Otto Beutler

Die Vorfahren B.s stammten ursprünglich aus Regensburg, von wo sie 1380 nach Nürnberg und von dort aus Anfang des 16. Jahrhunderts nach Sachsen kamen. Viele der männlichen Vorfahren waren evangelische Geistliche. Der Urgroßvater B.s bekleidete das Amt des Rektors der Kreuzschule in Dresden, der Großvater war Superintendent in Netzschkau. – B. besuchte 1866 bis 1873 das Gymnasium in Plauen/Vogtland. Anschließend studierte er an der Universität Leipzig Rechtswissenschaften. Seinen Referendarsdienst leistete er vier Jahre lang bei Rechtsanwälten in Meerane und Leipzig ab, bis er im Januar 1880 als besoldeter Stadtrat nach Meerane zurückkehrte. 1881 wurde sein Engagement mit der Wahl zum dortigen Bürgermeister honoriert. 1885 wechselte er als Bürgermeister nach Freiberg und 1890 nach seiner Berufung zum Oberfinanzrat ins Finanzministerium nach Dresden. Dort wurde B. 1892 zum Geheimen Finanzrat und Vortragenden Rat ernannt und übernahm den Vorsitz in der Prüfungskommission des Finanzministeriums. Im Dezember 1893 erfolgte die Wahl zum Dritten Bürgermeister Dresdens, wenige Tage später zum Zweiten Bürgermeister und damit zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters Alfred Stübel. In dieser Stellung waren ihm das Finanzamt und die Sparkasse unterstellt. Nach dem Tod Stübels im März 1895 wurde B. zu dessen Nachfolger für zunächst sechs Jahre gewählt. Bereits nach zweijähriger Amtszeit erfolgte seine Wahl auf Lebenszeit. Verbunden mit dem Oberbürgermeisteramt war die Mitgliedschaft in der I. Kammer des Sächsischen Landtags. Bereits als Bürgermeister von Freiberg war er dort 1885 bis 1890 vertreten. Nach seiner Wahl in Dresden gehörte B. der I. Kammer 1895 bis 1904 wiederum als erste Magistratsperson und 1905 bis 1915 als Vizepräsident an. – B. maß der Förderung des geistigen, künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens in Dresden großen Wert bei. Er war darauf bedacht, die sächsische Metropole in Verwaltung und Flächenmaß den sich wandelnden Bedürfnissen einer modernen Großstadt anzupassen. Während seiner Amtszeit betrieb B. konsequent die Eingemeindung von 17 Vororten, u.a. um der Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunkts in die Vororte vorzubeugen. Nach den Eingemeindungen war Dresden die viertgrößte Stadt im Deutschen Reich. Im Zusammenhang mit der Stadterweiterung wurde auch die Infrastruktur erneuert (1895 Einweihung der Carolabrücke, 1910 Ersetzung der alten Augustusbrücke, 1913 Einrichtung eines Flugplatzes in Dresden-Kaditz). Das wachsende Verkehrsaufkommen im Blick setzte B. den Ankauf der beiden privaten Straßenbahnen, der Dresdner Straßenbahn AG und der Deutschen Straßenbahngesellschaft, durch. Zuvor hatte er bereits die Vorteile einer elektrischen Straßenbahn gegenüber der Pferdebahn erkannt und trotz des Widerstands einiger Stadtverordneter ein neues Elektrizitätswerk errichten lassen. Neuerungen im städtischen Bauwesen fanden ihren Niederschlag u.a. in der Aufstellung von Gesamtbebauungsplänen (1899 und 1901) und der Einführung einer Bauordnung (1905). Um den privaten Wohnungsbau anzuregen, wurde auf Vorschlag B.s ab Oktober 1900 eine Grundrenten- und Hypothekenanstalt der Stadt Dresden ins Leben gerufen. Besonderes Engagement zeigte B. auch im Bereich des Finanzwesens. 1906 war er zusammen mit anderen sächsischen Bürgermeistern an der Gründung des zweiten Sächsischen Sparkassenverbands beteiligt, der die Grundlage für eine erfolgreiche sächsische Sparkassenorganisation legte. Dazu gehörte ebenso der eigenverantwortliche Ausbau des Kommunalkreditwesens durch die sächsischen Städte und Gemeinden wie der des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Daneben erfuhr die städtische Fürsorge für das Gesundheits- und Sozialwesen durch B.s Wirken großen Aufschwung, was sich im Bau von Markthallen, dem Neubau des Stadtkrankenhauses Johannstadt 1901, der städtischen Badeanstalt Güntzbad 1906, des Säuglingsheims in Striesen 1907, der Anlagen für die Schwemmkanalisation 1910, dem Bau eines neuen Schlacht- und Viehhofs sowie des städtischen Krematoriums 1911 niederschlug. Ebenso erkannte B. den Nutzen der Naherholung, sodass vielerorts Gartenanlagen mit Sport- und Spielplätzen entstanden. B. kaufte das Schanzenareal im Dresdner Süden an, um es in einen öffentlichen Park umzuwandeln, der nach seinem Tod in „Beutlerpark“ umbenannt wurde. Der Ausstellungspalast am Großen Garten, der in seinen ersten Amtsjahren erbaut und 1914 und 1916 erweitert wurde, machte Dresden überregional bekannt, u.a. durch die Internationale Gartenschau (1896, 1907), die Ausstellung des sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes „Alte Stadt“ (1896), mehrere große Kunstausstellungen, die Große Deutsche Städteausstellung (1903) und v.a. die Internationale Hygiene-Ausstellung (1911). Damit einher ging für B. das Interesse am Ausbau des Unterrichts- und Bildungswesens, wie der Neubau von zahlreichen Schulen und die Übernahme von Schulen aus Privathand belegen. Vom Gewerbeverein übernahm die Stadt die Gewerbeschule. Neben Innungs- und Vereinsfachschulen sorgten auch 1909 errichtete Fach- und Fortbildungsschulen für die Weiterbildung auf handwerklichem Gebiet. Eine Neuorganisation erfuhren ebenfalls viele städtische Volksbibliotheken und die Zentralbibliothek. 1913 wurde das neue Schauspielhaus eröffnet. Eines der Hauptanliegen B.s war der Ausbau der Technischen Hochschule zu einer Universität. Für neue Hochschulgebäude und Stipendien gewährte die Stadt finanzielle Zuwendungen. Mit der Erweiterung der städtischen Verwaltungsaufgaben stieg auch die Zahl der Beschäftigten, sodass ein Neubau des Rathauses 1910 dringend erforderlich geworden war. – Als Repräsentant einer kulturell und wirtschaftlich aufstrebenden Stadt war B. in zahlreichen Gremien, Verbänden und Vereinen vertreten. So war er u.a. Ehrenmitglied der Dresdner Liedertafel, Mitglied des Direktoriums des Ersten Sächsischen Kunstvereins, Ehrenförderer der Internationalen Kunstausstellung 1896, Ehrenmitglied der Genossenschaft Flora/Gesellschaft für Botanik und Gartenbau, Ehrenvorsitzender im Verein für öffentliche Gesundheitspflege, Ehrenmitglied des Königlich Sächsischen Militärverbunds, 1911 Ehrenvorsitzender des Ersten Reichsdeutschen Mittelstandstags in Dresden, Ehrenmitglied des Innungsausschusses Dresden, der Königlich Sächsischen Akademie der bildenden Künste sowie Vorstandsmitglied des Sächsischen Sparkassenverbands und des Giroverbands Sächsischer Gemeinden. Darüber hinaus war B. Verwalter und Mitglied mehrerer Stiftungsräte, u.a. der Dr. Güntzschen Stiftung, der Blochmann-Stiftung und der Gehe-Stiftung. Hinzu kam der Vorsitz in zahlreichen Aufsichtsräten, z.B. bei der Deutschen Luftschiffahrtsgesellschaft (Delag) und ab seiner Pensionierung 1915 bei der Dresdner Bank. Außerdem war B. Vorstandsvorsitzender des Landtagsausschusses zur Verwaltung der Staatsschulden und Mitglied des Disziplinarhofs zweiter Instanz am Disziplinargericht. B. gilt auch als geistiger Urheber und war Mitarbeiter der 1905 in Berlin gegründeten Vereinigung des Deutschen Städtetags. Vom vielfältigen gesellschaftspolitischen Engagement B.s zeugen zahlreiche Auszeichnungen, Orden und Verdienstkreuze, u.a. das Großkreuz des Albrechtsordens, das Kriegsverdienstkreuz, der Franz-Josephs-Orden und das Großkreuz Österreichs, der preußische Roter-Adler-Orden, das Eiserne Kreuz zweiter Klasse, die China-Denkmünze aus Stahl und der schwedische Gustav-Wasa-Orden erster Klasse. 1909 erhielt B. die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig (Dr. jur. h.c.) und 1910 der Technischen Hochschule Dresden (Dr. ing. h.c.). – Der Kriegsausbruch 1914 stellte die Stadt Dresden vor neue Herausforderungen. B. setzte sich besonders für die Kriegsfürsorge ein. Wegen gesundheitlicher Probleme reichte er am 30.9.1915 sein Rücktrittsgesuch als Oberbürgermeister ein. Über seine Amtszeit hinaus blieb er Vorsitzender der Kriegsorganisation Dresdner Vereine. Als B. aus dem Amt schied, wurde ihm in Anerkennung seiner Leistungen für die Entwicklung der Stadt Dresden das Ehrenbürgerrecht verliehen. – Zwar fiel seine Amtsperiode in eine Zeit, in der sich auch in anderen Städten eine Aufbruchstimmung deutlich bemerkbar machte und der Ausbau von Verkehrswegen und Bildungseinrichtungen sowie die Zunahme kommunaler Verwaltungsaufgaben überall notwendig geworden war. B. hob sich durch ein hohes Maß an Weitblick, Energie und Durchsetzungsvermögen heraus und konnte dadurch die Stadt nachhaltig prägen.

Werke Die sozialpolitische Gesetzgebung des Deutschen Reiches, insbesondere das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, Leipzig 1884; mit F. Adickes, Die sozialen Aufgaben der Deutschen Städte, o.O. 1903; Vortrag über die Erhaltung der Tierärztlichen Hochschule ein Dresden und die Errichtung einer Universität daselbst, Dresden 1913.

Literatur C. Hermann, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Gustav Otto B., in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 3, Altenburg 1997, S. 95-107 (P); J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 38. – DBA II; H. Degener, Wer ist’s?, Leipzig 1908, S. 104.

Porträt Oberbürgermeister Dr. B., O. Zwintscher, 1910, Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Barbara Hillen
11.5.2005


Empfohlene Zitierweise:
Barbara Hillen, Artikel: Otto Beutler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16667 [Zugriff 19.4.2024].

Otto Beutler



Werke Die sozialpolitische Gesetzgebung des Deutschen Reiches, insbesondere das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, Leipzig 1884; mit F. Adickes, Die sozialen Aufgaben der Deutschen Städte, o.O. 1903; Vortrag über die Erhaltung der Tierärztlichen Hochschule ein Dresden und die Errichtung einer Universität daselbst, Dresden 1913.

Literatur C. Hermann, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Gustav Otto B., in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 3, Altenburg 1997, S. 95-107 (P); J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 38. – DBA II; H. Degener, Wer ist’s?, Leipzig 1908, S. 104.

Porträt Oberbürgermeister Dr. B., O. Zwintscher, 1910, Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Barbara Hillen
11.5.2005


Empfohlene Zitierweise:
Barbara Hillen, Artikel: Otto Beutler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16667 [Zugriff 19.4.2024].