Arthur Chitz
C. stammte aus einer jüdischen, deutschsprachigen Familie. Er war noch keine zehn Jahre alt, als er seine Eltern verlor. C. kam in eine Prager katholische Klosterschule mit verstärktem Musikunterricht. Schon als Gymnasiast wurde er Kompositionsschüler von
Vítězoslav Novák und
František Špilka und lernte außerdem Klavier und Geige. Seine Studien in der Musiktheorie ergänzte er in Frankfurt/Main bei
Iwan Knorr. An der Deutschen Universität in Prag, vorübergehend auch in Leipzig und Wien, studierte er naturwissenschaftliche Fächer, Philosophie und Musikgeschichte. In Prag wurde er 1905 mit der heute nicht mehr aufzufindenden Arbeit „Die Hofkapelle Kaiser
Rudolfs II.“ promoviert. C.s besonderes musikwissenschaftliches Interesse galt v.a.
Ludwig van Beethovens erster Schaffensperiode. Ihm wird auch die Entdeckung von dessen Handschrift für „Thema mit Variationen für Mandoline und Cembalo“ zugeschrieben. Die erste öffentliche Aufführung dieses Werks erfolgte durch C. und den Mandolinisten
Philipp Wunderlich 1915 in Aussig (tschech. Ústí nad Labem). – Nach seiner Promotion war C. in Prag geblieben, wo auch seine Kompositionen zum ersten Mal zur Aufführung kamen. Er wirkte als Aspirant und Geiger am Deutschen Theater und war ebenfalls als Referent der deutschen Prager Tageszeitung „Bohemia“ tätig. Dort lernte er seine spätere, künstlerisch begabte Frau,
Gertrud Helene Stern, kennen. Seit 1908 lebte C. mit seiner Familie in Dresden, wo er die Technische Hochschule besuchte und 1911 den Grad eines Diplomingenieurs im Fach Chemie erwarb. Danach begleitete er ein Jahr lang
Sigrid Arnoldson auf ihren europäischen Konzerttourneen. 1914/15 war C. Dozent für Theorie und Musikgeschichte an der Musikschule von
Ernst von Schuh und
Giacomo Minkowski und 1915 bis 1918 Korrepetitor an der Hofoper in Dresden. C. war bis 1933 einer der aktivsten Pianisten und Cembalisten in Dresden und begleitete zahlreiche Instrumentalisten und Sänger u.a. nach Berlin, Prag und Breslau (poln. Wrocław). Als Cembalist arbeitete er mit den Kreuzkantoren Otto Richter und Rudolf Mauersberger zusammen. 1918 bis 1933 wirkte C. als Kapellmeister, Musikdirektor und später als Mitglied des Künstlerischen Beirats am Dresdner Schauspielhaus. In diesen Jahren erfuhren seine Bühnenmusiken dort unzählige Uraufführungen und Neuinszenierungen. Aufgrund der Einführung des „Arier-Paragraphen“ mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums“ wurde C. 1933 aus dem Theaterdienst entlassen. Obwohl er der evangelischen Religion angehörte, konnte er die arische Herkunft für sich und seine Familie im Sinne der geltenden nationalsozialistischen Gesetze nicht nachweisen, da er erst zum Christentum konvertiert war. Seine Kinder
Hildegard und
Hermann-Ernst brachte er im Ausland in Sicherheit. Er und seine Frau waren allen Demütigungen, Verletzungen und Schikanen wie ihre Leidensgenossen ausgesetzt. 1938 wurde C. vorübergehend in Buchenwald interniert und musste 1940 zusammen mit seiner Frau das Dresdner „Altersjudenhaus” am Lothringer Weg 2 beziehen. In der Nacht vom 20. zum 21.1.1942 wurden sie vom Bahnhof Dresden-Neustadt zum Rangierbahnhof in Skirotava bei Riga deportiert. Beide überlebten die Deportation nicht. C. starb vermutlich 1944 in einem Konzentrationslager bei Riga. Die Todesumstände und das genaue Todesdatum sind nicht bekannt.
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv; Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Arthur C., Kompositionen, Fragmente (Autografe); Sudetendeutsches Musikinstitut Regensburg, Konvolut Arthur C.; Stadtarchiv Dresden, Zeitungschronik; Archiv des Staatsschauspiels Dresden, Sammlung Arthur C.; Privatarchiv A. Schindler, Programmhefte des Sächsischen Staatstheaters, Opernhaus und Schauspielhaus 1925-1934 (lückenhaft), Briefe von Arthur C. an Fritz Schedlich 1932 bis 1942, Auskunft H. Böhm Mai 1998 (auf Tonträger), Korrespondenz zwischen M. R. Sheets, H. E. Sheets und A. Schindler 2001-2003.
Werke Kompositionen: Bühnenmusik für folgende Theaterstücke: P. Claudel, Der erniedrigte Vater; O. Blumenthal/G. Kadelburg, Im weißen Rössel; H. v. Boetticher, Der Kronprinz; H. Burte, Prometheus; O. Erler, Marfa; H. Eulenberg, Der natürliche Vater; L. Feuchtwanger, Vasantasena; K. Hamsun, Spiel des Lebens; G. Hauptmann, Das Opfer; ders., Vor Sonnenuntergang; F. Hebbel, Die Nibelungen; H. Heine, Frau Mette; H. Johst, Der König; G. Kiesau, Die Jungfrau von Orleans; ders., Die Jungfern vom Bischofsberg; ders., Amphitryon; ders., Neidhardt von Gneisenau; H. v. Kleist, Prinz Friedrich von Homburg; G. E. Lessing, Philotas und Der junge Gelehrte; G. Menzel, Toboggan; M. Mohr, Platingruben in Tulpin; J. N. Nestroy, Der böse Geist Lumpacivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt; E. Ponto, Trilltrall und seine Brüder, 1926; L. N. Tolstoi, Macht der Finsternis; F. v. Schiller, Wilhelm Tell; ders., Die Braut von Messina; ders., Wallenstein; ders., Die Verschwörung des Fiesko zu Genua; W. Shakespeare, Julius Cäsar; ders., Macbeth; ders., Kaufmann von Venedig; ders., Maß für Maß; ders., Troilus und Cressida; ders., Die Lustigen Weiber von Windsor; ders., König Lear; ders., Ein Wintermärchen; ders., König Richard der Dritte; ders., König Heinrich der Vierte; H. Scholtz, Das Kasperltheater; ders., Der Puppenschuster; ders., Der Froschkönig; R. Schröder, Jakob fliegt ins Zauberland; O. Strauß, Circe; Instrumentalmusik: Drei Silhouetten in G-Dur, d-Moll und C-Dur, op. 21; Tanz, Klavierstück, 1915; Partituren: Dornröschen, Partiturskizzen, u.a. Bearbeitung von W. A. Mozart, Menuett KV 585 (1) für kleines Orchester für eine Aufführung von „Dornröschen“ in Gera, um 1923; König Friedrich II. v. Preußen, Marsch, Partitur; Schriften: Die Hofkapelle Kaiser Rudolfs II., Prag 1905 [MS]; Beethovens Kompositionen für Mandoline, in: Merker 3/1912, S. 446-450; Une œuvre inconnue de Beethoven pour mandoline et piano, in: Revue musicale 8/1912, S. 24-27; Beethovens Prager Aufenthalt im Jahre 1796, in: Deutsche Arbeit 14/1913, S. 28-33.
Literatur Dresdner Neue Presse 1.5.1932; F. v. Lepel, Gedenken an Arthur C., in: Sächsische Zeitung 4.9.1947; G. Kinsky/H. Halm, Das Werk Beethovens, München/Duisburg 1955; O. Pulkert, Frühdrucke und Handschriften von Werken Beethovens in den Musikarchiven der ČSR, in: K. Dorfmüller (Hg.), Beiträge zur Beethoven-Bibliographie, München 1978; A. Schindler, Aktenzeichen „unerwünscht“, in: J. Ludovova (Hg.), Kontexte, Musica iudaica 1998, Bd. 3, Prag 1999; dies., Aktenzeichen „Unerwünscht“, Dresden 1999 (P); dies., Jüdische Künstler im Musikleben Dresdens, in: V. Reittererová/H. Reitterer (Hg.), Kontexte, Musica iudaica 2000, Bd. 4, Prag 2002; dies., Verfemte Musiker in Dresden, in: M. Herrmann/H.-W. Heister (Hg.), Dresden und die avancierte Musik im 20. Jh., Berlin 2002; dies., Bruchstücke aus dem Leben und Wirken eines Musikers, in: Ostragehege 9/2002, H. 27, S. 52-57 (P) ; K. Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002 (P); A. Schindler, Dresdner Liste, Dresden 2003 (P); dies., Prečo to ticho trvalo tak dlho?, in: Slovenská hudba 31/2005, S. 32-53; H. E. Sheets/P. McNees, Starting Over, 2007. – DBA II; E. H. Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden 1929; RiemannL; Pazdírkův hudební slovník naučný, Brno 1929; Lexikon zur deutschen Musikkultur, hg. vom Sudetendeutschen Musikinstitut, München 2000.
Agata Schindler
16.10.2009
Empfohlene Zitierweise:
Agata Schindler, Artikel: Arthur Chitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22303 [Zugriff 20.12.2024].
Arthur Chitz
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv; Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Arthur C., Kompositionen, Fragmente (Autografe); Sudetendeutsches Musikinstitut Regensburg, Konvolut Arthur C.; Stadtarchiv Dresden, Zeitungschronik; Archiv des Staatsschauspiels Dresden, Sammlung Arthur C.; Privatarchiv A. Schindler, Programmhefte des Sächsischen Staatstheaters, Opernhaus und Schauspielhaus 1925-1934 (lückenhaft), Briefe von Arthur C. an Fritz Schedlich 1932 bis 1942, Auskunft H. Böhm Mai 1998 (auf Tonträger), Korrespondenz zwischen M. R. Sheets, H. E. Sheets und A. Schindler 2001-2003.
Werke Kompositionen: Bühnenmusik für folgende Theaterstücke: P. Claudel, Der erniedrigte Vater; O. Blumenthal/G. Kadelburg, Im weißen Rössel; H. v. Boetticher, Der Kronprinz; H. Burte, Prometheus; O. Erler, Marfa; H. Eulenberg, Der natürliche Vater; L. Feuchtwanger, Vasantasena; K. Hamsun, Spiel des Lebens; G. Hauptmann, Das Opfer; ders., Vor Sonnenuntergang; F. Hebbel, Die Nibelungen; H. Heine, Frau Mette; H. Johst, Der König; G. Kiesau, Die Jungfrau von Orleans; ders., Die Jungfern vom Bischofsberg; ders., Amphitryon; ders., Neidhardt von Gneisenau; H. v. Kleist, Prinz Friedrich von Homburg; G. E. Lessing, Philotas und Der junge Gelehrte; G. Menzel, Toboggan; M. Mohr, Platingruben in Tulpin; J. N. Nestroy, Der böse Geist Lumpacivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt; E. Ponto, Trilltrall und seine Brüder, 1926; L. N. Tolstoi, Macht der Finsternis; F. v. Schiller, Wilhelm Tell; ders., Die Braut von Messina; ders., Wallenstein; ders., Die Verschwörung des Fiesko zu Genua; W. Shakespeare, Julius Cäsar; ders., Macbeth; ders., Kaufmann von Venedig; ders., Maß für Maß; ders., Troilus und Cressida; ders., Die Lustigen Weiber von Windsor; ders., König Lear; ders., Ein Wintermärchen; ders., König Richard der Dritte; ders., König Heinrich der Vierte; H. Scholtz, Das Kasperltheater; ders., Der Puppenschuster; ders., Der Froschkönig; R. Schröder, Jakob fliegt ins Zauberland; O. Strauß, Circe; Instrumentalmusik: Drei Silhouetten in G-Dur, d-Moll und C-Dur, op. 21; Tanz, Klavierstück, 1915; Partituren: Dornröschen, Partiturskizzen, u.a. Bearbeitung von W. A. Mozart, Menuett KV 585 (1) für kleines Orchester für eine Aufführung von „Dornröschen“ in Gera, um 1923; König Friedrich II. v. Preußen, Marsch, Partitur; Schriften: Die Hofkapelle Kaiser Rudolfs II., Prag 1905 [MS]; Beethovens Kompositionen für Mandoline, in: Merker 3/1912, S. 446-450; Une œuvre inconnue de Beethoven pour mandoline et piano, in: Revue musicale 8/1912, S. 24-27; Beethovens Prager Aufenthalt im Jahre 1796, in: Deutsche Arbeit 14/1913, S. 28-33.
Literatur Dresdner Neue Presse 1.5.1932; F. v. Lepel, Gedenken an Arthur C., in: Sächsische Zeitung 4.9.1947; G. Kinsky/H. Halm, Das Werk Beethovens, München/Duisburg 1955; O. Pulkert, Frühdrucke und Handschriften von Werken Beethovens in den Musikarchiven der ČSR, in: K. Dorfmüller (Hg.), Beiträge zur Beethoven-Bibliographie, München 1978; A. Schindler, Aktenzeichen „unerwünscht“, in: J. Ludovova (Hg.), Kontexte, Musica iudaica 1998, Bd. 3, Prag 1999; dies., Aktenzeichen „Unerwünscht“, Dresden 1999 (P); dies., Jüdische Künstler im Musikleben Dresdens, in: V. Reittererová/H. Reitterer (Hg.), Kontexte, Musica iudaica 2000, Bd. 4, Prag 2002; dies., Verfemte Musiker in Dresden, in: M. Herrmann/H.-W. Heister (Hg.), Dresden und die avancierte Musik im 20. Jh., Berlin 2002; dies., Bruchstücke aus dem Leben und Wirken eines Musikers, in: Ostragehege 9/2002, H. 27, S. 52-57 (P) ; K. Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002 (P); A. Schindler, Dresdner Liste, Dresden 2003 (P); dies., Prečo to ticho trvalo tak dlho?, in: Slovenská hudba 31/2005, S. 32-53; H. E. Sheets/P. McNees, Starting Over, 2007. – DBA II; E. H. Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden 1929; RiemannL; Pazdírkův hudební slovník naučný, Brno 1929; Lexikon zur deutschen Musikkultur, hg. vom Sudetendeutschen Musikinstitut, München 2000.
Agata Schindler
16.10.2009
Empfohlene Zitierweise:
Agata Schindler, Artikel: Arthur Chitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22303 [Zugriff 20.12.2024].