Gottfried Reimer
Ab 1939 war R. zunächst als Volontär an der Gemäldegalerie Dresden und dann als Assistent und Referent für Hitlers „Sonderauftrag Linz“ tätig, womit er unmittelbar am nationalsozialistischen Kunstraub beteiligt war. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete R. freiberuflich sowie als ehrenamtlicher Denkmalpfleger in Döbeln. – 1930 legte R in Döbeln die Reifeprüfung ab und studierte anschließend in
Würzburg Kunstgeschichte, Geschichte, Deutsche Literatur, Bibliotheks- und Rechtswissenschaft sowie Chemie. Das Sommersemester 1932 verbrachte er in
Wien. Im Juli 1934 wurde R. in Würzburg mit einer Arbeit über „Die Verwendung des Wassers in der Gartenkunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart in Deutschland. Erscheinungsformen und Einflüsse“ promoviert. Anschließend arbeitete er bis 1937 als Assistent in Wien, bevor er nach
München an die Bayerische Staatsbibliothek und das Bayerische Nationalmuseum wechselte. Im Juni 1939 kam R. nach Dresden, wo er zunächst als unbezahlter Freiwilliger Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Gemäldegalerie tätig war. Zunehmend zog ihn deren Direktor Hans Posse zu Arbeiten für den „Sonderauftrag Linz“ heran, für den R. 1940 als Assistent auch formell in Dienst genommen wurde. Im Mai 1941 ging er zunächst kurz nach Wien, wurde aber durch Posse wenig später nach Dresden zurückbeordert und erneut als Assistent für den „Sonderauftrag“ angestellt, ab Juni dann als Referent. Nach Posses Tod und bis zur Berufung von Hermann Voss als „Sonderbeauftragter“ und Galeriedirektor, d.h. von Dezember 1942 bis März 1943, übernahm R. gemeinsam mit Kustos Robert Oertel die kommissarische Leitung des „Sonderauftrags Linz“. Ab Januar 1944 war R. neben Voss für die Bergung der für Linz vorgesehenen Kunstwerke verantwortlich, während Robert Oertel die Erwerbungen abwickelte. Nach dem Kriegsende war R. weiterhin an den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden tätig. Als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter unterstützte er ab Februar 1946 die Sicherung der Auslagerungsdepots und die Rückführung der Objekte nach Dresden bzw. Pillnitz und führte Inventarisationsarbeiten aus. Im Juli 1946 wurde R. jedoch aufgrund seiner Beteiligung am nationalsozialistischen Kunstraub entlassen. Von der SMAD im Dezember 1946 verhaftet, gelang es ihm, seine Rolle im „Sonderauftrag Linz“ zu verschleiern. Er entging einer Verurteilung und kehrte nach seiner Freilassung nach Döbeln zurück. In den folgenden Jahren arbeitete er als freiberuflicher Kunsthistoriker, erstellte Expertisen und engagierte sich als ehrenamtlicher Denkmalpfleger im Kreis Döbeln. Hilfreich für seine Existenz im Halbverborgenen war, dass er kein Mitglied der NSDAP gewesen und 1945, kurz nach ihrer Gründung, in die CDU eingetreten war. Auch lebte er seit seiner Rückkehr nach Döbeln im Haus seiner Eltern. Zu Beginn der 1980er-Jahre ermittelte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gegen R., da man vermutete, er würde aufgrund seiner Vergangenheit die NS-Verstecke von Kunstschätzen kennen.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 18964; Stadt Döbeln, Standesamt, Personenstandsunterlagen, Bestand Stadt Döbeln; Stadtarchiv Döbeln, Personenstandsunterlagen, Bestand der Stadt Döbeln.
Werke Die Verwendung des Wassers in der Gartenkunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart in Deutschland. Erscheinungsformen und Einflüsse, Bad Mergentheim 1935.
Literatur Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884-1969), Köln/Weimar/Wien 2010, S. 196-210, 216-240; Thomas Schade, Der furchtsame Sonderling, in: Sächsische Zeitung 1.11.2018, S. 3; Margitta Hensel, Hitlers Sonderauftrag „Führermuseum Linz“ und Schloss Weesenstein, in: Bombensicher! Kunstversteck Weesenstein 1945, hrsg. von der Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH, Schloss Weesenstein, Dresden 2018, S. 103-113 (P); Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 412f. (P).
Porträt Gottfried R., Fotografie, Archiv Andreas Förster (Bildquelle).
Karin Müller-Kelwing
25.7.2022
Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Gottfried Reimer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27054 [Zugriff 20.12.2024].
Gottfried Reimer
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 18964; Stadt Döbeln, Standesamt, Personenstandsunterlagen, Bestand Stadt Döbeln; Stadtarchiv Döbeln, Personenstandsunterlagen, Bestand der Stadt Döbeln.
Werke Die Verwendung des Wassers in der Gartenkunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart in Deutschland. Erscheinungsformen und Einflüsse, Bad Mergentheim 1935.
Literatur Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884-1969), Köln/Weimar/Wien 2010, S. 196-210, 216-240; Thomas Schade, Der furchtsame Sonderling, in: Sächsische Zeitung 1.11.2018, S. 3; Margitta Hensel, Hitlers Sonderauftrag „Führermuseum Linz“ und Schloss Weesenstein, in: Bombensicher! Kunstversteck Weesenstein 1945, hrsg. von der Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH, Schloss Weesenstein, Dresden 2018, S. 103-113 (P); Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 412f. (P).
Porträt Gottfried R., Fotografie, Archiv Andreas Förster (Bildquelle).
Karin Müller-Kelwing
25.7.2022
Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Gottfried Reimer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27054 [Zugriff 20.12.2024].