Erich Haenel

Als Direktor des Historischen Museums und des Grünen Gewölbes in Dresden prägte H., der als Kunsthistoriker auf das Gebiet der historischen Waffenkunde spezialisiert war, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in starkem Maße das Ausstellungswesen in Sachsen. In Anerkennung seines Beitrags zur internationalen Wertschätzung sächsischer Kulturleistungen wurde er 1934 zum Mitglied der Sächsischen Kommission für Geschichte ernannt. – Aus bildungsbürgerlichem Haus stammend legte H. 1893 die Reifeprüfung am Vitzthumschen Gymnasium in Dresden ab. Danach studierte er zunächst an den Universitäten in Freiburg/Breisgau und München Jura. Später wechselte er zum Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie nach Leipzig und Heidelberg. 1898 wurde H. in Leipzig bei August Schmarsow mit einer Arbeit über „Spätgotik und Renaissance. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Architektur vornehmlich im 15. Jahrhundert“ promoviert. Anschließend wirkte er an der Technischen Hochschule Dresden als Assistent von Cornelius Gurlitt an der Inventarisation der sächsischen Bau- und Kunstdenkmäler mit. Eine Weltreise führte ihn ab 1900 in die Südsee sowie nach Amerika und Australien. Im Juni 1903 begann H. seine Museumslaufbahn in Dresden als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am Historischen Museum. Bereits nach drei Jahren wurde er zum Direktorialassistenten befördert und 1907 mit der Leitung des Museums, zu dem Rüstkammer und Gewehrgalerie zählten, beauftragt. Im Februar 1913 wurde er zum Direktor ernannt. In der Nachfolge von Jean Louis Sponsel übernahm er im April 1924 gleichfalls das Direktorat des Grünen Gewölbes. Bereits seit 1908 verwaltete H. zusätzlich die Bibliothek der Akademie für bildende Künste in Dresden, wo er 1913 bis 1927 als Professor lehrte. Er stand dadurch in engem Kontakt zu Künstlern und Akademieprofessoren wie Robert Sterl, Otto Gussmann und Richard Müller. Darüber hinaus engagierte sich H. im Denkmalrat und im Vorstand des Sächsischen Kunstvereins. Nicht zuletzt dadurch kam es zu Kooperationen zwischen dem Kunstverein und den Staatlichen Sammlungen, wie bei der „Goethe-Ausstellung“ 1932. H. publizierte rege, gelegentlich schrieb er für die Tagespresse. Bereits 1907 hatte er die Herausgeberschaft der „Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde“ übernommen. Als langjähriges Mitglied des Vereins für Historische Waffenkunde wurde er 1938 zu dessen Vorsitzendem ernannt. Bei der von H. verantworteten Neuaufstellung des Historischen Museums zwischen 1914 und 1924, für die seine intensive, quellengestützte stilkritische Forschung die Basis bildete, kam neben den Waffen und Rüstungen auch die Sammlung der Kostüme des 16. bis 18. Jahrhunderts zur Geltung. Der Stallhof wurde wiederhergestellt und die Präsentation des Grünen Gewölbes überarbeitet. Stets band H. in diese Prozesse die an den Museen beschäftigten Nachwuchswissenschaftler, wie Erna von Watzdorf und Walter Holzhausen, ein. Das Dresdner Ausstellungsgeschehen in den 1930er-Jahren prägte H. maßgeblich. Er kuratierte u.a. „Kurfürstin Anna von Sachsen“ (1932), „August der Starke und seine Zeit“ (1933), „Heinrich Schütz“ (1935) sowie die „Deutsche Turnierschau“ (1936). Als Waffenspezialist agierte H. in seiner Ausstellungspolitik zwar NS-affin und präsentierte Themen wie „Alte Wehr und altes Heer“ (1939) oder „Gewehr und Pistole“ (1940). In die NSDAP trat er aber nicht ein. Zusätzlich zu seinen Aufgaben im Grünen Gewölbe und Historischen Museum wurde H. 1937/1938 die kommissarische Leitung des Münzkabinetts übertragen. Ab 1938 übernahm er auch noch die Leitung des Mathematisch-Physikalischen Salons. Doch bereits ab etwa 1937 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Mehrfache Klinikaufenthalte führten dazu, dass Holzhausen und Watzdorf zunehmend seine Aufgaben übernahmen und dass im Herbst 1940 seine Versetzung in den Ruhestand geprüft wurde. Noch vor einer Entscheidung starb H. in Dresden.

Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv, 01/PS 53, Bd. 2, fol. 96; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 22884, fol. 59f.; Hochschule für Bildende Künste Dresden, Archiv, 01/191; Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XXI.20.161 Ratsarchiv, Rollen über Bürger und übrige Einwohner …, Kirchliche Wochenzettel … 1875, 6.4.25-12.2.2-3 Standesamt/Urkundestelle, Standesamt I, Personenstandsbuch, Geburtenregister 1877, Nr. 986, 6.4.25-1.2.2-95 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt I, Personenstandsbuch, Geburtenregister 1907, Nr. 1450, 6.4.25-12.4.2-1-12.4.2-3 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt XII, Personenstandsbuch, Sterberegister 1922, Nr. 149, 6.4.25-5.4.1 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt V, Personenstandsbuch, Sterbefallanzeigen 1940, Nr. 2478, 9.1.24 Betriebe und wirtschaftliche Einrichtungen, Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen - Krematorium Tolkewitz + Urnenhain, Einäscherungsregister 1941, Nr. 74901 (ancestry.de); Australischer Heiratsindex 1788-1950 (ancestry.de); South Australia Indexes to Death 1961-1963 (ancestry.de).

Werke Spätgotik und Renaissance. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Architektur vornehmlich im 15. Jahrhundert, Stuttgart 1899; (Hg.), Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde (bis 1920 unter dem Titel: Zeitschrift für historische Waffenkunde) 1907-1932; Der sächsischen Kurfürsten Turnierbücher. In ihren hervorragendsten Darstellungen auf 40 Tafeln, Frankfurt/Main 1910; Alte Waffen, Berlin 1913, 21920 (ND Hamburg 2015); Zur ältesten Geschichte der Dresdner Rüstkammer, in: Zeitschrift für historische Waffenkunde 8/1918/1920, H. 7, S. 181-192; Deutscher Barock in Dresden, Dresden 1922; Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer, Leipzig 1923; Der alte Stallhof in Dresden, Dresden 1937.

Literatur Paul Post, Erich H. zum Gedächtnis († 26.12.40), in: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde NF 7/1941, S. 126-128; Erich H., in: Pantheon. Internationale Jahreszeitschrift für Kunst 14/1941, H. 3, S. 72; Friedrich Schulze, Erich H. †, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 16/1941, H. 1, S. 53; Erna von Watzdorf, Erich H. †, in: NASG 62/1941, S. 82-85; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 323-325 (P). – DBA II, III; DBE II 4, S. 332; NDB 7, S. 441f.

Porträt Erich H., Genia Jonas, um 1930, Fotografie, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inventar-Nr. D 2008-39 (Bildquelle).

Karin Müller-Kelwing
16.3.2022


Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Erich Haenel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1889 [Zugriff 14.5.2024].

Erich Haenel



Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv, 01/PS 53, Bd. 2, fol. 96; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 22884, fol. 59f.; Hochschule für Bildende Künste Dresden, Archiv, 01/191; Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XXI.20.161 Ratsarchiv, Rollen über Bürger und übrige Einwohner …, Kirchliche Wochenzettel … 1875, 6.4.25-12.2.2-3 Standesamt/Urkundestelle, Standesamt I, Personenstandsbuch, Geburtenregister 1877, Nr. 986, 6.4.25-1.2.2-95 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt I, Personenstandsbuch, Geburtenregister 1907, Nr. 1450, 6.4.25-12.4.2-1-12.4.2-3 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt XII, Personenstandsbuch, Sterberegister 1922, Nr. 149, 6.4.25-5.4.1 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt V, Personenstandsbuch, Sterbefallanzeigen 1940, Nr. 2478, 9.1.24 Betriebe und wirtschaftliche Einrichtungen, Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen - Krematorium Tolkewitz + Urnenhain, Einäscherungsregister 1941, Nr. 74901 (ancestry.de); Australischer Heiratsindex 1788-1950 (ancestry.de); South Australia Indexes to Death 1961-1963 (ancestry.de).

Werke Spätgotik und Renaissance. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Architektur vornehmlich im 15. Jahrhundert, Stuttgart 1899; (Hg.), Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde (bis 1920 unter dem Titel: Zeitschrift für historische Waffenkunde) 1907-1932; Der sächsischen Kurfürsten Turnierbücher. In ihren hervorragendsten Darstellungen auf 40 Tafeln, Frankfurt/Main 1910; Alte Waffen, Berlin 1913, 21920 (ND Hamburg 2015); Zur ältesten Geschichte der Dresdner Rüstkammer, in: Zeitschrift für historische Waffenkunde 8/1918/1920, H. 7, S. 181-192; Deutscher Barock in Dresden, Dresden 1922; Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer, Leipzig 1923; Der alte Stallhof in Dresden, Dresden 1937.

Literatur Paul Post, Erich H. zum Gedächtnis († 26.12.40), in: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde NF 7/1941, S. 126-128; Erich H., in: Pantheon. Internationale Jahreszeitschrift für Kunst 14/1941, H. 3, S. 72; Friedrich Schulze, Erich H. †, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 16/1941, H. 1, S. 53; Erna von Watzdorf, Erich H. †, in: NASG 62/1941, S. 82-85; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 323-325 (P). – DBA II, III; DBE II 4, S. 332; NDB 7, S. 441f.

Porträt Erich H., Genia Jonas, um 1930, Fotografie, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inventar-Nr. D 2008-39 (Bildquelle).

Karin Müller-Kelwing
16.3.2022


Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Erich Haenel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1889 [Zugriff 14.5.2024].