Rudolf Leuckart
L. zählt zu den bedeutendsten Zoologen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und gehört zu den Mitbegründern der modernen Parasitologie. Seine Forschungen galten der Systematik der Wirbellosen, die er mit morphologischen Methoden strukturierte, sowie den parasitären Entwicklungszyklen. – Er studierte ab 1842 Medizin und Naturwissenschaften an der Universität Göttingen, wo er 1845 auf dem Gebiet der Medizin promovierte und Assistent des Zoologen
Rudolf Wagner wurde. Nach einer 1846 gemeinsam mit dem Zoologen
Johann Heinrich Frey durchgeführten Forschungsreise an die Nordsee und nach Helgoland habilitierte er 1847 über die Verwandtschaft der Wirbellosen. Zunächst Privatdozent, wurde er 1850 außerordentlicher Professor für Zoologie in Gießen. 1855 erhielt er dort einen Lehrstuhl, bevor er 1869 als Professor für Zoologie nach Leipzig wechselte, wo er ein neues zoologisches Institut einrichtete. 1861 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Gießen. 1877/78 war L. Rektor der Leipziger Universität. – Das Gebiet der Wirbellosen bearbeitete L. nach morphologischen Kriterien neu. Dabei löste er die bislang gültige Gruppe der strahlenförmigen Hohltiere (Radiaten) auf. Die nun von ihm eingeführten Gruppen der Coelenteraten und der Echinodermaten haben bis heute Gültigkeit. Jedoch blieb seine morphologische Methode nicht unwidersprochen. So wurde sie von dem zunächst in Marburg, Zürich und Wien, ab 1865 dann ebenfalls in Leipzig lehrenden Physiologen Carl Ludwig heftig kritisiert. Im Kontext des biologischen Methodenstreits des 19. Jahrhunderts erhielt die Morphologie allerdings durch die Darwinsche Evolutionstheorie weiteren Auftrieb. Auch L. erkannte den grundlegenden Wert dieser Theorie für die biologische Forschung. – Weitere Arbeiten L.s galten Zeugungs- und Entwicklungsvorgängen. So forschte er zur Entwicklung unbefruchteter Eizellen (Jungfernzeugung, Parthenogenese) sowie zur Entstehung von Arbeiterinnen und Drohnen (Drohnenbrütigkeit) im Bienenvolk. Er untersuchte die Entwicklungszyklen verschiedener Parasiten, z.B. des Rinderbandwurms und der Trichine, sowie die von ihnen hervorgerufenen Krankheiten. Neben den Arbeiten
Rudolf Virchows trugen auch L.s Arbeiten zur Einführung der Fleischbeschau bei, die 1900 in Deutschland gesetzlich geregelt wurde. – Darüber hinaus war L. ein bedeutender Hochschullehrer und gab die „Zoologischen Wandtafeln zum Gebrauch an Universitäten und Schulen“ (1877-1892) heraus. Auch hatte er viele bedeutende Schüler. Zu diesen zählen u.a. der Mediziner und Zoologe
August Weismann, der in Gießen seine Vorlesungen hörte; der russische Zoologe
Ilja Iljitsch Metschnikov, der ab 1864 in Gießen unter L. forschte; der Zoologe
Otto Bütschli, der ab 1869 als L.s Assistent in Leipzig tätig war, und der amerikanische Zoologe
Edmund Beecher Wilson, der in Leipzig unter L. studiert hatte. L. war Mitglied verschiedener Wissenschaftsakademien und wurde 1892 mit dem Maximiliansorden und 1897 mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet. Die Stadt Leipzig verlieh ihm 1895 die Ehrenbürgerwürde.
Werke mit J. H. Frey, Lehrbuch der Anatomie der wirbellosen Thiere, Leipzig 1847; mit dems., Beiträge zur Kenntnis der wirbellosen Thiere, Braunschweig 1847; mit C. G. L. C. Bergmann, Anatomisch-physiologische Übersicht des Thierreichs, Stuttgart 1852 (ND 1855); Zeugung, in: R. Wagner (Hg.), Handwörterbuch der Physiologie, Bd. 4, Braunschweig 1853, S. 707-1000; Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden Krankheiten, 2 Bde., Leipzig/Heidelberg 1863-1876; Berichte über die Leistungen in der Naturgeschichte der niederen Thiere während der Jahre 1870 und 1871, in: Archiv für Naturgeschichte 37 (1871), S. 367-484; mit H. Nitsche (Hg.), Zoologische Wandtafeln zum Gebrauch an Universitäten und Schulen, 1877-1892; http://www.mblwhoilibrary.org/exhibits/leuckart/index.html.
Literatur K. Wunderlich, Rudolf L. Weg und Werk, Jena 1978; I. Jahn (Hg.), Geschichte der Biologie, Jena u.a. 31998, S. 886. – ADB 51, S. 672-675; DBA I, II, III; DBE 6, S. 352; NDB 14, S. 372f.; Forscher und Erfinder, Thun 1992, S. 361 (P); D. Hoffmann/H. Laitko/S. Müller-Wille (Hg.), Lexikon der bedeutenden Naturwissenschaftler, Bd. 3, München 2004, S. 403.
Porträt K. L. Seffner, Marmorbüste, 1895, Universität Leipzig;K. L. Seffner, Marmorbüste, 1895, Universität Leipzig; Fotografie, Courtesy of the Clendening History of Medicine Library, University of Kansas Medical Center (Bildquelle).
Martin Schneider
14.8.2008
Empfohlene Zitierweise:
Martin Schneider, Artikel: Rudolf Leuckart,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2667 [Zugriff 21.11.2024].
Rudolf Leuckart
Werke mit J. H. Frey, Lehrbuch der Anatomie der wirbellosen Thiere, Leipzig 1847; mit dems., Beiträge zur Kenntnis der wirbellosen Thiere, Braunschweig 1847; mit C. G. L. C. Bergmann, Anatomisch-physiologische Übersicht des Thierreichs, Stuttgart 1852 (ND 1855); Zeugung, in: R. Wagner (Hg.), Handwörterbuch der Physiologie, Bd. 4, Braunschweig 1853, S. 707-1000; Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden Krankheiten, 2 Bde., Leipzig/Heidelberg 1863-1876; Berichte über die Leistungen in der Naturgeschichte der niederen Thiere während der Jahre 1870 und 1871, in: Archiv für Naturgeschichte 37 (1871), S. 367-484; mit H. Nitsche (Hg.), Zoologische Wandtafeln zum Gebrauch an Universitäten und Schulen, 1877-1892; http://www.mblwhoilibrary.org/exhibits/leuckart/index.html.
Literatur K. Wunderlich, Rudolf L. Weg und Werk, Jena 1978; I. Jahn (Hg.), Geschichte der Biologie, Jena u.a. 31998, S. 886. – ADB 51, S. 672-675; DBA I, II, III; DBE 6, S. 352; NDB 14, S. 372f.; Forscher und Erfinder, Thun 1992, S. 361 (P); D. Hoffmann/H. Laitko/S. Müller-Wille (Hg.), Lexikon der bedeutenden Naturwissenschaftler, Bd. 3, München 2004, S. 403.
Porträt K. L. Seffner, Marmorbüste, 1895, Universität Leipzig;K. L. Seffner, Marmorbüste, 1895, Universität Leipzig; Fotografie, Courtesy of the Clendening History of Medicine Library, University of Kansas Medical Center (Bildquelle).
Martin Schneider
14.8.2008
Empfohlene Zitierweise:
Martin Schneider, Artikel: Rudolf Leuckart,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2667 [Zugriff 21.11.2024].