Johann Kuhnau

Der Leipziger Thomaskantor Johann Kuhnau zählt zu den bedeutenden deutschen Komponisten der Barockzeit, wobei er als direkter Vorgänger Johann Sebastian Bachs in dessen Schatten steht. Als Kind eines Tischlers aus dem Osterzgebirge schaffte er den Aufstieg zum angesehenen Leipziger Komponisten und barocken Universalgelehrten. – Kuhnau wurde am 6.4.1660 als Sohn von Bartel Kuhn und der Schneidertochter Susanne Kuhn in Geising geboren. Sein Großvater Caspar Kuhn war aus Böhmen vor der Gegenreformation nach Sachsen geflohen. Den Namen „Kuhn“ änderte Johann während seines Studiums in „Kuhnau“ ab, auch seine Brüder scheinen diese Namensänderung vollzogen zu haben. Gemeinsam mit seinem Bruder Andreas Kuhnau besuchte er zunächst die Schule in Geising, in der er neben den Fächern Rechnen, Lesen, Schreiben und Religion auch in Gesang unterrichtet wurde. Auf Vermittlung eines Verwandten, des in Dresden tätigen Hofmusikers Salomon Krügner, kam Kuhnau um 1670 nach Dresden in das Haus des Hoforganisten Christoph Kittel, der aus Lauenstein bei Geising stammte. Im Februar 1671 konnte Kuhnau auf eine frei gewordene Kapellknabenstelle (Ratsdiskantist) an der Dresdner Kreuzkirche berufen. Gemeinsam mit seinem Bruder Andreas, der schon länger Kreuzschüler war, konnte er hier bei freier Kost und Logie wohnen und lernen. An der Kreuzschule erhielt er Unterricht durch den Kreuzkirchenorganisten Alexander Heringk, einem Schüler von Heinrich Schütz, sowie durch den Hofkapellmeister Vincenzo Albrici, der frühzeitig auf Kuhnaus Talent aufmerksam wurde. Er absolvierte die Schule bis zur Sekunda und zog 1680 beim Ausbruch der Pest in Dresden zurück nach Geising. Ende 1680 wechselte er nach Zittau, wohin ihn Erhard Titius, ein ehemaliger Kreuzschüler, eingeladen hatte. Am dortigen Johanneum setzte er seine Ausbildung fort. Darüber hinaus wurde er interimistisch Organist und Kantor an der Johanniskirche. Den Rektor des Johanneums Christian Weise unterstützte er bei der Aufführung von dessen Schuldramen. In Zittau verfasste Kuhnau 1681 zudem seine erste nachweisbare Komposition „Ach Gott wie lästu mich erstarren“ anlässlich der Beerdigung seines Förderers Titius. – 1682 folgte Kuhnau wiederum seinem Bruder Andreas nach Leipzig, wo er an der Universität ein Studium der Rechtswissenschaften begann. Zeitgleich bewarb er sich auf die Nachfolge Albricis als Thomasorganist und wurde (trotz Empfehlungsschreiben des ebenfalls aus Geising stammenden Thomaskantors Johann Schelle) zunächst abgelehnt. Nachdem er 1683 eine Kantate für den Einzug des Kurfürsten Johann Georg III. in Leipzig nach der siegreichen Türkenschlacht vor Wien geschrieben und zur Aufführung gebracht hatte, wurde er 1684 schließlich doch als Thomasorganist angestellt. Die feste Bezahlung gab ihm die Möglichkeit, sein Studium fortzuführen und 1688 mit der Dissertation „De Juribus circa musicos Ecclesiasticos“ abzuschließen. 1689 heiratete Kuhnau die Riemerstochter Elisabeth Plattner aus Leipzig. Der Ehe entstammen insgesamt acht Kinder, von denen jedoch nur drei Töchter ihren Vater überlebten. – Neben seiner Anstellung als Thomasorganist war Kuhnau ab 1689 auch erfolgreich als Advokat tätig. Darüber hinaus verfasste er mehrere Romane, wie das satirische Stück „Der musicalische Quacksalber“ (1700), sowie Bühnenstücke und entwickelte sich zu einem hoch angesehenen barocken Universalgelehrten. Als der Thomaskantor Schelle 1701 verstarb, bewarb sich Kuhnau erfolgreich um die Nachfolge. Er vereinigte damit das Amt des Thomasorganisten und -kantors auf sich, was außerdem auch noch die Leitung des Thomanerchors umfasste. Zugleich wurde Kuhnau Musikdirektor der beiden anderen großen Leipziger Kirchen, der Nikolaikirche und der Universitätskirche St. Pauli. In dieser Funktion schuf er u.a. Kompositionen für Festlichkeiten der Universität und der Stadt Leipzig. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben gab er in dieser Zeit seine Anwaltstätigkeit auf. Als Fachmann beurteilte er 1710 das Erstlingswerk des späterhin berühmten Orgelbauers Gottfried Silbermann in Frauenstein und 1716 gemeinsam mit Johann Sebastian Bach und Johann Heinrich Rolle die bedeutende Orgel der Liebfrauenkirche zu Halle/Saale von Christoph Cuntzius. Am 5.6.1722 starb Kuhnau im Alter von 62 Jahren in Leipzig. Im April 1723 übernahm Bach das Amt des Leipziger Thomaskantors und sollte Kuhnaus Schaffen und Werk weit in den Schatten stellen. – Neben vielen Vertonungen von Gemeindegesängen für den Gottesdienst, was zum täglichen Handwerk eines Organisten gehörte, schrieb Kuhnau auch zahlreiche Motetten, Kirchenkantaten und Klaviersonaten. Insbesondere letztere wurden von seinen Zeitgenossen hochgeschätzt. Er komponierte auch Festmusiken zu besonderen öffentlichen Anlässen, wie etwa des Jubiläums der Leipziger Universität 1709 oder des Reformationsjubiläums 1717. Auch anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August (II.) mit der Kaisertochter Maria Josepha 1719 komponierte er wahrscheinlich eine dreichörige Ode, die allerdings wie ein Großteil seines Werks verschollen ist. Zu seinen Schülern an der Leipziger Thomasschule zählten u.a. die später bekannt gewordenen Komponisten Johann Friedrich Fasch, Johann David Heinichen und Christoph Graupner. – Eine erste Biografie Kuhnaus, die dieser auf Aufforderung Johann Matthesons um 1720 selbst verfasste, erschien 1740 in Matthesons Musiker-Biografie „Grundlage einer Ehren-Pforte“.

Quellen Johann Mattheson, Grundlage einer Ehren-Pforte, woran der Tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen, Hamburg 1740, S. 153-158.

Werke Vokalmusik: Ach Gott, wie lästu mich erstarren, 1681; 14 Messen und andere liturgische Formen, davon 6 verschollen; 87 geistliche Kantaten mit gesicherter Autorschaft Kuhnaus, davon mehr als die Hälfte verschollen; 4 geistliche Kantaten mit zweifelhafter Autorschaft; 16 deutsche Festmusiken mit gesicherter Autorschaft Kuhnaus; 1 deutsche Festmusik mit zweifelhafter Autorschaft; 7 lateinische Festmusiken mit gesicherter sowie 3 mit zweifelhafter Autorschaft. – Bühnenwerke: 3, alle verschollen. – Instrumentalmusik: Neuer Clavier-Übung Erster Theil, 1689; Neuer Clavier-Übung Anderer Theil, 1692; Frische Clavier Früchte, 1696; Musicalische Vorstellung einiger Biblischer Historien, 1700; Fuga ex G, in: Tabulaturbuch, Nr. 112, 1750; Fuga ex B, in: ebd., Nr. 158, 1750; Fuga C-Dur; Praeludium ex G; Praeludium alla breve; Toccata. – Schriften: Divini numinis assistentia, illustrisque Jure consultorum in fiorentissima Academia Lipsiensi ordinis indulta Jura circa musicos ecclesiasticos, Leipzig 1688; Der Schmid seines eigenen Unglücks …, Leipzig 1695, ND Bern 1992; Erster Theil des moralischen Gebrauchs der fünf Sinnen. Erster Theil vom Fühlen, Leipzig 1698, ND Bern 1992; Der musicalische Quack-Salber, Dresden 1700; Fundamenta compositionis, 1703 [Ms., Bach-Archiv Leipzig].

Literatur Werner Stöckel, Ein berühmter Geisinger: Johann Kuhnau, in: Christiane Stöckel (Hg.), Beiträge zur Heimatgeschichte Geisings und Umgebung, Bd. 2, Geising 2016, S. 641-648. – ADB 17, S. 343-346; DBA I, II, III; DBE II 6, S. 147; MGG Online (Werkverzeichnis); NDB 13, S. 270f.

Porträt Jo. Kunau. Musicus, (nach 1829), Pinselzeichnung auf Papier, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventar-Nr. Porträt H 118 (Bildquelle) [CC BY-NC-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-Noncommercial-Sharealike 4.0 International License].

Simon Kretzschmar
26.9.2024


Empfohlene Zitierweise:
Simon Kretzschmar, Artikel: Johann Kuhnau,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2578 [Zugriff 20.12.2024].

Johann Kuhnau



Quellen Johann Mattheson, Grundlage einer Ehren-Pforte, woran der Tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen, Hamburg 1740, S. 153-158.

Werke Vokalmusik: Ach Gott, wie lästu mich erstarren, 1681; 14 Messen und andere liturgische Formen, davon 6 verschollen; 87 geistliche Kantaten mit gesicherter Autorschaft Kuhnaus, davon mehr als die Hälfte verschollen; 4 geistliche Kantaten mit zweifelhafter Autorschaft; 16 deutsche Festmusiken mit gesicherter Autorschaft Kuhnaus; 1 deutsche Festmusik mit zweifelhafter Autorschaft; 7 lateinische Festmusiken mit gesicherter sowie 3 mit zweifelhafter Autorschaft. – Bühnenwerke: 3, alle verschollen. – Instrumentalmusik: Neuer Clavier-Übung Erster Theil, 1689; Neuer Clavier-Übung Anderer Theil, 1692; Frische Clavier Früchte, 1696; Musicalische Vorstellung einiger Biblischer Historien, 1700; Fuga ex G, in: Tabulaturbuch, Nr. 112, 1750; Fuga ex B, in: ebd., Nr. 158, 1750; Fuga C-Dur; Praeludium ex G; Praeludium alla breve; Toccata. – Schriften: Divini numinis assistentia, illustrisque Jure consultorum in fiorentissima Academia Lipsiensi ordinis indulta Jura circa musicos ecclesiasticos, Leipzig 1688; Der Schmid seines eigenen Unglücks …, Leipzig 1695, ND Bern 1992; Erster Theil des moralischen Gebrauchs der fünf Sinnen. Erster Theil vom Fühlen, Leipzig 1698, ND Bern 1992; Der musicalische Quack-Salber, Dresden 1700; Fundamenta compositionis, 1703 [Ms., Bach-Archiv Leipzig].

Literatur Werner Stöckel, Ein berühmter Geisinger: Johann Kuhnau, in: Christiane Stöckel (Hg.), Beiträge zur Heimatgeschichte Geisings und Umgebung, Bd. 2, Geising 2016, S. 641-648. – ADB 17, S. 343-346; DBA I, II, III; DBE II 6, S. 147; MGG Online (Werkverzeichnis); NDB 13, S. 270f.

Porträt Jo. Kunau. Musicus, (nach 1829), Pinselzeichnung auf Papier, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventar-Nr. Porträt H 118 (Bildquelle) [CC BY-NC-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-Noncommercial-Sharealike 4.0 International License].

Simon Kretzschmar
26.9.2024


Empfohlene Zitierweise:
Simon Kretzschmar, Artikel: Johann Kuhnau,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2578 [Zugriff 20.12.2024].