Christiane Eberhardine von Brandenburg- Bayreuth
C. war über 33 Jahre (1694-1727) sächsische Kurfürstin und 30 Jahre polnische Königin. Infolge des konfessionellen Wechsels ihres Ehegatten Friedrich August I. (August II., der Starke) und ihres Sohnes Friedrich August II. (August III.) sowie C.s Kompromisslosigkeit in der Religionsausübung instrumentalisierten die lutherische Geistlichkeit und Geschichtsschreibung die bei ihrem evangelischen Glauben verbliebene Fürstin als frommes, protestantisches Idealbild und Gegenpart zum katholischen Kurfürst-König. Durch ihre selbstbewusste Haltung bezüglich ihrer Konfession und der daraus folgenden Trennung von ihrem Mann führte C. ein für eine fürstliche Gattin bemerkenswert selbstständiges Leben. Ihre Freiheit nutzte sie zum Aufbau eines attraktiven Hofs und einer eigenen Residenz in
Pretzsch an der Elbe. Durch ihren unerschütterlichen religiösen Standpunkt blieb die sonst politisch wenig engagierte Kurfürstin der protestantischen Bevölkerung eine Stütze im Glauben und trug zur Deeskalation im Glaubenskonflikt bei. – C. erhielt eine im ausgehenden 17. Jahrhundert dem Bildungskanon deutscher Prinzessinnen entsprechende Ausbildung. Unterrichtsthemen bildeten u.a. Politik, Rechtswissenschaften, Religion, Französisch, Italienisch, Tanz und Instrumentalmusik (Gitarre). Weitere Erziehung erhielt C. in Dresden am Hof der Witwe des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II., Magdalena Sibylla, einer Tante ihres Vaters. In ihrer Jugend wurde C. als standesbewusste, der Musik, dem Tanz und dem Lesen zugeneigte junge Frau mit vorbildlich christlichem Lebenswandel charakterisiert. Eine vorteilhafte Eheschließung mit dem katholischen Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg lehnte C. 1690 ab, da ein Religionswechsel für sie nicht in Frage kam. Am 10.1.1693 heiratete C. Friedrich August (I.), den jüngeren Bruder des regierenden sächsischen Kurfürsten Johann Georg IV.. Die eheliche Verbindung zwischen den dynastischen Häusern Kursachsen und Brandenburg diente der Bekräftigung der engen Bündnispolitik zwischen Wettinern und Hohenzollern. Unvorhergesehen stieg C. durch den Tod Johann Georgs IV. 1694 von einer Herzogin zur sächsischen Kurfürstin und 1697 durch die Wahl ihres Gatten zum König von Polen zur polnischen Königin auf. Der im dritten Ehejahr geborene Kurprinz Friedrich August (II.) blieb C.s einziges Kind, wohl auch, weil ab 1697 die persönlichen Kontakte des Fürstenpaars abnahmen. C. folgte ihrem Gemahl nach seiner Konversion zum katholischen Glauben und seiner Wahl zum polnischen König nicht nach Polen, da ihr vom Sejm - dem polnischen Parlament - nicht die freie Ausübung ihrer evangelischen Religion bestätigt wurde. Darüber hinaus setzte sie die Separation von ihrem Mann und eine selbstbestimmte Hofhaltung durch, um unabhängig vom Hof ihres Gatten zu sein. Von der polnischen Thronbesteigung Friedrich Augusts I. 1697 bis zu ihrem Tod 1727 führte sie daher eine Art Doppelleben: Einerseits war sie verpflichtet, die repräsentative und zeremonielle Rolle als Landesmutter an der Seite ihres Gemahls im Dresdner Residenzschloss auszufüllen, andererseits erhielt sie die Freiheit, sich eine eigene Residenz in Pretzsch an der Elbe aufzubauen. Sie behielt den Status einer Königin und führte dennoch eine unabhängige Hofhaltung, die sonst nur fürstlichen Witwen zukam. – Als Landesmutter hatte C. zeremoniell-repräsentative, karitative und religiöse Aufgaben zu übernehmen. Sie empfing Visiten, gab Audienzen, lud Fürsten und Diplomaten zum Essen ein. In ihren Dresdner Appartements veranstaltete sie im Winterhalbjahr regelmäßig Assembleen, höfische Gesellschaftsabende, zu denen sich Hofleute, Gäste und Gesandte zu Musik und Tanz, Kartenspiel und Gesprächen einfanden. Durch das Engagement für Notleidende, Arme und Waisenkinder betrieb C. Bildungs- und Sozialpolitik. So unterstützte sie das Leipziger Waisenhaus, das Armenhaus in Waldheim, das Almosenamt in Dresden und vergab Jahrespensionen. Die von einer Landesmutter erwartete Frömmigkeit erfüllte C. durch regelmäßige öffentliche Kommunion, sakrale Bauaufträge wie den Bau von eigenen Logen in der Kreuz- und Sophienkirche in Dresden und die Modernisierung der Stadtkirche in Pretzsch sowie die Herausgabe des Gesangbuchs „Auserlesener Liederschatz“. – C. führte einen vom Haupthof ihres Manns wirtschaftlich unabhängigen Fürstinnenhof, dem in den 1720er-Jahren etwa 180 Personen - Frauen, Kinder und Männer - angehörten. Den Hof finanzierte C. mittels ihrer Deputatgelder sowie durch eigene landwirtschaftliche Güter und Pachteinnahmen. Ihrem Hof verlieh sie durch kostbare Ausstattungen, Musik und Divertissements Attraktivität. Nur die oberste Charge, der Oberhofmeister, der eine Kontrollfunktion über den Hof der Königin innehatte, wurde vom König ernannt, das weitere Personal bestallte C. selbst. Als Kammerherren und -junker wurden Mitglieder der stärksten und einflussreichsten kursächsischen Familien aufgenommen, wie die von Bose, von Bünau, von Einsiedel und von Schönberg. C. protegierte weibliche Nachkommen ihrer väter- und mütterlichen Verwandtschaft. Ab November 1700 lebten nacheinander fünf Prinzessinnen an ihrem Hof. Die Erziehung verwandter Mädchen war Teil ihrer intensiven Pflege eines verwandtschaftlichen Netzwerks, zu der die Fürstenhäuser von Württemberg, Ostfriesland, Oettingen-Oettingen, Braunschweig-Wolfenbüttel und Nassau-Idstein gehörten. Neben einer regen schriftlichen Korrespondenz wurden die Verbindungen auch durch persönliche Besuche gepflegt. Zur Unterhaltung an ihrem Hof engagierte C. Kammermusiker, zum Teil mit temporären Engagements, aber auch festen Bestallungen. Mitte der 1720er-Jahre bezahlte C. etwa 15 Musiker und eine Sängerin. 1723 bis 1725 übernahm der aus Brandenburg-Bayreuth gebürtige und mit italienischer Musik vertraute Georg Heinrich Bümler als Konzertmeister die Leitung der Musikkapelle. Kammertürkinnen, „Mohrinnen“ und Kleinwüchsige gehörten zum unverzichtbaren repräsentativen Personal ihres Hofs. Mit Gottfried Döring bestallte C. einen eigenen Goldschmied, der in ihrem Auftrag nicht nur Pretiosen schuf, sondern auch Goldschmiedewerke zum Kauf an sie vermittelte. Eine besondere Rolle spielte C. bei der Aufnahme von Chinoiserie und Exotismus in Sachsen. Bereits 1698, elf Jahre vor ihrem Mann, bestallte sie mit
Heinrich Tesche einen eigenen Lackmaler, dem 1722 der Lackkünstler
Adam Meister folgte. Mit Georg Meister stand ihr ein Fachmann ostasiatischer Gartenkunst zur Verfügung, der für den Ankauf exotischer Pflanzen für ihre Gärten zuständig war. – Den Winter, die Karnevalszeit und die Fastenzeit verbrachte C. regelmäßig in Dresden. Im Dresdner Residenzschloss wurden ihr qua Amt standesgemäß eingerichtete Appartements zur Verfügung gestellt, die als Bühne der Statusinszenierung im höfischen Zeremoniell dienten. Nach dem Besuch der Leipziger Ostermesse reiste C. meist nach Torgau, ab 1721 nach Pretzsch, um auf diesen Landsitzen bis Oktober oder November ihren Hauptwohnsitz im Sommerhalbjahr zu nehmen. Auslandsreisen führten sie alljährlich in Bäder wie
Ems,
Karlsbad (tschech. Karlovy Vary),
Eger (tschech. Cheb),
Burgbernheim oder
Teplitz (tschech. Teplice). – Da sich Friedrich August I. ab 1697 über lange Zeitabschnitte in Polen aufhielt, verlor Dresden während seiner Abwesenheit den Status als politisches Zentrum, was es C. erleichterte, sich in ihre eigene Residenz in Pretzsch zurückzuziehen. Wenige Tage vor der Geburt des Kurprinzen hatte Friedrich August I. seiner Gemahlin im Oktober 1696 Amt und Schloss Pretzsch übereignet. In Pretzsch stand C. als Herrin einem eigenen, wenn auch kleinen Territorium vor. Pretzsch entwickelte sich von einem temporären, nur Tage oder wenige Wochen währenden Sommeraufenthaltsort zu C.s bevorzugtem Wohnsitz, den sie in ihrem letzten Lebensjahr nicht mehr verließ. Kontinuierlich ließ C. in dem ihr zur Verfügung stehenden Zeitraum von 30 Jahren das Amt Pretzsch zu ihrer Residenz und ihrem „Miniaturstaat“ gestalten, der ein zentrales Schloss, eine Gartenlandschaft mit Sommerhäusern, Stadt- bzw. (Hof-)Kirche, in der Peripherie drei kleinere Lusthäuser unterschiedlichen Charakters, Weinberg, Wälder zur Jagd, Wirtschaftshöfe, Weiden und Fischfangbecken vereinte. Das Interieur des Schlosses wurde 1719 bis 1721 von Matthäus Daniel Pöppelmann in C.s Auftrag nach dem Vorbild der soeben im Dresdner Residenzschloss fertiggestellten Parade- und Festetage modernisiert. Es entstanden fürstliche Appartements verschiedener Kategorien, darunter ein Paradeappartement mit Augsburger Silbermobiliar. Zu der ca. 400 Bilder umfassenden Gemäldesammlung gehörte eine Ahnen- und Porträtgalerie. Der im Auftrag C.s vom sächsischen Oberbauamt unter Federführung von Johann Friedrich Karcher entworfene Garten stellte eine der frühesten deutschen Anlagen im Stil André Le Nôtres dar.
Quellen Staatsarchiv Bamberg, GAB; Pfarramtsarchiv der Stadtkirche Bayreuth, Kirchenbücher; Geheimes Staatsarchiv Berlin, Preußischer Kulturbesitz, BPH Rep. 43 II; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ältere Urkunden, Oberhofmarschallamt, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Geheimes Kabinett, Finanzarchiv, Rentkammer; Sächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Plansammlung; Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv; Statens Arkiver, Rigsarkivet, København; Archiv der Stadtkirche St. Nikolaus in Pretzsch.
Werke (Hg.), Auserlesener Lieder-Schatz Oder: Vollständiges Gesang-Buch, Wittenberg 1713, 31724.
Literatur F. Blanckmeister, C., die letzte evangelische Kurfürstin und die konfessionellen Kämpfe ihrer Tage, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 6/1891, S. 1-84; ders., Kurfürstin C. von Sachsen. Eine evangelische Bekennerin, Barmen 1892; O. Leisegang, Schloß Pretzsch, ein Hort evangelischen Glaubens, Barmen 1897; P. Haake, C. und August der Starke. Eine Ehetragödie, Dresden 1930; K. Mertens, Zur Baugeschichte von Schloß und Park in Pretzsch, in: C. Klecker (Hg.), August der Starke und seine Zeit, Dresden 1995, S. 72-79; M. Pape, Das Herrscherepicedium zwischen Barock und Aufklärung. Die Trauerode von Johann Christoph Gottsched und Johann Sebastian Bach auf den Tod der sächsischen Kurfürstin C. (1727), in: Majestas 12/2004, S. 83-128; H. Watanabe-O’Kelly, Religion and the consort: two Electresses of Saxony and Queens of Poland (1697-1757), in: C. C. Orr (Hg.), Queenship in Europe 1660-1850. The Role of the Consort, Cambridge 2004, S. 252-275; H.-J. Böttcher, C. - Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Gemahlin Augusts des Starken, Dresden 22011 (P); S. Herz, Königin C. - Pracht im Dienst der Staatsraison. Kunst, Raum und Zeremoniell am Hof der Frau Augusts des Starken, Berlin 2020.
Porträt Königin C. von Polen (1671-1727), Detail, Louis de Silvestre, um 1720, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inventar-Nr. Gal.-Nr. 3948, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut (Bildquelle); Porträtmedaillon C., J. Cavalier, 1688, Elfenbeinrelief, Bode-Museum Berlin; Brustbildnis C., J. Kupetzky, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Königin C., A. Möller, 1720, Öl auf Leinwand, Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg; C., Kurfürstin von Sachsen, unbekannter Künstler, undatiertes Ölgemälde, ehemals Schloss Pretzsch/Elbe (Diebstahl 1992), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek.
Silke Herz
28.5.2021
Empfohlene Zitierweise:
Silke Herz, Artikel: Christiane Eberhardine von Brandenburg- Bayreuth,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1009 [Zugriff 1.11.2024].
Christiane Eberhardine von Brandenburg- Bayreuth
Quellen Staatsarchiv Bamberg, GAB; Pfarramtsarchiv der Stadtkirche Bayreuth, Kirchenbücher; Geheimes Staatsarchiv Berlin, Preußischer Kulturbesitz, BPH Rep. 43 II; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ältere Urkunden, Oberhofmarschallamt, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Geheimes Kabinett, Finanzarchiv, Rentkammer; Sächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Plansammlung; Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv; Statens Arkiver, Rigsarkivet, København; Archiv der Stadtkirche St. Nikolaus in Pretzsch.
Werke (Hg.), Auserlesener Lieder-Schatz Oder: Vollständiges Gesang-Buch, Wittenberg 1713, 31724.
Literatur F. Blanckmeister, C., die letzte evangelische Kurfürstin und die konfessionellen Kämpfe ihrer Tage, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 6/1891, S. 1-84; ders., Kurfürstin C. von Sachsen. Eine evangelische Bekennerin, Barmen 1892; O. Leisegang, Schloß Pretzsch, ein Hort evangelischen Glaubens, Barmen 1897; P. Haake, C. und August der Starke. Eine Ehetragödie, Dresden 1930; K. Mertens, Zur Baugeschichte von Schloß und Park in Pretzsch, in: C. Klecker (Hg.), August der Starke und seine Zeit, Dresden 1995, S. 72-79; M. Pape, Das Herrscherepicedium zwischen Barock und Aufklärung. Die Trauerode von Johann Christoph Gottsched und Johann Sebastian Bach auf den Tod der sächsischen Kurfürstin C. (1727), in: Majestas 12/2004, S. 83-128; H. Watanabe-O’Kelly, Religion and the consort: two Electresses of Saxony and Queens of Poland (1697-1757), in: C. C. Orr (Hg.), Queenship in Europe 1660-1850. The Role of the Consort, Cambridge 2004, S. 252-275; H.-J. Böttcher, C. - Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Gemahlin Augusts des Starken, Dresden 22011 (P); S. Herz, Königin C. - Pracht im Dienst der Staatsraison. Kunst, Raum und Zeremoniell am Hof der Frau Augusts des Starken, Berlin 2020.
Porträt Königin C. von Polen (1671-1727), Detail, Louis de Silvestre, um 1720, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inventar-Nr. Gal.-Nr. 3948, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut (Bildquelle); Porträtmedaillon C., J. Cavalier, 1688, Elfenbeinrelief, Bode-Museum Berlin; Brustbildnis C., J. Kupetzky, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Königin C., A. Möller, 1720, Öl auf Leinwand, Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg; C., Kurfürstin von Sachsen, unbekannter Künstler, undatiertes Ölgemälde, ehemals Schloss Pretzsch/Elbe (Diebstahl 1992), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek.
Silke Herz
28.5.2021
Empfohlene Zitierweise:
Silke Herz, Artikel: Christiane Eberhardine von Brandenburg- Bayreuth,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1009 [Zugriff 1.11.2024].