Friedrich August Graf von Rutowski
R. entstammte einer Liaison des Kurfürsten Friedrich August I. (August II., der Starke) in Warschau mit der angeblich bei der Einnahme der Festung Ofen geraubten Türkin
Fatime. Auf Veranlassung des Kurfürsten heiratete Fatime nach der Geburt von R. den sächsischen Kammerherrn
Johann George Spiegel. 1706 brachte sie mit
Maria Aurora ein weiteres Kind des Kurfürsten und Königs zur Welt. Beide Geschwister legitimierte Friedrich August als seine Kinder und erhob sie in seiner Eigenschaft als König von Polen 1724 unter dem Namen Rutowski in den Grafenstand. Das ihnen verliehene Wappen zeigt einen sächsischen Rautenkranz sowie einen polnischen weißen Adler. – Bis zu diesem Zeitpunkt war R. im Haus Spiegel aufgewachsen und hatte zudem einige Zeit in Paris verbracht. Am 8.10.1724 wurde R. mit dem von seinem Vater gestifteten polnischen Orden vom Weißen Adler ausgezeichnet. Gleichzeitig erhielt er den Rang eines Oberst. Nach einer Reise über Dresden, München und Venedig traf R. im Februar 1725 am Hof des Königs von Sardinien und Parma in Turin ein, wo er das Regiment Piemont übernahm. Der Dienst für den sardischen Hof in der Garnisonstadt Alessandria behagte ihm wenig, doch ein Gesuch an den Vater, in französische Dienste treten zu dürfen, wurde von diesem abgelehnt. 1727 ernannte ihn Friedrich August I. zum Oberst der Garde du Corps und Generalmajor der Kavallerie. Ein kurzes Zwischenspiel führte R. auf Wunsch seines Vaters 1728 für ein Jahr als Chef des Regiments von Thiele in preußische Dienste. Nachdem ihm
Friedrich Wilhelm I. von Preußen den Abschied nur ungern bewilligte, erhielt R. 1730 das Kommando über die sächsische Leibgrenadiergarde. Unter seiner Führung erregten diese Truppen im berühmten Zeithainer Lager im selben Jahr allgemeine Bewunderung. Als nach dem Tod Friedrich Augusts I. 1733 sein Sohn Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen wurde, behielt dessen Halbbruder R. seine Dienststellung. Im Polnischen Thronfolgekrieg wirkte er 1734 als „Freiwilliger“ bei der Eroberung von Danzig mit. Weitere Einsichten in die Kunst der militärischen Führung gewann er durch die Begleitung des seit der Eroberung von Belgrad 1717 berühmten österreichischen Feldherrn Prinz
Eugen, als dieser die Truppen Habsburgs und des Reichs 1734 am Rhein gegen Frankreich kommandierte. Am 16.9.1735 wurde R. zum Generalleutnant befördert und erhielt nach seiner Rückkehr vom Feldzug Prinz Eugens gegen Frankreich im Januar 1736 das Kommando über die in Dresden stationierte Garde du Corps. Im selben Jahr wurde er mit dem selten verliehenen sächsischen St.-Heinrichs-Orden ausgezeichnet. Im Krieg Russlands und Österreichs gegen die Türken kommandierte R. 1737 ein sächsisches Hilfskorps, das Kaiser
Karl VI. in Ungarn unterstützte. 1738 wurde er zum General der Kavallerie und Kommandeur der Garde in Warschau befördert. Bemerkenswert sind seine in dieses Jahr fallenden freimaurerischen Aktivitäten; gründete er doch in Dresden die erste sächsische Loge „Aux trois Aigles blancs“ („Zu den drei weißen Adlern“). Sie war erst die dritte im deutschen Raum entstandene Freimaurerloge. – Nach seiner Heirat 1739 mit
Amalia Luise, einer Tochter des einflussreichen polnischen Fürsten von Lubomirski, legte R. seine Kommandos über die Garde du Corps zu Pferd sowie die sächsische Garde in Warschau nieder. Aus der Ehe ging 1740 ein Sohn hervor, der jedoch noch im Kindesalter an den Blattern verstarb. – Ab dem 10.8.1740 amtierte R. als Gouverneur von Dresden, Chef und Kommandeur der Leibgrenadiergarde sowie als Landzeugmeister. Im Ersten Schlesischen Krieg führte er an der Seite der preußischen, bayerischen und französischen Verbündeten die sächsischen Truppen gegen Prag, das am 26.11.1741 erobert wurde. Streitigkeiten mit
Friedrich II. von Preußen veranlassten R., das Kommando über die sächsischen Truppen an seinen Halbbruder Johann Georg, Chevalier de Saxe, zu übergeben. Im Zweiten Schlesischen Krieg stand Sachsen auf der Seite der Gegner Preußens. In der Schlacht bei Kesselsdorf am 15.12.1745, in der etwa 7.500 sächsische Soldaten den Tod fanden, führte R. erstmals allein den Oberbefehl. Dabei befand er sich schon aufgrund des schlechten Zustands des sächsischen Heers in einer schwierigen Situation. Die Lage verschärfte sich noch durch das unerwartete Ausbleiben der verbündeten österreichischen Truppen unter Prinz
Karl von Lothringen. Die daraus zwangsläufig resultierende Umgruppierung seiner Kräfte sowie eigenmächtiges Handeln seiner Unterführer brachten R. und die sächsische Armee um den Sieg. Seiner militärischen Karriere schadete dies jedoch nicht. Am 6.6.1746 wurde R. General en Chef der sächsischen Armee und am 22.1.1749 sächsischer Generalfeldmarschall. In dieser Funktion bemühte sich der als fähiger Reformer und Organisator bekannte R. in den folgenden Jahren um Verbesserungen für das sächsische Heer. Im Siebenjährigen Krieg führte er erneut die Armee Sachsens. Die von ihm initiierte Zusammenziehung des sächsischen Heers in einer fast unangreifbaren Lagerstellung bei Pirna verhinderte zunächst eine schnelle Überrumpelung Sachsens beim Einmarsch der Preußen in der Nacht vom 28. zum 29.8.1756. Zwar vermochte die sächsische Armee der preußischen Belagerung etwa sechs Wochen zu widerstehen, angesichts des zunehmenden Nahrungsmangels und eines gescheiterten Ausbruchsversuchs aber war die schließlich am 16. Oktober auf der „Liliensteiner Ebenheit“ geschlossene Kapitulation unvermeidbar. Nach der gewaltsamen Eingliederung weiter Teile des sächsischen Heers in die Armee Preußens blieb der Feldmarschall in Dresden. Er kümmerte sich jedoch auch weiterhin um die Belange einzelner Offiziere sowie des „Sammlungswerkes“, in welchem die in großer Zahl aus dem erzwungenen preußischen Dienst wieder desertierten sächsischen Soldaten reorganisiert und sodann dem österreichischen bzw. französischen Heer zur Verfügung gestellt wurden. Im Frühjahr 1763 zeichnete R. für die Rückführung dieser Truppen nach Sachsen verantwortlich. Aus gesundheitlichen Gründen nahm er am 2.4.1763 seinen Abschied und übergab seine Funktion als Oberkommandierender des sächsischen Heers an den „Chevalier de Saxe“. – R. verstarb nach langer Krankheit in Pillnitz. Die Bestattung dieses bekannten, jedoch stets im Schatten seines berühmten Halbbruders Moritz von Sachsen stehenden Heerführers fand mit feierlichem Leichenzug am 20.3.1764 im Kloster St. Marienstern bei Panschwitz-Kuckau statt.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Oberhofmarschallamt, Leichenbegängnisse von Adligen und Bürgerlichen 1739-1829.
Literatur Lebensgeschichte des jüngst verstorbenen Grafens R., in: Fortgesetzte Neue Genealogisch-Historische Nachrichten 43/1765, S. 508-526; F. A. Freiherr ô Byrn, Zur Lebensgeschichte des Grafen Friedrich August R., in: Archiv für die Sächsische Geschichte N.F. 2/1876, S. 17-350. – ADB 30, S. 51f.; DBA I, II, III; DBE 8, S. 478.
Porträt L. de Silvestre, 1724, Ölgemälde, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inventar 1722-1728, Nr. A 15, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Reiner Pommerin
16.11.2007
Empfohlene Zitierweise:
Reiner Pommerin, Artikel: Friedrich August Graf von Rutowski,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3420 [Zugriff 20.12.2024].
Friedrich August Graf von Rutowski
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Oberhofmarschallamt, Leichenbegängnisse von Adligen und Bürgerlichen 1739-1829.
Literatur Lebensgeschichte des jüngst verstorbenen Grafens R., in: Fortgesetzte Neue Genealogisch-Historische Nachrichten 43/1765, S. 508-526; F. A. Freiherr ô Byrn, Zur Lebensgeschichte des Grafen Friedrich August R., in: Archiv für die Sächsische Geschichte N.F. 2/1876, S. 17-350. – ADB 30, S. 51f.; DBA I, II, III; DBE 8, S. 478.
Porträt L. de Silvestre, 1724, Ölgemälde, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inventar 1722-1728, Nr. A 15, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Reiner Pommerin
16.11.2007
Empfohlene Zitierweise:
Reiner Pommerin, Artikel: Friedrich August Graf von Rutowski,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3420 [Zugriff 20.12.2024].