Kurt Soltau war Artist, Unterhaltungskünstler der magischen Kunst sowie Erfinder und Hersteller von Großillusionen für die Bühnenzauberei. Zahlreiche magische Tricks konstruierte und baute er in seiner Annaberger Werkstatt. Zusätzlich betrieb er das Geschäft „Zauber-Soltau“, einen der wenigen Läden zum Verkauf und Vertrieb von Zauberapparaten und Artistenbedarf. Soltaus Einfluss auf die Welt der Magie war bedeutend. Als Artist und Unterhaltungskünstler trat Soltau zunächst einige Jahre mit großem Erfolg auf den Varieté-Bühnen in Deutschland und Europa auf. Später arbeitete er vorwiegend als Erfinder und Hersteller von Artikeln der Täuschungskunst. Neben den Zirkussen aus Europa bezogen besonders internationale Berufs- und Laienmagier ihre Kunststücke bei Zauber-Soltau. Über viele Jahre hinweg entwickelte Soltau illusionistische Darbietungen für internationale Fernsehproduktionen. Als Fachmann für Magie wurde Soltau von zahlreichen Theatern als Berater für Bühnenshows konsultiert. – Soltau wurde am 8.10.1923 als erstes Kind seiner Eltern im erzgebirgischen Annaberg (seit 1949 Annaberg-Buchholz) geboren. Schon im Kindesalter war Soltau von kleinen mechanischen Dingen fasziniert. Dem Interesse am Bau und Betrieb von komplizierten mechanischen Werken konnte er besonders in der heimischen Uhrmacherwerkstatt seines Vaters nachgehen. Nach absolvierter Schulzeit in Annaberg wollte er keine Uhrmacherlehre in der väterlichen Werkstatt beginnen, sondern erlernte lieber den Beruf eines Tischlers. Zeitgleich entdeckte er in dieser Vorkriegszeit schon sein artistisches Talent. Soltau war sportlich sehr begabt und wurde mit Beginn des Zweiten Weltkriegs als Soldat der Luftwaffe eingezogen. Er diente später an der Front in Belgien, Norwegen und Frankreich. In Frankreich geriet er in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1945 in seine Heimatstadt Annaberg zurückkehrte. Dort begann er sofort seinen Traum von einer eigenen Tischlerwerkstatt zu verwirklichen. Zunächst absolvierte Soltau jedoch eine Ausbildung zum Tischlermeister. Nach der erfolgreichen Meisterprüfung eröffnete er am 1.8.1948 in Annaberg seine eigene Bau- und Möbeltischlerei in der Frohnauer Gasse 6. Die Geschäfte - besonders der Möbelbau - liefen gut. In den ersten Jahren nach dem Krieg und in der jungen DDR waren jedoch nicht immer alle benötigten Materialien zur Möbelherstellung ausreichend verfügbar, sodass Soltau oft improvisieren musste. 1949 gab der Annaberger Berufsmagier Jonny Jonra (Josef Hött) bei Soltau einige Zaubergeräte in Auftrag, wodurch er Kontakt zur Bühnenmagie bekam. Soltau fand Gefallen an der Kunst der Täuschung und setzte recht schnell mit Erfolg eigene Ideen um. Die Tüftelei und die Herausforderung, raffinierte Tricktechniken zu entwickeln, wurden Soltaus Steckenpferd. Nebenher war er noch immer selbst künstlerisch tätig. Als Zauberer trat er in dieser Zeit schon auf regionalen Veranstaltungen unter dem Künstlernamen „KUSO“ auf. Am 1.12.1953 eröffnete er sein erstes Zaubergeschäft mit dem Namen „Zauber-Soltau“ noch in den Räumen seiner Tischlerwerkstatt in der Frohnauer Gasse. Zu dieser Zeit gab es in der DDR lediglich vier Geschäfte dieser Art. Etwas später wurde er Mitglied der „3 Wobas“, einer Varieté-Nummer aus Kraftakrobatik, Schnellzeichnen und Zauberei, die unter Vertrag und Vermittlung der Konzert- und Gastspieldirektion Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) stand. Soltau interessiert sich immer mehr für die Zauberkunst und begann 1953 auch eine Sammlung von Dokumenten und originalen Requisiten berühmter Zauberer der ganzen Welt anzulegen. Diese nicht alltägliche Sammlung baute er Zeit seines Lebens immer weiter aus. Im Sommer 1958 zog das Zaubergeschäft sowie die Werkstatt in die Große Kirchgasse 10 in Annaberg-Buchholz um. Soltaus Frau Ilse übernahm dort zunächst den Versand und alle anfallenden Büroarbeiten. 1960 erhielt Soltau den Ehrenteller des Magischen Zirkels von Deutschland als Anerkennung seiner Verdienste für die Zauberkunst verliehen. 1963 folgte eine Ehrenurkunde des Magischen Zirkels der DDR. Das inzwischen immer mehr florierende Auftragsgeschäft mit Bühnentricks und Zauberartikeln ließ Soltau allerdings nur noch wenig Zeit für eigene Auftritte. Trotzdem stand er noch bis 1970 bei Veranstaltungen als Berufsmagier auf den Bühnen des Lands. Besonders bekannt und beliebt waren seine Auftritte als „Zauberer in der Badehose“, um dem Publikum die Illusion zu nehmen, dass immer nur alles im „Ärmel“ verschwindet oder von dort hervorgezaubert wird. – Das Zaubergeschäft und die Werkstatt in Annaberg-Buchholz entwickelten sich immer mehr zu Soltaus eigentlichem Betätigungsfeld. Auf dem Zauber-Kongress von Karlsbad (tschech. Karlovy Vary) erhielt er 1967 eine Sonderehrung. Bis 1980 stieg Soltaus internationaler Kundenstamm bereits auf über 3.000 Auftraggeber an. Obwohl es oft Probleme bei der Materialbeschaffung gab, hatte er meistens 500 verschiedene Artikel im Sortiment. Große Bühnenillusionen und Tricks baute Soltau in seiner Werkstatt u.a. für KIO jr. ( Emil Teodorovich Girshfeld-Renard, Russland), Polens Starmagier Władysław Kiereś vom Polnischen Staatszirkus oder Kalanag (Helmut Ewald Schreiber, Bundesrepublik Deutschland), die dann die Shows der Künstler bereicherten. Doch auch Fachfirmen für Magische Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz bezogen regelmäßig Geräte und Zauberartikel. Ein gern gekauftes Produkt waren die speziell zusammengestellten Zauberkästen für Kinder, die es in drei verschiedenen Größen gab. Die Kinder-Zauberkästen wurden ein Erfolg. Sie wurden in das Verkaufssortiment einiger Versandhäuser aufgenommen und in der Bundesrepublik Deutschland verkauft. Neben den Fachleuten für Magie zählten auch zahlreiche Prominente aus Funk und Fernsehen zur Kundschaft, wie zum Beispiel Heinz Quermann, Eberhard Cohrs, Heinz Fülfe, Gisela May, Kammersänger Reiner Süß und das gesamte Sandmann-Kollektiv des DDR-Fernsehens. Besonders das Fernsehen der DDR, die DEFA und einige Theater nahmen sehr oft die Fähigkeiten und Erfahrungen Soltaus für ihre Produktionen in Anspruch. Z.B. erfand und baute Soltau 1987 die Großillusion zur beliebten Fernsehunterhaltungssendung „Nacht der Prominenten“, mit denen man Menschen verschwinden und an anderer Stelle wieder erscheinen lassen konnte. Für die Zirkusse der DDR und für weitere Staatszirkusse aus dem Ausland war Soltau ebenfalls tätig. Er erfand und stellte unzählige Tricks sowie Spezialeffekte für viele Manegen der Welt her. Durch die ungewöhnliche Tätigkeit seiner Frau Ilse - sie war Türmerin der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz - wechselte das Ehepaar Soltau schon 1967 seinen Wohnsitz und zog in die Türmerwohnung im Kirchturm der St. Annenkirche. Lange Zeit waren sie das einzige Türmer-Ehepaar Europas und standen regelmäßig im Mittelpunkt der Medien. Legendär war ebenfalls die zahme Dohle „Jack“, welche seit 1978 bei den Soltaus lebte und die Soltau fast immer zum Zaubergeschäft begleitete. Die Dohle wurde praktisch sein Markenzeichen, weil sie im Laden gern auf seiner Schulter saß. – Soltau schaffte es auch in schwierigen Zeiten, seinen privat geführten Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und nie verstaatlicht zu werden. Mit dem 65. Geburtstag trat Soltau 1988 seinen Ruhestand an und schloss das Geschäft für Zaubereibedarf. Zu dieser Zeit war das Ehepaar bereits zur Touristenattraktion der Stadt Annaberg-Buchholz geworden, dem man bei einer Turmbesteigung begegnen konnte. Noch immer zauberte Soltau in seiner Freizeit gern, und auch der bereits ab 1953 aufgebauten Sammlung von historischen Dokumenten und Erinnerungsstücken der Zauberkunst widmete er sich ausgiebig. Dafür wurden auch einzigartige Originalkunststücke aus den Nachlässen von Magiern angekauft oder übernommen und katalogisiert. In den Morgenstunden des 31.1.1995 starb Soltau in der Türmerwohnung. – Aus Anlass des 100. Geburtstags Soltaus wurde am 7.10.2023 eine Ehrentafel am Haus Große Kirchgasse 10 in Annaberg-Buchholz - in dem einst Zaubergeschäft und Werkstatt zu finden waren - enthüllt.

Quellen Interview mit Jens-Uwe Günzel, Historisches Archiv & Museum über Zauberkunst, Annaberg-Buchholz, 14.4.2023.

Literatur Die Magier von Magdeburg, in: Der Morgen 3.12.1963, S. 7; „Hokuspokus verschwindibus“, in: Freie Presse 22.2.1964, S. 4; Aus Wasser Wein „Gezaubert“, in: Gebirgs-Echo 1.4.1964, S. 8; Simsalabim bei Zauber-Soltau, in: Neue Zeit 15.2.1970, S. 8; „Simsalabim“ bei Tischlermeister Soltau, in: Tribüne 28.8.1970, S. 10; Die höchsten Leute von Annaberg - Zu Gast beim Türmerehepaar Soltau, in: Neue Zeit 31.12.1974, S. 4; Zauberer im Turm, in: Neues Leben 1977, H. 8, S. 56; Ronny Rüdiger, Kurt Soltau wird 65, in: Zauberkunst 34/1988, Nr. 4, S. 88; Gerd Leonhardt, So war es in der DDR und nicht anders, Leipzig 2013, S. 58; Ditmar-Eckehard Mickeleit, Legenden landab und landauf. Wander- und Reisegeschichten (Teil 1), Leipzig 2013, S. 102; Reiner Lohse, 1/8 Licht: Aus dem Leben - und daneben, Nordstedt 2015, S. 71; Jens-Uwe Günzel, 100 Jahre Kurt Soltau - Zauber-Soltau - Zauberkunst aus Annaberg-Buchholz, in: Broschüre mit Biografie von Kurt Soltau zum Jubiläums-Zauberkasten, 2023, S. 1-4, 21.

Porträt Kurt Soltau mit Dohle Jack, um 1988, Fotografie, Zauber-Soltau Archiv, Jens-Uwe Günzel.

Reiner Graff
29.8.2024


Empfohlene Zitierweise:
Reiner Graff, Artikel: ,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29405 [Zugriff 20.12.2024].



Quellen Interview mit Jens-Uwe Günzel, Historisches Archiv & Museum über Zauberkunst, Annaberg-Buchholz, 14.4.2023.

Literatur Die Magier von Magdeburg, in: Der Morgen 3.12.1963, S. 7; „Hokuspokus verschwindibus“, in: Freie Presse 22.2.1964, S. 4; Aus Wasser Wein „Gezaubert“, in: Gebirgs-Echo 1.4.1964, S. 8; Simsalabim bei Zauber-Soltau, in: Neue Zeit 15.2.1970, S. 8; „Simsalabim“ bei Tischlermeister Soltau, in: Tribüne 28.8.1970, S. 10; Die höchsten Leute von Annaberg - Zu Gast beim Türmerehepaar Soltau, in: Neue Zeit 31.12.1974, S. 4; Zauberer im Turm, in: Neues Leben 1977, H. 8, S. 56; Ronny Rüdiger, Kurt Soltau wird 65, in: Zauberkunst 34/1988, Nr. 4, S. 88; Gerd Leonhardt, So war es in der DDR und nicht anders, Leipzig 2013, S. 58; Ditmar-Eckehard Mickeleit, Legenden landab und landauf. Wander- und Reisegeschichten (Teil 1), Leipzig 2013, S. 102; Reiner Lohse, 1/8 Licht: Aus dem Leben - und daneben, Nordstedt 2015, S. 71; Jens-Uwe Günzel, 100 Jahre Kurt Soltau - Zauber-Soltau - Zauberkunst aus Annaberg-Buchholz, in: Broschüre mit Biografie von Kurt Soltau zum Jubiläums-Zauberkasten, 2023, S. 1-4, 21.

Porträt Kurt Soltau mit Dohle Jack, um 1988, Fotografie, Zauber-Soltau Archiv, Jens-Uwe Günzel.

Reiner Graff
29.8.2024


Empfohlene Zitierweise:
Reiner Graff, Artikel: ,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29405 [Zugriff 20.12.2024].