Viktor Hantzsch

H., dessen Großonkel mütterlicherseits der Gründer der Taubstummenanstalt Dresden, Johann Friedrich Jencke, war, wuchs in einer bildungsoffenen Lehrerfamilie auf und entschied sich für den Beruf des Vaters. Die Ausbildung dafür erhielt er 1882 bis 1888 am Friedrichstädter Seminar in Dresden. Danach war er in Cossebaude und Löbtau als Hilfslehrer und ein Jahr als Bürgerschullehrer in Dresden tätig. Das sächsische Kultusministerium gestattete Volksschullehrern nach besonders gut bestandener Abschlussprüfung akademische Studien an der Landesuniversität mit dem Ziel einer Lehrbefähigung an höheren Unterrichtsanstalten in Sachsen. H. studierte so von 1892 an in Leipzig Pädagogik und Philosophie, besonders aber Geschichte bei Karl Lamprecht und Geografie bei Friedrich Ratzel. Ratzel blieb bis zu seinem Tod 1904 H.s engster Vertrauter. Nach hervorragendem Abschluss der pädagogischen Staatsprüfung 1894 und noch vor H.s 1895 erfolgter Promotion traten Zeichen der Lungentuberkulose auf. Die ihm ab 1895 ermöglichte Bürgerschultätigkeit wurde dadurch immer wieder unterbrochen. Die am Ende tödliche Krankheit konnte durch längere Kuraufenthalte, u.a. in Davos (Schweiz) und Reiboldsgrün (heute Bad Reiboldsgrün), nur vorübergehend aufgehalten werden. Auf H.s eigenen Antrag hin fand seine schulische Laufbahn mit der Versetzung in den Ruhestand am 1.1.1902 ein frühes Ende. Fortan entfaltete er eine umfangreiche wissenschaftliche Publizistik, besonders auf den Gebieten historische Geografie, historische Kartografie sowie allgemeine Kulturgeschichte. Neben zahlreichen Einzelveröffentlichungen war H. ständiger Mitarbeiter des „Literarischen Zentralblatts für Deutschland“, der „Allgemeinen Deutschen Biographie“, des „Biographischen Jahrbuchs und Deutschen Nekrologs“ und der Literaturberichte in „Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt“. 1899 begann H. auf Empfehlung Ratzels als freiberuflicher wissenschaftlicher Hilfsarbeiter für die Königliche öffentliche Bibliothek in Dresden zu arbeiten. Diese Tätigkeit währte bis zu seinem Tod. Er übernahm zunächst die Katalogisierung, Ordnung und schließlich die Verwaltung der Einzelblatt-Kartensammlung der Bibliothek, die 1901 nach Ausscheiden von Dubletten etwa 30.000 Blätter umfasste. Zum systematischen Katalog der Sammlung legte er ein alphabetisches Namenregister an und begann mit der Erfassung auch bedeutsamer Karten aus Einzelbänden. In mehreren Beiträgen, darunter der 1904 erschienenen grundlegenden Abhandlung mit ausführlichem Auswahlverzeichnis, stellte er der Öffentlichkeit die Landkartenbestände der Bibliothek vor, die er auch einer regen Nutzung zuführte. Seine zweite ihm von der Bibliothek seit 1900 anvertraute Aufgabe war die Sammlung und vorläufige Ordnung des Materials für die „Bibliographie der sächsischen Geschichte“, wofür er ungefähr 62.000 Titel verzeichnete, die nach seinem Tod den Grundstock für das von Rudolf Bemmann und Jacob Jatzwauk herausgegebene Werk bildeten. – Durch seine fachpublizistischen, bibliografischen und bibliothekarischen Arbeiten wirkt H. nach seinem Tod fort. Die Stadt Dresden hat die Verdienste H.s sowie die seines Vaters und seines Bruders Bernhard durch die Benennung einer Hantzschstraße gewürdigt.

Quellen A. Hantzsch, Chronik der Familie Hantzsch, Dresden 1900-1920, Privatbesitz; Stammbaum der Familie Hantzsch, Privatbesitz.

Werke Die überseeischen Unternehmungen der Augsburger Welser, Diss. Leipzig 1895; Deutsche Reisende des sechzehnten Jahrhunderts, Leipzig 1895; Sebastian Münster, Leipzig 1898; Beiträge zur älteren Geschichte der kurfürstlichen Kunstkammer in Dresden, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde 23/1902, S. 220-296; mit L. Schmidt, Kartographische Denkmäler zur Entdeckungsgeschichte von Amerika, Asien, Australien und Afrika aus dem Besitz der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, Leipzig 1903; Zur Geschichte des geistigen Lebens in Dresden vor 300 Jahren, in: Dresdner Geschichtsblätter 13/1904, S. 249-262; Gesamtinhaltsverzeichnis zum Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde (Bd. I-XXV), Dresden 1904; Die Landkartenbestände der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, Leipzig 1904; Die ältesten gedruckten Karten der sächsisch-thüringischen Länder (1550 bis 1593), Leipzig 1905; Ratzel-Bibliographie 1867-1905, in: F. Ratzel, Kleine Schriften, Bd. 2, München/Berlin 1906, S. I-LVIII; Dresdner auf Universitäten vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, Dresden 1906; Weesenstein, in: A. Meiche (Hg.), Die Burgen und vorgeschichtlichen Wohnstätten der Sächsischen Schweiz, Dresden 1907, S. 88-102; Die deutsche Auswanderung, in: H. F. Helmolt (Hg.), Weltgeschichte, Bd. 9, Leipzig/Wien 1907, S. 211-282; Der Anteil der deutschen Jesuiten an der wissenschaftlichen Erforschung Amerikas, in: Studium Lipsiense - Ehrengabe Karl Lamprecht, Berlin 1909, S. 270-285.

Literatur Kürschners deutscher Literatur-Kalender, Leipzig 32/1910, S. 598f.; E. Schöne, Gustav Robert Viktor H., in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 15/1913, S. 70-73, Totenliste, S. 34*; R. Bemmann (Hg.), Bibliographie der sächsischen Geschichte, Bd. 1/1, Leipzig/Berlin 1918, S. III; W. Haupt, Führer durch die Kartensammlung der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, Dresden 1986. – DBA I, II, III; DBE 4, S. 378; NDB 7, S. 642; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Leipzig 41909, S. 522; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 105 (P).

Porträt Viktor H., R. Richter, Hahn Nachf. (E. Müller), 1909, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Walther Haupt jun.
2.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Walther Haupt jun., Artikel: Viktor Hantzsch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1925 [Zugriff 20.12.2024].

Viktor Hantzsch



Quellen A. Hantzsch, Chronik der Familie Hantzsch, Dresden 1900-1920, Privatbesitz; Stammbaum der Familie Hantzsch, Privatbesitz.

Werke Die überseeischen Unternehmungen der Augsburger Welser, Diss. Leipzig 1895; Deutsche Reisende des sechzehnten Jahrhunderts, Leipzig 1895; Sebastian Münster, Leipzig 1898; Beiträge zur älteren Geschichte der kurfürstlichen Kunstkammer in Dresden, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde 23/1902, S. 220-296; mit L. Schmidt, Kartographische Denkmäler zur Entdeckungsgeschichte von Amerika, Asien, Australien und Afrika aus dem Besitz der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, Leipzig 1903; Zur Geschichte des geistigen Lebens in Dresden vor 300 Jahren, in: Dresdner Geschichtsblätter 13/1904, S. 249-262; Gesamtinhaltsverzeichnis zum Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde (Bd. I-XXV), Dresden 1904; Die Landkartenbestände der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, Leipzig 1904; Die ältesten gedruckten Karten der sächsisch-thüringischen Länder (1550 bis 1593), Leipzig 1905; Ratzel-Bibliographie 1867-1905, in: F. Ratzel, Kleine Schriften, Bd. 2, München/Berlin 1906, S. I-LVIII; Dresdner auf Universitäten vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, Dresden 1906; Weesenstein, in: A. Meiche (Hg.), Die Burgen und vorgeschichtlichen Wohnstätten der Sächsischen Schweiz, Dresden 1907, S. 88-102; Die deutsche Auswanderung, in: H. F. Helmolt (Hg.), Weltgeschichte, Bd. 9, Leipzig/Wien 1907, S. 211-282; Der Anteil der deutschen Jesuiten an der wissenschaftlichen Erforschung Amerikas, in: Studium Lipsiense - Ehrengabe Karl Lamprecht, Berlin 1909, S. 270-285.

Literatur Kürschners deutscher Literatur-Kalender, Leipzig 32/1910, S. 598f.; E. Schöne, Gustav Robert Viktor H., in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 15/1913, S. 70-73, Totenliste, S. 34*; R. Bemmann (Hg.), Bibliographie der sächsischen Geschichte, Bd. 1/1, Leipzig/Berlin 1918, S. III; W. Haupt, Führer durch die Kartensammlung der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, Dresden 1986. – DBA I, II, III; DBE 4, S. 378; NDB 7, S. 642; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Leipzig 41909, S. 522; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 105 (P).

Porträt Viktor H., R. Richter, Hahn Nachf. (E. Müller), 1909, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Walther Haupt jun.
2.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Walther Haupt jun., Artikel: Viktor Hantzsch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1925 [Zugriff 20.12.2024].