolgreichsten Schülerinnen von Émile Jaques-Dalcroze. Sie unterrichtete dessen Methode (MJD) in Hellerau, im Ballet Russe und in Großbritannien. Aus ihrer Tanzschule gingen Persönlichkeiten wie Sir Frederick Ashton, Antony Tudor, Agnes de Mille, Norman Morrice, Tamara Karsawina, Leon Wójcikowski, Zofia Fedorowicz, Hans von Kusserow und Christopher Bruce hervor. Als Choreografin kombinierte sie Modern Dance mit Techniken des Klassischen Balletts. Die unter ihrem Mentoring 1926 von Ashton getanzte „Tragedy of Fashion, or the Scarlet Scissors“ gilt als Beginn des britischen Balletts. – R. wuchs in einer bürgerlichen Familie jüdisch-polnischer Herkunft auf. Zunächst den Wunsch hegend, Medizin zu studieren, entdeckte sie ihre Neigungen für Ausdruckstanz während des privaten Tanzunterrichts und einer Aufführung von Isadora Duncan 1904 in Warschau. Sie entwickelte außerdem Interesse für Literatur und erhielt aufgrund ihrer Neigungen den Beinamen „Quicksilver“, den sie später zum Titel ihrer Autobiografie erkor. 1905 ging R. nach Paris, wo sie im Jahr darauf ein Sprachzertifikat der Universität Sorbonne erwarb und als Tanzlehrerin und Tänzerin arbeitete. Inspiriert von Duncan und ermutigt von deren Bruder Raymond Duncan, tanzte sie barfüßig und bekannte sich somit zum Ausdruckstanz, studierte aber Klassisches Ballett bei Madame Rat an der Pariser Oper. R. nannte sich, auf Anregung von Edmée Delebecque, Myriam; 1907 ließ sie sich auf den Namen Cyvia Myriam Boleslass Emmanuele christlich taufen. 1909 lernte R. Dalcroze kennen und nahm im Jahr darauf an dessen Sommerkurs in Genf (Schweiz) teil. Sie unterstützte neben Nina Gorter und Suzanne Perrottet den Aufbau der Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus Jaques-Dalcroze in Hellerau, unterrichtete dort und präsentierte die MJD bei öffentlichen Vorträgen. Dabei wurde sie von Sergei Pavlovitš Djagilev entdeckt, der sie als Lehrerin für Rhythmische Gymnastik für sein Ballet Russe verpflichtete, bei dem sie die Tänzerinnen und Tänzer trainierte und Vaslav Nijinsky bei der Anwendung der Dalcroze-Technik in Choreografien half. R. erarbeitete mit Nijinsky „LʼAprès-midi dʼun Faune“ und „Le Sacre du Printemps“. Darüber hinaus studierte R. Ballett bei Enrico Cecchetti und trat in Djagilevs Corps de Ballet in Berlin und Paris auf, etwa in dem von ihr co-choreografierten „Le Sacre du Printemps“ 1913 im Théâtre des Champs-Élysées. – Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs zog R. via Frankreich nach London, wo sie unter dem Namen Marie Rambert als Tänzerin und Schauspielerin arbeitete. 1915 trat sie im Palladium Opera House in Brighton auf. Zwei Jahre darauf kam ihre erste Choreografie „La Pomme d’Or“ im Garrick Theatre London auf die Bühne, die sie gemeinsam mit Vera Donnet tanzte, ebenso wie 1918 in „Fêtes Galantes“ in der Londoner Stage Society. Im selben Jahr heiratete sie Ashley Dukes und erhielt die britische Staatsbürgerschaft. Sie gab Tanz- und Rhythmusunterricht für Kinder, zu denen auch die spätere Schauspielerin Sarah Churchill, Tochter von Winston Churchill, gehört haben soll. 1920 gründete R. eine bis heute bestehende Tanzschule, wo sie die Cecchetti-Methode unterrichtete. Dabei kombinierte sie konventionelle Techniken mit Ausdruckstanz, etwa in dem 1927 neu aufgelegten „Fairy Queen“ für die Purcell Opera Society und Amateur Dramatic Society, Cambridge. 1926 hatten sich die Marie Rambert Dancers formiert (ab 1931 Ballet Club, ab 1935 Ballet Rambert, seit 1987 Rambert Dance Company). Die Truppe erhielt 1931 im ehemaligen Kirchensaal am Notting Hill Gate ein neues Art House, in dem Ashley Dukes ein Ballettstudio eröffnete. R. konnte dort ihren pädagogischen Wunsch, die Potenziale eines Tänzers umfassend entfalten zu lassen, freizügig ausleben. Neben Ashton förderte sie die Choreografen Antony Tudor, Andrée Howard, Frank Staff, Walter Gore und Norman Morrice sowie die Tänzerinnen und Tänzer Pearl Argyle, Peggy van Praagh, Sarah Gilmour und Hugh Laing. R. unterstützte außerdem Designer wie Sophie Fedorovitch, Hugh Stevenson und William Chappell. Gleichzeitig engagierte sie sich mit Ninette de Valois für die Camargo Society. Ab 1947 reiste R. mit ihren Tänzerinnen und Tänzern nach Australien, Neuseeland, Italien, China und in die USA. Das Repertoire zunächst um klassische Werke wie „Giselle“ und „Don Quijote“ erweiternd, organisierte R. in den 1960er-Jahren die Gruppe neu, verzichtete auf das Corps de Ballet und priorisierte Ausdruckstänzer. Zu diesem Zeitpunkt hatten R.s Töchter ihre Tanzausbildung in der Schule und Kompanie erhalten. Während Helena Dukes Musical-Tänzerin wurde, übernahm Angela Dukes die Leitung der Schule, nachdem sich R. ab 1966 sukzessive zurückgezogen hatte. R. erhielt für ihre Verdienste den Orden der französischen Ehrenlegion, den Order of the British Empire (Dame Commander) und die Goldmedaille des Verdienstordens von Polen. 2013 präsentierte die Rambert Dance Company eine Show über ihr Leben und Werk, wobei sie Fragmente historischer Choreografien und Archivmaterial verwendete. Eine permanente Ehrung erhält R. durch das Jewish Lives Project.

Quellen Rambert Archive, Rambert Dance Company Collection, Andree Howard Archive, Paula Hinton Archive, Walter Gore Archive, Camargo Ballet Society (1930-1933), Dance Theatre (1937), London Ballet (1938-1940), Ballet Workshop (1951-1955), Charles Boyd Collection, Reg Wilson Collection; Victoria and Albert Museums’ Theatre, London, Theatre & Performance Archive; John Gruen, Interview with Dame Marie R., London, 30.7.1974, New York Public Library for the Performing Arts, Dance Collection.

Werke Choreografien: mit Vera Donnet, La Pomme d’Or (Musik: Arcangelo Corelli), London 1917; mit ders., Fêtes Galantes (Musik: Jean-Philippe Rameau, Jean-Baptiste Lully, Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart), London 1917; mit ders., Ballet Philosophique (Musik: César Franck), London 1919; mit Frederick Ashton, The Fairy Queen (Musik: Henry Purcell), London 1927; mit dems., Leda (Musik: Christoph Willibald Gluck), London 1928. – Schriften: mit Igor Stravinsky/Nicholas Roerich/Vaslaw Nijinsky, Le Sacre du Printemps. Tableaux de la Russes Païenne en deux parties dʼIgor Strawinsky et Nicolas Roerich. Partiturauszug Piano, Berlin/Leipzig/New York 1913; mit Lesley Blanch, Some Impressions of the Ballet in Russia - 1934, in: Hubert Freeling Griffith (Hg.), Playtime in Russia, London 1935, S. 83; Vorwort, in: Ivor Guest (Hg.), A Gallery Of Romantic Ballet. A Catalogue of the Collection of Dance Prints at the Mercury Theatre, London 1965; Quicksilver. An Autobiography, London 1972.

Literatur Sir Frederick Ashton, Marie R.: A Tribute, in: The Dancing Times 1945, H. 1, S. 151f.; Lionel Bradley/Hugh Stevenson, Sixteen Years of Ballet Rambert, London 1946; Alexander Bland, Marie R., in: The Ballet Annual 9/1955, S. 58-63; Mary Clarke, Dancers of Mercury. The Story of Ballet Rambert, London 1962; Hilary Ostlere, „Old School Tights“. An interview with Marie R., in: Dance Magazine 1973, H. 2, S. 56-58; Kathrine Sorley Walker, Ballet Rambert, in: Dance Gazette. The Magazine of the Royal Academy of Dance 1980, Nr. 174, S. 5-11; Clement Crisp/Anya Sainsbury/Peter Williams (Hg.), 50 Years of Ballet Rambert, London 1981; Mary Clarke, Obituary. Dame Marie R., in: The Dancing Times 1982, S. 737; Clemens Crisp, Mercuria. Dame Marie R., in: Ballet News. The International Magazine of Dance 4/1982, Nr. 4, S. 26-28, 45; Peter Williams, The Making Of A Muse: The Life And Achievement Of Dame Marie R., in: Dance Gazette. The Magazine of the Royal Academy of Dance, Oktober 1982, S. 3-5; Jane Pritchard, Marie R. On Stage. The Midwife Of British Ballet, in: Dance Theatre Journal 8/1990, Nr. 2, S. 40-44; Angela Kane, R. Doubling Back to the Sixties, in: ebd., Nr. 3, S. 34-37; Jane Pritchard/Sarah Rubidge, Rambert Dance Company. An Illustrated History Through Its Choreographers, London 1991; dies., R. A Celebration. A Survey of the Company’s First Seventy Years, London 1996; dies., The Correspondence Between Walter Gore and Marie R., in: Dance Research. The Journal of the Society for Dance Research 16/1998, Nr. 2, S. 3-28; Richard Glasstone, The Rambert School Forty Years On, in: The Dancing Times 1998, H. 11, S. 124f.; Brigitte Kelly, ‘Mim’. A Personal Memoir of Marie R., Alton/Hampshire 2009; Rebecca Katz Harwood, Marie R., in: Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia, 27.2.2009, Jewish Women's Archive.

Porträt Marie R., Walter Bird, 1962, Bromdruck, National Portrait Gallery, London, Inventar-Nr. NPG x167145 (Bildquelle) [CC BY-NC-ND 3.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Unported License].

Uta Dorothea Sauer
2.11.2021


Empfohlene Zitierweise:
Uta Dorothea Sauer, Artikel: Marie Rambert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28844 [Zugriff 16.5.2024].

Marie Rambert



Quellen Rambert Archive, Rambert Dance Company Collection, Andree Howard Archive, Paula Hinton Archive, Walter Gore Archive, Camargo Ballet Society (1930-1933), Dance Theatre (1937), London Ballet (1938-1940), Ballet Workshop (1951-1955), Charles Boyd Collection, Reg Wilson Collection; Victoria and Albert Museums’ Theatre, London, Theatre & Performance Archive; John Gruen, Interview with Dame Marie R., London, 30.7.1974, New York Public Library for the Performing Arts, Dance Collection.

Werke Choreografien: mit Vera Donnet, La Pomme d’Or (Musik: Arcangelo Corelli), London 1917; mit ders., Fêtes Galantes (Musik: Jean-Philippe Rameau, Jean-Baptiste Lully, Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart), London 1917; mit ders., Ballet Philosophique (Musik: César Franck), London 1919; mit Frederick Ashton, The Fairy Queen (Musik: Henry Purcell), London 1927; mit dems., Leda (Musik: Christoph Willibald Gluck), London 1928. – Schriften: mit Igor Stravinsky/Nicholas Roerich/Vaslaw Nijinsky, Le Sacre du Printemps. Tableaux de la Russes Païenne en deux parties dʼIgor Strawinsky et Nicolas Roerich. Partiturauszug Piano, Berlin/Leipzig/New York 1913; mit Lesley Blanch, Some Impressions of the Ballet in Russia - 1934, in: Hubert Freeling Griffith (Hg.), Playtime in Russia, London 1935, S. 83; Vorwort, in: Ivor Guest (Hg.), A Gallery Of Romantic Ballet. A Catalogue of the Collection of Dance Prints at the Mercury Theatre, London 1965; Quicksilver. An Autobiography, London 1972.

Literatur Sir Frederick Ashton, Marie R.: A Tribute, in: The Dancing Times 1945, H. 1, S. 151f.; Lionel Bradley/Hugh Stevenson, Sixteen Years of Ballet Rambert, London 1946; Alexander Bland, Marie R., in: The Ballet Annual 9/1955, S. 58-63; Mary Clarke, Dancers of Mercury. The Story of Ballet Rambert, London 1962; Hilary Ostlere, „Old School Tights“. An interview with Marie R., in: Dance Magazine 1973, H. 2, S. 56-58; Kathrine Sorley Walker, Ballet Rambert, in: Dance Gazette. The Magazine of the Royal Academy of Dance 1980, Nr. 174, S. 5-11; Clement Crisp/Anya Sainsbury/Peter Williams (Hg.), 50 Years of Ballet Rambert, London 1981; Mary Clarke, Obituary. Dame Marie R., in: The Dancing Times 1982, S. 737; Clemens Crisp, Mercuria. Dame Marie R., in: Ballet News. The International Magazine of Dance 4/1982, Nr. 4, S. 26-28, 45; Peter Williams, The Making Of A Muse: The Life And Achievement Of Dame Marie R., in: Dance Gazette. The Magazine of the Royal Academy of Dance, Oktober 1982, S. 3-5; Jane Pritchard, Marie R. On Stage. The Midwife Of British Ballet, in: Dance Theatre Journal 8/1990, Nr. 2, S. 40-44; Angela Kane, R. Doubling Back to the Sixties, in: ebd., Nr. 3, S. 34-37; Jane Pritchard/Sarah Rubidge, Rambert Dance Company. An Illustrated History Through Its Choreographers, London 1991; dies., R. A Celebration. A Survey of the Company’s First Seventy Years, London 1996; dies., The Correspondence Between Walter Gore and Marie R., in: Dance Research. The Journal of the Society for Dance Research 16/1998, Nr. 2, S. 3-28; Richard Glasstone, The Rambert School Forty Years On, in: The Dancing Times 1998, H. 11, S. 124f.; Brigitte Kelly, ‘Mim’. A Personal Memoir of Marie R., Alton/Hampshire 2009; Rebecca Katz Harwood, Marie R., in: Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia, 27.2.2009, Jewish Women's Archive.

Porträt Marie R., Walter Bird, 1962, Bromdruck, National Portrait Gallery, London, Inventar-Nr. NPG x167145 (Bildquelle) [CC BY-NC-ND 3.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Unported License].

Uta Dorothea Sauer
2.11.2021


Empfohlene Zitierweise:
Uta Dorothea Sauer, Artikel: Marie Rambert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28844 [Zugriff 16.5.2024].