Jacob Hirsch Goldschmidt

Als Dolmetscher und Kommissionär war Jacob Hirsch Goldschmidt aktiv in das Leipziger Geschäftsleben des 19. Jahrhunderts involviert, kämpfte zugleich jedoch immer wieder mit rechtlichen und ökonomischen Schwierigkeiten. – Vermutlich in jüngeren Lebensjahren war Goldschmidt nach Sachsen gekommen. Dabei konnte er sich besondere Verdienste um den Handel mit Russland erwerben, indem er während des regen Leipziger Messeverkehrs entsprechende Geschäfte vermittelte und als Dolmetscher tätig war. Die Ernennung zum Dolmetscher durch den Leipziger Stadtrat verlieh Goldschmidt eine offizielle Funktion, die ihn vielfältig einsetzbar machte: So war er auch für das Zustandekommen bedeutender Verladungs- und Bankgeschäfte mit persischen Kaufleuten verantwortlich. – Am 29.12.1808 erlangte Goldschmidt für sich selbst, seine erste Ehefrau und den Sohn sowie einen jüdischen Bediensteten den königlichen Kammerpass, der eine weitgehend freie Passage im Königreich Sachsen ermöglichte. Im Februar 1809 folgte die Konzession zur Niederlassung in Leipzig. Trotz der scheinbaren Erfolgsgeschichte war Goldschmidts wirtschaftliche Existenz offenbar alles andere als problemlos, denn er war vor dem Leipziger Stadtgericht aufgrund von Schulden wiederholt angeklagt worden, wie eine städtische Auflistung zu den Lebensumständen der in Leipzig lebenden Juden 1835 bemerkt. 1820 heiratete Goldschmidt zum zweiten Mal. Seine finanziellen Verhältnisse und die seiner wesentlich jüngeren Ehefrau Henriette Goldschmidt galten aus Sicht der Behörden als zerrüttet. Zudem war Goldschmidts Sohn aus erster Ehe frühzeitig verstorben, was beim Vater tiefe Trauer ausgelöst hatte. Der Bund mit seiner zweiten Gattin blieb dagegen kinderlos. Zur Sicherung des gemeinsamen Lebensunterhalts wechselte Goldschmidt in bereits fortgeschrittenem Alter noch einmal sein Metier und eröffnete einen Krawatten- und Modehandel, dessen wirtschaftlicher Erfolg allerdings überschaubar blieb. Aus seiner ursprünglichen Geschäftstätigkeit hatte sich Goldschmidt wohl aus Altersgründen mehr und mehr zurückgezogen, setzte sich jedoch während seines Lebensabends in den 1830er-Jahren vehement für den aus Mitau (let. Jelgava) stammenden Simon Noah Gordon ein: Dieser hatte offenbar die Arbeit als Makler übernommen und stellte für Goldschmidt nach eigener Angabe als Helfer einen Ersatz für den jung verstorbenen Sohn dar. – Im Mai 1832 beschwerten sich Kaufleute offiziell bei der Stadt, weil sie auf der Ostermesse bei ihren Geschäften empfindlich durch Gordon und Goldschmidt gestört worden seien. Goldschmidt, der eine Adoption Gordons plante und ihn unter Verweis auf sein eigenes Lebensalter als unersetzliche Unterstützung bei der Arbeit bezeichnete, setzte sich gegen die Vorwürfe unter Verweis auf seine Verdienste für Sachsen zur Wehr. Dabei wusste er auch bedeutende Unternehmer hinter sich. Trotz deren Fürsprache wurde das Ansinnen, für Gordon eine Niederlassung in Leipzig zu erwirken, zunächst durch das Ministerium des Inneren abgelehnt, womöglich auch unter dem Druck der Leipziger Kramermeister und Handlungsdeputierten. Der zwischenzeitlich mit der Schwägerin Goldschmidts verheiratete Gordon verzog schließlich samt Familie nach Hamburg. Von seiner 1837 doch noch erlangten Konzession zur Niederlassung in Leipzig machte er keinen Gebrauch mehr. Bereits im April 1833 hatte der wohl schon über 70-jährige Goldschmidt fast flehentlich an den Stadtrat appelliert, seinem sprachgewandten Ziehsohn die Ansiedlung zu gestatten: Der des Russischen und Persischen mächtige Gordon sorge dafür, dass er gegen Ende seines Lebens beruhigt in die Zukunft schauen könne, so Goldschmidt. – Goldschmidt verstarb im Alter von mutmaßlich etwa 80 Jahren und wurde auf dem ersten jüdischen Friedhof Leipzigs im Johannisthal beigesetzt. Seine nunmehr verwitwete Gattin hatte bereits im Jahr vor dem Tod ihres Manns erfolgreich die Übernahme des Modegeschäfts in der Leipziger Innenstadt beantragt und gehörte darüber hinaus zu den Gründungsmitgliedern der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig.

Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. Nr. 88 (1841), 0008 Ratsstube, II. Sektion J 290, G 909, 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten Nr. 3343 (1840).

Literatur Arno Kapp, Jüdische Meßmakler und Kleinhändler in Leipzig, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland 6/1936, Nr. 1, S. 40-47; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Lucas Böhme
13.3.2025


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Jacob Hirsch Goldschmidt,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27882 [Zugriff 31.5.2025].

Jacob Hirsch Goldschmidt



Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. Nr. 88 (1841), 0008 Ratsstube, II. Sektion J 290, G 909, 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten Nr. 3343 (1840).

Literatur Arno Kapp, Jüdische Meßmakler und Kleinhändler in Leipzig, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland 6/1936, Nr. 1, S. 40-47; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Lucas Böhme
13.3.2025


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Jacob Hirsch Goldschmidt,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27882 [Zugriff 31.5.2025].