Samson Ephraim

Lange vor der Emanzipation sächsischer Juden und der Formierung einer jüdischen Gemeinde in Leipzig wirkte Samson Ephraim als Kantor und Vorsteher der jüdischen Gemeinschaft. Gleichwohl kann seine Aktivität als Beispiel für eine frühe, zumindest rudimentäre Organisation der Juden in Leipzig gegenüber der Mehrheitsgesellschaft gelten. – Über die frühe Lebensphase Ephraims ist nur wenig bekannt. Er stammte aus dem am Rande der Magdeburger Börde gelegenen Ort Gröningen, dessen jüdischer Bevölkerungsanteil stets überschaubar geblieben war, und ließ sich zu einem späteren Zeitpunkt vermutlich im nahen Halberstadt nieder. Später zog er weiter nach Leipzig, wo er sich nachweisbar seit 1800 aufhielt. Hier vereinigte Ephraim mit dem Amt des Kantors und des Vorstehers der jüdischen Kongregation die Rolle sowohl des geistlichen als auch des weltlichen Oberhaupts in seiner Person. Damit oblag ihm die faktische Leitung seiner formal noch nicht organisierten Gemeinschaft in Leipzig, die im September 1818 laut einer damaligen Aufstellung des Polizeiamts 17 Familien mit insgesamt 76 Personen umfasste. Dort zeichnete Ephraim auch für den religiösen Unterricht verantwortlich. Wie eine Quittung vom 31.7.1819 nachweist, war sein Aufenthalt in der Stadt legalisiert, jedoch musste er für seine Konzession hierzu in benanntem Jahr mehr als 35 Taler zahlen. Besonders fiel er durch sein soziales Engagement auf: In einem Schreiben an den Leipziger Stadtrat vom 28.12.1821 kritisierte Ephraim den Umstand, dass die polnischen Juden in der Stadt einen Verein zur Unterstützung Erkrankter gestiftet hätten, der im Notfall aber nur polnische Juden behandle. Zudem war er in der frühen Phase der jüdischen Gemeinschaft Leipzigs möglicherweise auch als Vertrauensperson der traditionellen Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa tätig. Laut dem Verzeichnis von 1818 betrieb Ephraim in der Messe außerdem eine Speisewirtschaft und übte eine zusätzliche Funktion am Kriminalgericht aus. Ferner übernahm er auch die Vereidigung sog. Freimacher oder später Meßmäkler, die während der Leipziger Messen eine Vermittlerrolle beim Abschluss von Geschäften einnahmen. Ephraims Wohnanschrift befand sich im Bereich der Leipziger Ritterstraße, womit sich Ephraim in das Bild fügt, wonach sich die Wohngegend der Juden in Leipzig zu dieser Zeit überwiegend auf das Gebiet nördlich und nordöstlich des Markts im Zentrum konzentrierte. Auf diese Weise waren die Juden in Leipzig in enger Nachbarschaft zueinander angesiedelt. Im gleichen Haus lebte auch der jüdische Schnittwarenhändler und stellvertretende Kantor Adolf Meyer, bei dem es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Ephraims Schwiegersohn handelte. Auf ein enges Vertrauensverhältnis beider Männer deutet der Umstand hin, dass Ephraim nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihn am 16.9.1819 einen Konzessionsschein der Leipziger Ratsstube entgegennahm, der den Aufenthalt in Leipzig gestattete. Kontakt dürfte darüber hinaus auch zu Wolff Seeligmann Ulmann bestanden haben, der nach Ephraims Tod dessen Nachfolge als Kantor und Leiter der jüdischen Gottesdienste in einer provisorischen Betstätte übernahm. Zu einer offiziellen Gemeindegründung in Leipzig kam es allerdings erst im Juni 1847.

Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Geschäftsbücher, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. 562 (1823), 0008 Ratsstube, II. Sektion J 246.

Literatur Gustav Cohn, Der Leipziger jüdische Friedhof im Johannistal, in: Jüdisches Gemeindeblatt Leipzig 3.9.1937, S. 5f.; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Leipzig. Aufstieg, Vernichtung und Neuanfang, Chemnitz/Leipzig 1993; Thomas Schinköth, Jüdische Musiker in Leipzig 1855-1945, Altenburg 1994; Josef Reinhold, Jüdischer Messebesuch und Wiederansiedlung von Juden in Leipzig im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Judaica Lipsiensia. Zur Geschichte der Juden in Leipzig, Leipzig 1994, hrsg. von der Ephraim Carlebach Stiftung, S. 12-27; ders., Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Lucas Böhme
1.8.2023


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Samson Ephraim,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27870 [Zugriff 23.6.2024].

Samson Ephraim



Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Geschäftsbücher, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. 562 (1823), 0008 Ratsstube, II. Sektion J 246.

Literatur Gustav Cohn, Der Leipziger jüdische Friedhof im Johannistal, in: Jüdisches Gemeindeblatt Leipzig 3.9.1937, S. 5f.; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Leipzig. Aufstieg, Vernichtung und Neuanfang, Chemnitz/Leipzig 1993; Thomas Schinköth, Jüdische Musiker in Leipzig 1855-1945, Altenburg 1994; Josef Reinhold, Jüdischer Messebesuch und Wiederansiedlung von Juden in Leipzig im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Judaica Lipsiensia. Zur Geschichte der Juden in Leipzig, Leipzig 1994, hrsg. von der Ephraim Carlebach Stiftung, S. 12-27; ders., Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Lucas Böhme
1.8.2023


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Samson Ephraim,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27870 [Zugriff 23.6.2024].