Georg von Werthern

Der Besitz der ehemals reichsunmittelbaren Grafschaft Beichlingen und das reichslehnbare Ehrenamt des Erbkammertürhüters hoben die Herren von Werthern in der altständischen Gesellschaft aus der Masse des sächsisch-thüringischen Landadels deutlich heraus. Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts gehörte W. als allseits geschätzter und versierter Kenner von Reichsrecht und Reichspolitik zu den wenigen herausragenden Persönlichkeiten in kursächsischen Diensten. – W. studierte zunächst in Leipzig, dann in Jena, wo er eine Dissertation mit dem Titel „De religione obsequii” unter dem Präsidium des bedeutenden Staatsrechtslehrers und späteren Reichshofrats Nikolaus Christoph Freiherr von Lyncker verteidigte. Seine ausgedehnte Kavaliersreise, die ihn nach Frankreich, in die Niederlande und nach England führte, musste er wegen des Tods seines Vaters vorzeitig abbrechen. Nachdem W. Kurprinz Johann Georg (IV.) 1688 als Kammerjunker nach Kopenhagen begleitet hatte, wurde er Hof- und Justizrat bei der Landesregierung in Dresden. 1693 erfolgte die Ernennung zum Kammerherrn, Oberhauptmann in Thüringen und Vizeaufseher der sequestrierten Grafschaft Mansfeld. Im gleichen Jahr nahm W. als zweiter Gesandter an der Wiener Reichsbelehnung teil. Nach diplomatischen Missionen an den ernestinischen sowie den Welfenhöfen in Celle und Hannover wollte W. 1696 als designierter Kanzler in Sachsen-Merseburg Abschied aus kurfürstlichen Diensten nehmen, wurde aber Ende 1696 Nachfolger von Moritz Heinrich Freiherr von Miltitz als Reichstagsgesandter in Regensburg. Unmittelbar nach seiner Ankunft mit den reichspolitischen Folgen der Konversion Kurfürst Friedrich Augusts I. konfrontiert, konnte der persönlich entschieden evangelische W. das wichtige, nominell seit 1700 durch Sachsen-Weißenfels geführte Direktorium des Corpus Evangelicorum für Kursachsen behaupten. Zeitweilig vertrat er auch Preußen und Hannover im Kurfürstenrat. Wenngleich die Spielräume der kursächsischen Reichspolitik beschränkt blieben, so bestechen doch die treffenden Analysen in seinen nüchtern formulierten Reichstagsberichten. Ohne Zweifel waren die Erhebung in den Reichsgrafenstand 1702, aber auch die Einbeziehung in das Patronagesystem des Kurerzkanzlers Lothar Franz von Schönborn der Persönlichkeit und Bedeutung des 1700 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannten W. geschuldet. 1710 ging W., mittlerweile Kabinettsminister, als erster Gesandter zu den Haager Friedensverhandlungen, fungierte jedoch bereits 1711 nach dem überraschenden Tod Kaiser Josephs I. als Mitglied des kursächsischen Reichsvikariatsgerichts. Obwohl nominell nur zweiter Gesandter, führte der erfahrene W. bei den wichtigen Frankfurter Verhandlungen über die kaiserliche Wahlkapitulation die sächsische Kurstimme. 1712/13 fungierte er gemeinsam mit dem katholischen Robert Graf von Lagnasco als bevollmächtigter Minister bei den Utrechter Friedensverhandlungen, bis er nach einem Aufenthalt in Polen (1713/14) 1715 als Direktor des Geheimen Rats und Kanzler der Landesregierung in die Dresdner Führungsspitze berufen wurde. – W. war Ritter des polnischen weißen Adlerordens.

Quellen A. Klugen, Der Lieb= und werthe W. ... (Gedächtnispredigt 22.4.1721), Dresden [1721]; J. I. Schwartz, Eheliche Liebe eine Flamme des Herrn ..., Dresden [1724]; [D. Fassmann], Curieus- und extraordinaires Gespräche In dem Reiche derer Todten ... (zwischen W. und Jacob Heinrich von Flemming), Frankfurt 1729; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Kabinett.

Literatur J. Vötsch, Kursachsen, das Reich und der mitteldeutsche Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Frankfurt/Main/Berlin/Bern/Wien 2003. – ADB 42, S. 127-130; DBA I, III; DBE 10, S. 454; J. H. Zedler, Großes Vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 55, Halle/Leipzig 1748, Sp. 715-723; K. Bosl/G. Franz/H.H. Hofmann (Bearb.), Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, München 21973, Bd. 3, Sp. 3108; L. Bittner/L. Groß/F. Hausmann (Hg.), Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648), Bd. 1, Graz/Köln 1936, Bd. 2, Zürich 1950 (ND Nendeln/Liechtenstein 1976).

Porträt P. Mortzfeld (Bearb.), Katalog der graphischen Porträts in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 1500-1850, Reihe A, Bd. 27, München u.a. 1994, A 23821 (Bildquelle).

Jochen Vötsch
17.6.2005


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Georg von Werthern,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4138 [Zugriff 20.12.2024].

Georg von Werthern



Quellen A. Klugen, Der Lieb= und werthe W. ... (Gedächtnispredigt 22.4.1721), Dresden [1721]; J. I. Schwartz, Eheliche Liebe eine Flamme des Herrn ..., Dresden [1724]; [D. Fassmann], Curieus- und extraordinaires Gespräche In dem Reiche derer Todten ... (zwischen W. und Jacob Heinrich von Flemming), Frankfurt 1729; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Kabinett.

Literatur J. Vötsch, Kursachsen, das Reich und der mitteldeutsche Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Frankfurt/Main/Berlin/Bern/Wien 2003. – ADB 42, S. 127-130; DBA I, III; DBE 10, S. 454; J. H. Zedler, Großes Vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 55, Halle/Leipzig 1748, Sp. 715-723; K. Bosl/G. Franz/H.H. Hofmann (Bearb.), Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, München 21973, Bd. 3, Sp. 3108; L. Bittner/L. Groß/F. Hausmann (Hg.), Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648), Bd. 1, Graz/Köln 1936, Bd. 2, Zürich 1950 (ND Nendeln/Liechtenstein 1976).

Porträt P. Mortzfeld (Bearb.), Katalog der graphischen Porträts in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 1500-1850, Reihe A, Bd. 27, München u.a. 1994, A 23821 (Bildquelle).

Jochen Vötsch
17.6.2005


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Georg von Werthern,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4138 [Zugriff 20.12.2024].