George Desnoyer

D. gehörte einer Tänzer-Familie an, deren Mitglieder den englischen und französischen Königen sowie den Welfen und Wettinern dienten. Aufgewachsen am Hof in Hannover, bewegte er sich zeitlebens in aristokratischen Kreisen, wobei er neben Hannover in London, Dresden, Paris und Warschau wirkte. Dabei transferierte er die französisch geprägte Tanz-Galanterie des englischen Hofs in die Hoheitsgebiete der Kurfürsten-Könige von Sachsen und Polen. Er war ein Botschafter des „belle danse“, wenngleich er mit seinen Auftritten in „Russian Sailor“ und „Venetian Gondoliers“ auch als ausdrucksstarker Charakterdarsteller brillierte. – Die Familie Desnoyer stammte ursprünglich aus Frankreich - ein Vorfahre, Antoine Desnoyer, gehörte den „Vingt-quatre Violons du Roy“ Ludwigs XIV. an. D.s Vater George Desnoyer war ab 1694 am Kurfürstenhof zu Hannover als Tanzmeister angestellt. Zuvor hatte er sehr wahrscheinlich am preußischen Hof gearbeitet. Zwischen 1700 und 1720 leitete D.s Vater eine Tanzgruppe in Hannover, der auch seine Frau und seine Tochter Georgine Desnoyer angehörten. Es ist anzunehmen, dass er auch seinen Sohn unterrichtete. – Nach der Krönung Georg Ludwigs von Hannover zum König Georg I. von Großbritannien 1714 trat D. vermehrt in London auf. Das Theatre Royal Drury Lane engagierte ihn am 1.1.1721 als Solist an der Seite von Elizabeth Younger, wo er bis Frühjahr 1722 ca. 40 Auftritte absolvierte, die auch komische Tänze sowie Pantomime-Darstellungen einschlossen. Zudem arbeitete D. mit dem königlichen Tanzmeister Anthony L’Abbé zusammen, der für ihn choreografierte und drei dieser Tänze in seiner Sammlung „A New Collection of Dances“ (London, um 1725) publizierte. Im Sommer 1722 verließ D. Großbritannien, da er in Hannover zum Tanzmeister von Prinz Friedrich Ludwig ernannt wurde. Im Zuge der Übersiedlung Friedrich Ludwigs nach London 1728/1729 trat D. wieder im Theatre Royal Drury Lane auf. Er kam dabei in Kontakt mit den Geschwistern Anne, Catherine und Francis Roland sowie Michel Poitier - möglicherweise ein Verwandter des Dresdner Tanzmeisters Louis de Poitier. Friedrich August I. (August II., der Starke) hatte D. am 1.1.1730 als Tanzmeister eingestellt, sodass er zwischen London, Dresden, Paris und Warschau pendelte. Diese verschiedenen Engagements verschafften ihm Entfaltungsspielraum, z.B. als er sich - nach seinen Auftritten in John Weavers „The Judgment of Paris“ - ab April 1733 aufgrund eines Disputs von der Drury Lane zurückzog und vornehmlich in Dresden und Warschau arbeitete, wofür ihn der sächsische Hof 1.000 Taler zahlte. Im Herbst 1734 kehrte er nach London zurück. Aufsehen erregte D. am 17.3.1735 mit seinen Darbietungen in „The Shepherd’s Mount“ und darin enthaltenen Pas de deux mit Marie Sallé, die schon 1734 in London in der Wiederaufführung von Georg Friedrich Händels „Il Pastor Fido“ debütiert hatte. Sallé und D. trafen sich fortan mehrfach in Paris, wo er sie für weitere gemeinsame Auftritte gewann. D. tanzte ferner mit Anne Roland, etwa in „Venetian Gondolier and Courtezan“, dessen Passagen an Szenen aus der „Neuen und Curieusen Theatralischen Tantz-Schul“ von Gregorio Lambranzi (Nürnberg 1716) erinnerten. – D. war so erfolgreich, dass [König Georg II. von Großbritannien #118538543] bei Friedrich August II. (August III.) um Entlassung des Tanzmeisters bat. 1736 übersiedelte D. endgültig nach London und lebte in der Nähe des St. James’s Palasts. Bis 1740 absolvierte er eine erfolgreiche Zeit am Theatre Royal Drury Lane als Tanzpartner von Roland, Sallé und Mademoiselle Chateauneuf. Aufgrund von Differenzen setzte er seine Laufbahn 1740 bis 1742 am Covent Garden Theater fort, vornehmlich in komischen Rollen und mit der Primaballerina Barbara Campanini. Einer seiner letzten Bühnenerfolge war der „Grand-Ballet Rural Assembly“ in William Shakespeares „The Winter’s Tale“ im Januar 1742. – Neben seinen Aufgaben als Tänzer und Choreograf wirkte D. als Tanzmeister der Prinzessin Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg und unterrichtete die Kinder seines Dienstherrn. 1745 gab Philip Stanhope, 4. Earl of Chesterfield seinen Sohn in D.s Obhut. Um 1765 übernahm D.s Sohn Philip Desnoyer diese Aufgaben, der aber nicht als Bühnentänzer in Erscheinung trat, sondern sich auf Gesellschaftstanz konzentrierte. In dieser Funktion blieb er dem Königshaus bis zu seinem Todesjahr 1788 treu. Philips Ableben beendete ein Dreigenerationen-Tanzmeisteramt der Familie Desnoyer.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 907/4, fol. 35r-38r; The British Library, London, u.a. Burney-Collection, Add. MSS 17870, Add. MS 37836; Royal Archives, GEO/MAIN/55422, GEO/ADD17/68/9, GEO/ADD17/69/8, GEO/MAIN/55422-30; Theatre Royal Drury Lane collection, 1783-1869; The National Archives (LC5/20).

Werke Choreografien/Intermedien: Grand Ballad d’Amour (1731); Le Chasseur Royal (vermutlich 1731/1732); Serious Dance (1732); Marseilles Sailor (1732); Merlin, or, The Devil of Stone-Henge (1734); Russian Sailor (1735); Venetian Gondolier and Courtezan (1735); The Shepherd’s Mount (1735); Grand Dance (The Fall of Pheaton, 1736); Italian Peasants (1740), Tyrolean Dance between a Hungarian and Two Tyrolese (1740); Mars and Venus (1740); Fawns and Nymphs (1740); Rural Assembly (The Winter’s Tale, 1742).

Literatur L The Daily Courant 11.3.1721; Weekly Journal 15.9.1722; London Evening Post 21.12.1731, 14.4.1732, 25.1.1733, 16.-18.1.1739; The London Daily Post and General Advertiser 24.2.1735, 17.3.1735, 24.1.1739, 1.8.1748; Grub-Street Journal 19.8.1736; Anthony L’Abbé, A New Collection of Dances, Reprint of facsimile with an introduction by Carol G. Marsh, ND London 1991; Moira Goff, D., Charmer of the Georgian Age, in: Historical Dance 4/2012, Nr. 2, S. 3-10; dies., The Celebrated Monsieur D., Teil 1: 1721-1733, in: Dance Research. The Journal of the Society for Dance Research 31/2013, Nr. 1, S. 67-77, Teil 2: 1734-1742, in: ebd., S. 78-93. – Philip H. Highfill/Kalman A. Burnim/Edward A. Langhans, A Biographical Dictionary of Actors, Actresses, Musicians, Dancers, Managers, and Other Stage Personnel in London, 1660-1800, Bd. 4, Carbondale/Edwardsville 1975, S. 332f.

Porträt „The Charmers of the Age” with dance couple George D. and Barbara Campanini, William Hogarth, 1741, satirical print, The British Museum London.

Uta Dorothea Sauer/Madeleine Inglehearn
1.10.2021


Empfohlene Zitierweise:
Uta Dorothea Sauer/Madeleine Inglehearn, Artikel: George Desnoyer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28824 [Zugriff 20.12.2024].

George Desnoyer



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 907/4, fol. 35r-38r; The British Library, London, u.a. Burney-Collection, Add. MSS 17870, Add. MS 37836; Royal Archives, GEO/MAIN/55422, GEO/ADD17/68/9, GEO/ADD17/69/8, GEO/MAIN/55422-30; Theatre Royal Drury Lane collection, 1783-1869; The National Archives (LC5/20).

Werke Choreografien/Intermedien: Grand Ballad d’Amour (1731); Le Chasseur Royal (vermutlich 1731/1732); Serious Dance (1732); Marseilles Sailor (1732); Merlin, or, The Devil of Stone-Henge (1734); Russian Sailor (1735); Venetian Gondolier and Courtezan (1735); The Shepherd’s Mount (1735); Grand Dance (The Fall of Pheaton, 1736); Italian Peasants (1740), Tyrolean Dance between a Hungarian and Two Tyrolese (1740); Mars and Venus (1740); Fawns and Nymphs (1740); Rural Assembly (The Winter’s Tale, 1742).

Literatur L The Daily Courant 11.3.1721; Weekly Journal 15.9.1722; London Evening Post 21.12.1731, 14.4.1732, 25.1.1733, 16.-18.1.1739; The London Daily Post and General Advertiser 24.2.1735, 17.3.1735, 24.1.1739, 1.8.1748; Grub-Street Journal 19.8.1736; Anthony L’Abbé, A New Collection of Dances, Reprint of facsimile with an introduction by Carol G. Marsh, ND London 1991; Moira Goff, D., Charmer of the Georgian Age, in: Historical Dance 4/2012, Nr. 2, S. 3-10; dies., The Celebrated Monsieur D., Teil 1: 1721-1733, in: Dance Research. The Journal of the Society for Dance Research 31/2013, Nr. 1, S. 67-77, Teil 2: 1734-1742, in: ebd., S. 78-93. – Philip H. Highfill/Kalman A. Burnim/Edward A. Langhans, A Biographical Dictionary of Actors, Actresses, Musicians, Dancers, Managers, and Other Stage Personnel in London, 1660-1800, Bd. 4, Carbondale/Edwardsville 1975, S. 332f.

Porträt „The Charmers of the Age” with dance couple George D. and Barbara Campanini, William Hogarth, 1741, satirical print, The British Museum London.

Uta Dorothea Sauer/Madeleine Inglehearn
1.10.2021


Empfohlene Zitierweise:
Uta Dorothea Sauer/Madeleine Inglehearn, Artikel: George Desnoyer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28824 [Zugriff 20.12.2024].