David Friedrich Oehler

David Friedrich Oehler zählt zu den bedeutenden Unternehmerpersönlichkeiten Sachsens im 18. Jahrhundert. Er baute das größte protoindustrielle Verlags- und Manufakturunternehmen für Wolltextilien im Kurfürstentum auf. – Oehler wurde 1725 als Sohn eines Kaufmanns und Schön- bzw. Waidfärbers in Schmölln bei Altenburg geboren. Rund vier Monate später kaufte sein Vater ein Haus am Markt in Crimmitschau. Wahrscheinlich lernte Oehler dort zunächst das Färberhandwerk im väterlichen Unternehmen, das er am 30.12.1747 übernahm. Der Kaufpreis von 1.170 Talern für die Färberei diente zur Tilgung der Schulden des Vaters. Wie Oehler im Alter von 22 Jahren den Kaufpreis aufbrachte, ist unklar. Sein schneller wirtschaftlicher Erfolg führte seit dem 19. Jahrhundert zu Legendenbildungen: Karl I., Herzog von Braunschweig-Lüneburg, soll dem 22-Jährigen beispielsweise ein Färbergeheimnis für 4.000 Taler abgekauft haben. Verlässliche Quellen zu seiner Jugend fehlen indes. – Von herausragender Bedeutung für den weiteren Lebenslauf Oehlers wurde ein Aufenthalt in England. Der Färber hielt sich dort mindestens zwei Jahre auf und kehrte 1753 nach Sachsen zurück. Ziel der Londonreise war der Aufbau eines Handelshauses mit zwei Schwerpunkten: Die Oehlersche Englische Compagnie Handlung führte englische Textilien nach Sachsen ein und verkaufte sie über die Leipziger Messe. Im Gegenzug sollten sächsische Stoffe über London bis in die Karibik exportiert werden. Auch wurden weiße Wollflanelle importiert, die in Crimmitschau mit der von Oehler entwickelten „Berill“-Methode bedruckt wurden. In England lernte Oehler auch den Golgas-Stoff kennen, der zum Grundstock seines Erfolgs wurde. Es handelte sich dabei um mehrfarbig bedrucktes (eigentlich durchgefärbtes) Wollflanell, welches über Jahrzehnte nur von einer einzigen Londoner Manufaktur hergestellt wurde. Die Technologie basiert auf einem indischen Druckverfahren für Seidenstoffe. In Upton bei London leitete Oehler unabhängig davon den Aufbau einer zweiten derartigen Produktionsstätte, für die er Arbeiter aus London abwarb. – Zurück in Crimmitschau begann Oehler eine eigene Golgas-Druckerei aufzubauen. Er war damit nicht der Erste in Sachsen, aber der Erfolgreichste. Im April 1756 meldete Oehler an Premierminister Heinrich Graf von Brühl, dass seine Manufaktur betriebsbereit sei und schickte ihm eine erste Stoffprobe, gedruckt auf sächsischem Gewebe. Offenbar weitgehend ungestört vom Siebenjährigen Krieg, begann Oehler ein Verlagsnetzwerk von Tuchmachern in Westsachsen und im Vogtland aufzubauen, welche die für seine Manufaktur benötigten Flanelle (leichte Streichgarnstoffe) webten. Noch 1766 importierte Oehler ein Drittel der Flanelle aus England, da die einheimischen Weber die erforderlichen Mengen und Qualitäten noch nicht liefern konnten. Bereits 1767 ließ er die Wolle der Merinos verarbeiten, die zwei Jahre zuvor aus Spanien eingeführt worden waren. – Eine Vielzahl von Tuchmachern webte für das weitgespannte Verlagsnetzwerk, das Oehler mittlerweile gemeinsam mit Johann Christian Seyffarth betrieb. Die Städte Crimmitschau und Werdau waren bald ganz auf die Manufaktur ausgerichtet. Auch die Trennung der beiden Geschäftspartner 1770 änderte am Erfolg Oehlers wenig: Noch 1790 webten alle Tuchmacher in Reichenbach/Vogtland allein für ihn. Große Teile seiner Waren verkaufte er nicht über die Leipziger Messe, sondern exportierte sie direkt weltweit. Im Sommer 1785 verschickte er, seinen Angaben zufolge, Textilien im Wert von 100.000 Talern über Cádiz (Spanien) nach Südamerika. Oehlers Verlagsunternehmen produzierte eine Vielzahl verschiedener Wollstoffe, die Golgasse und Berille blieben aber immer ein Hauptprodukt. Seine Flanell-Druckerei war die größte in den deutschen Territorien und die Qualität seiner Farben unerreicht. Die Exportorientierung machte das Unternehmen anfällig für protektionistische Handelspolitik und kriegerische Auseinandersetzungen: So musste Oehler z.B. wegen des Italienfeldzugs Napoleons 1796 über 500 Weber entlassen. Das Unternehmen überstand aber nicht nur einen Brand 1780 und die turbulenten Zeiten nach der Französischen Revolution, sondern auch den Tod es Firmengründers 1797. – Oehler betrieb den Aufbau seines Unternehmens mit verschiedenen Partnern, am bekanntesten ist die Geschäftsbeziehung zu Seyffarth, der durch die Heirat mit Oehlers Schwester Johanna Margaretha auch sein Schwager wurde. Eine wichtige Rolle spielte offenbar ebenso Carl Gotthelf Edler von der Planitz, der ein stiller Teilhaber an verschiedenen Unternehmungen Oehlers gewesen sein soll und gemeinsam mit diesem in England war. 1766 war ein Mitglied der Familie von Planitz Teilhaber einer Seiden-Färberei Oehlers im altenburgischen Gößnitz. – 1763 bis 1765 erwarb Oehler das Rittergut Frankenhausen für 110.000 Thaler und Seyffarth das Rittergut Schiedel sowie die Stadt Crimmitschau. Die beiden Unternehmer dominierten damit die Stadt und ihre Umgebung nicht nur wirtschaftlich, sondern waren auch große Grundbesitzer, Lehns- und Gerichtsherren. Damit glichen sie das Fehlen eines landesherrlichen Privilegs für ihre Manufaktur aus. Nach Seyffahrts Ausscheiden aus dem Unternehmen 1770 befand sich Oehlers Manufaktur unter der Jurisdiktion seines nunmehrigen wirtschaftlichen Konkurrenten. Mögliche Konflikte wurden verhindert, indem die Oehlersche Manufaktur aus dem städtischen Rechtsbereich gelöst und 1783 vom Kurfürsten für schriftsässig erklärt wurde. Die ungewöhnliche Lösung zeigt, welche Bedeutung die Regierung Oehlers Manufaktur für die sächsische Wirtschaft zuschrieb. Als weitere Gunstbezeugungen erhielt Oehler u.a. das Recht selbst die Warenschau zu übernehmen, 1776 wurde ihm darüber hinaus der Titel eines kursächsischen Kammerrats verliehen und Friedrich August III. soll ihm ein Porzellanservice geschenkt haben. – Auf seinem Rittergut Frankenhausen widmete sich Oehler u.a. der Schafzucht und erhielt als einer der Ersten Schafe aus der Zucht mit den aus Spanien importierten Merinos. Dass er gar der Ideengeber des Schafimports gewesen sei, ist aber wohl eine weitere Legende. – Oehlers Verlagsunternehmen vereinte alle Produktionsschritte von der Schafzucht bis zum Verkauf der fertigen Textilien. Die (großteils zugekaufte) Wolle ließ Oehler u.a. in Zucht- und Arbeitshäusern spinnen, das Garn wurde von Zeug- und Tuchmachern in verschiedenen Orten verwebt, nur besonders feine und teure Stoffe wurden in Oehlers Manufaktur hergestellt. Das Färben, Bedrucken und die Appretur der Textilien erfolgten dann in der zentralen Manufaktur in Crimmitschau, bevor sie weltweit verschickt wurden. – Nach Oehlers Tod 1797 führte die Frage der Nachfolge zu Problemen: Nachdem zunächst die Witwe zusammen mit den Söhnen Friedrich Gottlob und Carl Albrecht die Geschäftsführung übernommen hatte, traten 1804 Christiane Ernestine und der ältere Bruder aus der Leitung der Firma aus und Carl Albrecht führte diese zusammen mit dem jüngeren Bruder Georg Ferdinand ab 1805 unter dem Namen „Gebrüder Oehler“ weiter. Die Firma blieb auch danach erfolgreich und innovativ. Ab 1814 wurde in der Crimmitschauer Fabrik Wolle maschinell versponnen. Die Brüder Oehler hatten in Sachsen Vorläufer auf diesem Feld, sie waren aber die Ersten, die damit langfristig erfolgreich waren. Die Oehlersche Manufaktur war damit ein Ausgangspunkt der Entwicklung des Wollgewerbes in Sachsen und die Keimzelle der Crimmitschauer und Werdauer Textilindustrie. – Später verlegte sich das Unternehmen u.a. auf den Garnhandel und stieg in die Herstellung von Vigognegarn ein. 1878 führte Oehlers Urenkel Gustav Oehler das Unternehmen, als es nach 122 Jahren Konkurs anmelden musste. Die seit 1780 genutzten Fabrikgebäude standen noch bis 1928. Beim Abriss kamen sieben hölzerne Golgas-Druckstöcke zum Vorschein, die sich heute im Museum Tuchfabrik Gebrüder Pfau in Crimmitschau befinden.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10025 Geheimes Konsilium, 10078 Landes-Ökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation, 12613 Gerichtsbücher; Museum Tuchfabrik Gebrüder Pfau, Crimmitschau, Archiv; Statistische Nachrichten von der Stadt Reichenbach im kursächsischen Vogtland, in: Allgemeines Archiv für die Länder- und Völkerkunde 1/1790, S. 308f.; Gottlieb Goepfert, Aeltere und neuere Geschichte des Pleißengrundes, Zwickau 1794.

Werke Von der Verbesserung der Schafwolle und der hiernach einzurichtenden Schafzucht auf den Schäfereyen in den Chursächsichen Landen, in: Schriften der Leipziger oekonomischen Societät 1/1771, S. 82-98.

Literatur Die Oehlersche Fabrik in Crimmitzschau, in: Louis Oeser (Hg.), Album der Sächsischen Industrie, Bd. 1, Neusalza 1856, S. 119f.; Karl Alfred Lindner, Zum 200. Geburtstage David Friedrich Oehlers, in: Crimmitschauer Anzeiger und Tageblatt 9.12.1925, Sonder-Beilage; Herbert Pönicke, Das kapitalistische Betriebssystem David Friedrich Oehlers in Crimmitschau bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, in: NASG 51/1930, S. 146-158; Jörg Ludwig, Ein königlich-spanisches Geschenk. Die Beschaffung von Merinoschafen in Spanien 1764/65, in: ders. (Hg.), Wissen - Wolle - Wandel. Merinoschafzucht und Agrarinnovation in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, Halle/Saale 2016, S. 137-154; Michael Schäfer, Eine andere Industrialisierung. Die Transformation der sächsischen Textilexportgewerbe 1790-1890, Stuttgart 2016; Philipp Max Eller, Berill, Golgas und Flanelle. David Friedrich Oehler (1725-1797) und sein Crimmitschauer Verlags- und Manufakturunternehmen für Wolltextilien, in: NASG 95/2024, S. 109-151. – Rudolf Richard Fischer, David Friedrich Oehler, in: Denkmäler verdienstvoller Deutschen des 18ten und 19ten Jahrhunderts, Bd. 4, Leipzig 1829, S. 61-76; DBA I, II; NDB 19, S. 430f.

Porträt David-Friedrich Oehler, Christian Leberecht Vogel (Urheber) / Johann Friedrich Bause (Stecher), 1799, Kupferstich nach einem wohl 1945 verbrannten Portrait, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. 37/28 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0 Universell; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Universell Lizenz].

Philipp Max Eller
5.12.2025


Empfohlene Zitierweise:
Philipp Max Eller, Artikel: David Friedrich Oehler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3049 [Zugriff 5.12.2025].

David Friedrich Oehler



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10025 Geheimes Konsilium, 10078 Landes-Ökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation, 12613 Gerichtsbücher; Museum Tuchfabrik Gebrüder Pfau, Crimmitschau, Archiv; Statistische Nachrichten von der Stadt Reichenbach im kursächsischen Vogtland, in: Allgemeines Archiv für die Länder- und Völkerkunde 1/1790, S. 308f.; Gottlieb Goepfert, Aeltere und neuere Geschichte des Pleißengrundes, Zwickau 1794.

Werke Von der Verbesserung der Schafwolle und der hiernach einzurichtenden Schafzucht auf den Schäfereyen in den Chursächsichen Landen, in: Schriften der Leipziger oekonomischen Societät 1/1771, S. 82-98.

Literatur Die Oehlersche Fabrik in Crimmitzschau, in: Louis Oeser (Hg.), Album der Sächsischen Industrie, Bd. 1, Neusalza 1856, S. 119f.; Karl Alfred Lindner, Zum 200. Geburtstage David Friedrich Oehlers, in: Crimmitschauer Anzeiger und Tageblatt 9.12.1925, Sonder-Beilage; Herbert Pönicke, Das kapitalistische Betriebssystem David Friedrich Oehlers in Crimmitschau bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, in: NASG 51/1930, S. 146-158; Jörg Ludwig, Ein königlich-spanisches Geschenk. Die Beschaffung von Merinoschafen in Spanien 1764/65, in: ders. (Hg.), Wissen - Wolle - Wandel. Merinoschafzucht und Agrarinnovation in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, Halle/Saale 2016, S. 137-154; Michael Schäfer, Eine andere Industrialisierung. Die Transformation der sächsischen Textilexportgewerbe 1790-1890, Stuttgart 2016; Philipp Max Eller, Berill, Golgas und Flanelle. David Friedrich Oehler (1725-1797) und sein Crimmitschauer Verlags- und Manufakturunternehmen für Wolltextilien, in: NASG 95/2024, S. 109-151. – Rudolf Richard Fischer, David Friedrich Oehler, in: Denkmäler verdienstvoller Deutschen des 18ten und 19ten Jahrhunderts, Bd. 4, Leipzig 1829, S. 61-76; DBA I, II; NDB 19, S. 430f.

Porträt David-Friedrich Oehler, Christian Leberecht Vogel (Urheber) / Johann Friedrich Bause (Stecher), 1799, Kupferstich nach einem wohl 1945 verbrannten Portrait, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. 37/28 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0 Universell; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Universell Lizenz].

Philipp Max Eller
5.12.2025


Empfohlene Zitierweise:
Philipp Max Eller, Artikel: David Friedrich Oehler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3049 [Zugriff 5.12.2025].