August Möbius

M. galt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten Astronomen in Deutschland und wird heute als wichtiger Vorläufer der modernen Geometrie angesehen. – Nach dem Studium an der Universität Leipzig, einem Auslandssemester bei Carl Friedrich Gauß in Göttingen sowie der Promotion (1814) und Habilitation (1815) in Leipzig begab sich M. auf eine Bildungsreise, die ihn an die wichtigsten europäischen Sternwarten führte und u.a. mit dem späteren Minister Bernhard von Lindenau bekannt machte, der ihm Freund und Gönner wurde. 1816 wurde M. zum Observator der alten Leipziger Sternwarte auf der Pleißenburg und zum außerordentlichen Professor der Astronomie an der Universität Leipzig berufen. In diesem Dienstverhältnis wirkte er fast 30 Jahre lang als Forscher und Lehrer. Zu seinen Schülern zählten auch mehrere spätere Professoren, u.a. Ernst Friedrich Apelt und Fabian Carl Ottokar von Feilitzsch, sowie zahlreiche Gymnasiallehrer. 1844 wurde M., der zuvor zwei ehrenvolle Berufungen (1816 Greifswald, 1819 Dorpat [estn. Tartu]) abgelehnt hatte, um in Leipzig bleiben zu können, schließlich zum ordentlichen Professor der höheren Mechanik und Astronomie an der Universität Jena ernannt. Darüber hinaus war M. Mitglied der Akademien in Berlin, Göttingen und München sowie Mitbegründer der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. – Obwohl als Astronom eingestellt und bezahlt, galt M.s wissenschaftliches Hauptinteresse der Mathematik. Dabei zieht sich die Beschäftigung mit den Wechselwirkungen zwischen Geometrie und Mechanik wie ein roter Faden durch die meisten seiner Arbeiten. Im ersten Hauptwerk „Der barycentrische Calcul“ (1827) erweiterte M. den bisherigen Koordinatenbegriff erheblich und schuf Raum für weitere Verallgemeinerungen, die schließlich zur modernen projektiven Geometrie führten. Das 1837 erschienene „Lehrbuch der Statik“ begründete die geometrische Statik als neue Strömung innerhalb der Mechanik des 19. Jahrhunderts. Im dritten Hauptwerk „Die Elemente der Mechanik des Himmels“ (1843) wandte M. geometrisches Herangehen auf dynamische Probleme an, wodurch er wichtige Gesetze der Planetenbewegung mit elementaren Mitteln erklären konnte. – Die meisten mathematischen Objekte, die heute M.s Namen tragen, entstammen kleineren Aufsätzen. So beschrieb er 1852 die „Kreisverwandtschaft“, die zur heutigen Möbius-Transformation führte, oder 1858 eine heute als Möbius-Band bezeichnete einseitige Fläche. Die in der Zahlentheorie wichtige Möbius-Funktion benutzte er ursprünglich bei der Auseinandersetzung mit der Reihenumkehrung. Weitere Arbeiten beschäftigten sich mit der Kristallografie und Optik. – Obwohl M. als einer der letzten Naturwissenschaftler des alten 18. Jahrhunderts gilt, da er seine Forschungsgegenstände noch in der Einheit von Mathematik, Mechanik und Astronomie verstand und der raschen Spezialisierung und Differenzierung in enge Disziplinen nicht folgte, bereicherte er gerade durch dieses ganzheitliche, fachübergreifende Herangehen die Mathematik mit völlig neuen Ansätzen und Ideen, die bis heute nachwirken.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium für Volksbildung, Oberkonsistorium; Universitätsarchiv Leipzig.

Werke Der barycentrische Calcul, Leipzig 1827 (ND Hildesheim/NewYork 1976); Lehrbuch der Statik, 3 Bde., Leipzig 1837-1886; Die Elemente der Mechanik des Himmels, Leipzig 1843 (ND Saarbrücken 2007); Gesammelte Werke, 4 Bde., Leipzig 1885-1887 (P).

Literatur C. C. Bruhns, Die Astronomen auf der Pleißenburg, Leipzig [1887/1888]; A. Loh, August Ferdinand M. (1790-1868). Leben und Werk, Diss. Leipzig 1995. – ADB 22, S. 38-43; DBA II, III; DBE 7, S. 161f.; NDB 17, S. 600-603.

Porträt August M., unbekannter Künstler, undatiert, Daguerreotypie, in: P. J. Möbius, Über den Schädel eines Mathematikers, Leipzig 1905, Tafel 1, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

André Loh-Kliesch
28.10.2009


Empfohlene Zitierweise:
André Loh-Kliesch, Artikel: August Möbius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2902 [Zugriff 12.5.2024].

August Möbius



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium für Volksbildung, Oberkonsistorium; Universitätsarchiv Leipzig.

Werke Der barycentrische Calcul, Leipzig 1827 (ND Hildesheim/NewYork 1976); Lehrbuch der Statik, 3 Bde., Leipzig 1837-1886; Die Elemente der Mechanik des Himmels, Leipzig 1843 (ND Saarbrücken 2007); Gesammelte Werke, 4 Bde., Leipzig 1885-1887 (P).

Literatur C. C. Bruhns, Die Astronomen auf der Pleißenburg, Leipzig [1887/1888]; A. Loh, August Ferdinand M. (1790-1868). Leben und Werk, Diss. Leipzig 1995. – ADB 22, S. 38-43; DBA II, III; DBE 7, S. 161f.; NDB 17, S. 600-603.

Porträt August M., unbekannter Künstler, undatiert, Daguerreotypie, in: P. J. Möbius, Über den Schädel eines Mathematikers, Leipzig 1905, Tafel 1, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

André Loh-Kliesch
28.10.2009


Empfohlene Zitierweise:
André Loh-Kliesch, Artikel: August Möbius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2902 [Zugriff 12.5.2024].