Friedrich der Niederlande
F., dessen Beziehung zu Sachsen sich über die Standesherrschaft Muskau in der Oberlausitz herstellt, wurde im königlichen Schloss zu Berlin geboren und verlebte seine Kindheit und Jugend im Berliner Exil, denn die niederländische Dynastie hatte ihr Land angesichts der französischen Besetzung und der Gründung der Batavischen Republik (1794/95) verlassen. F. besuchte die Berliner Kadettenanstalt und nahm 1813 als preußischer Offizier an den Befreiungskriegen und besonders an der Befreiung der Niederlande teil. 1814 bereits niederländischer Generalleutnant der Infanterie und Großmeister der Artillerie, wurde er 1815 Mitglied des niederländischen Staatsrates (Verzicht 1862), 1819 erhielt er den Rang eines Admirals und 1840 den eines Feldmarschalls der Niederlande. Der auch in den Niederlanden reich begüterte Prinz erwarb 1846 die Standesherrschaft Muskau, die Fürst Hermann von Pückler-Muskau ein Jahr zuvor den Grafen
August von Nostitz und
Edmund von Hatzfeld-Weißweiler verkauft hatte. Die Standesherrschaft bestand aus der Stadt Muskau, dem Marktflecken Zibelle, 43 Dörfern und Ortsanteilen sowie zahlreichen Vorwerken. Seit 1847 sorgte Friedrich in der Herrschaft für eine verbesserte Schulbildung und Krankenpflege und zeigte auch sonst hohes soziales Verantwortungsbewusstsein, indem er z.B. das Krankenhaus „Wilhelm-August-Stiftung“ gründete. 1852 begann er mit der Reorganisation der Muskauer Administration. Er führte eine zentralisierte Verwaltung mit einem „Conferenz-Ministerium“ an der Spitze ein, das er auf strenge Etatdisziplin festlegte. Zu seinen agrarischen Neuerungen gehörte die Regulierung der Bauerndienste und die Ablösung der sonstigen Frondienste. Außerdem löste er bis 1873 neun der 20 im Jahr 1846 bestehenden Vorwerke auf. Der Prinz hielt sich meist im Herbst zur Jagdsaison in Muskau auf und kümmerte sich intensiv um den Tierbestand. 1858 wurde der Tiergarten auf über 300 ha erweitert. In den 1850er- und 1860er-Jahren ließ F. das Muskauer Schloss umbauen und erneuerte das Theater, das Amthaus und das Jagdschloss. V.a. erwarb er sich Verdienste um die Weiterentwicklung der Parkanlagen im Sinne Pücklers. Er behielt Eduard Petzold, der schon unter dem Fürsten mit der Gartengestaltung betraut gewesen war, als Gartendirektor. Dieser konnte im Sinne seines fürstlichen Lehrers weiterarbeiten, versuchte aber auch, F.s Ideen in das Gesamtkonzept zu integrieren. Der Prinz erweiterte die Parkanlagen von 257 ha (1840) auf 595 ha (1861), und aus seinem Interesse an exotischen Bäumen entstand die Idee, einen Teil des Parks als Arboretum zu gestalten. Nach dem Raubbau, den Fürst Pückler in seinen Wäldern betrieben hatte, verfolgte F. eine Strategie der Waldschonung, die auch der Wildhaltung zugute kam. Seine Initiativen erstreckten sich aber auch auf ganz andere Bereiche: 1854 ließ er für die Glasproduktion eine neue Hütte im Muskauer Dorf Weißwasser errichten, das sich nach 1870 zum bedeutendsten Zentrum der deutschen Glasindustrie entwickelte. Auf der Weltausstellung von 1862 in London wurden Glasprodukte von F.s Glashüttenpächter mit Medaillen ausgezeichnet. Dagegen gab er Muskau 1864 als Standort der chemisch-pharmazeutischen Grundstoffindustrie mit einem Alaunwerk und der Vitriol- und Pottaschesiederei auf. Auch mit der Muskauer Eisenindustrie auf der Basis eigener Rohstoffe ging es bergab. Hatte es im 18. Jahrhundert in Keula noch zwei Hochöfen gegeben, verlor dieser Produktionszweig zur Mitte des 19. Jahrhunderts seine Rentabilität. Die Eisenherstellung verkaufte F. daher an einen Berliner Unternehmer, der hier fortan Gussröhren produzierte. – Intensiv kümmerte sich F. um bessere Straßenverbindungen in seiner Herrschaft und nahm – allerdings mit weniger Erfolg – auch Einfluss auf die Streckenplanungen der Berlin-Görlitzer Eisenbahngesellschaft. Der Eisenbahnanschluss Muskaus erwies sich als nicht sehr wirkungsvoll. Die später enorme Braunkohleförderung spielte zu dieser Zeit noch eine sehr geringe Rolle. – Nach 1870 geriet die Standesherrschaft zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da sowohl die Getreide- als auch die Holzpreise sanken. Als Folge wurden die Parkanlagen vernachlässigt. Die Entwicklung Muskaus als Kurort hat F. offenbar nicht beeinflusst. Als F. 1873 von
Wilhelm I. zum Generalfeldmarschall befördert wurde, gab er Muskau an seine Tochter
Marie, Fürstin zu Wied, und seine Enkeltochter
Louise, Kronprinzessin von Dänemark, weiter. Da diese sich scheuten oder nicht in Lage waren, die erforderlichen enormen Summen für eine Neustrukturierung zu investieren, suchten sie einen kapitalkräftigen Käufer. Diesen fanden sie 1883 in dem Grafen Traugott Hermann von Arnim.
Literatur F. de Bas, Prins Frederik der Nederlanden en zijn tijd, 4 Teile in 6 Bdn., Schiedam 1887- 1913, besonders Teil 4/II; C. Postma, Prins Frederik der Nederlanden 1797-1881, S’Gravenzande 1961; H. v. Arnim/W. A. Boelcke, Muskau. Standesherrschaft zwischen Spree und Neiße, Frankfurt/Main/Berlin/Wien 1978, S. 219-235. – DBA I, II; NDB 20, S. 276; Lebensbilder. Persönlichkeiten des Oberlausitzer Lebens, Teil 1, Görlitz 1995, S. 38f.; Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek I, Leiden 1911, kol. 896-898.
Porträt Lithografie von Brand, Porträtsammlung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel A 14805; Kupferstich/Lithografie von Rosmäster 1833, Staatsbibliothek Berlin, Allgemeine Porträtsammlung; Lithografie, Staatliche Graphische Sammlung München, Digitaler Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (Bildquelle).
Heinrich Kaak
22.12.2004
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Kaak, Artikel: Friedrich der Niederlande,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10323 [Zugriff 21.11.2024].
Friedrich der Niederlande
Literatur F. de Bas, Prins Frederik der Nederlanden en zijn tijd, 4 Teile in 6 Bdn., Schiedam 1887- 1913, besonders Teil 4/II; C. Postma, Prins Frederik der Nederlanden 1797-1881, S’Gravenzande 1961; H. v. Arnim/W. A. Boelcke, Muskau. Standesherrschaft zwischen Spree und Neiße, Frankfurt/Main/Berlin/Wien 1978, S. 219-235. – DBA I, II; NDB 20, S. 276; Lebensbilder. Persönlichkeiten des Oberlausitzer Lebens, Teil 1, Görlitz 1995, S. 38f.; Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek I, Leiden 1911, kol. 896-898.
Porträt Lithografie von Brand, Porträtsammlung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel A 14805; Kupferstich/Lithografie von Rosmäster 1833, Staatsbibliothek Berlin, Allgemeine Porträtsammlung; Lithografie, Staatliche Graphische Sammlung München, Digitaler Portraitindex der druckgraphischen Bildnisse der Frühen Neuzeit (Bildquelle).
Heinrich Kaak
22.12.2004
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Kaak, Artikel: Friedrich der Niederlande,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10323 [Zugriff 21.11.2024].