Ignaz Moscheles
Ignaz Moscheles gilt als einer der bedeutendsten Klaviervirtuosen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dessen Wirken sich auch auf Leipzig erstreckte, wo er einen beträchtlichen Teil seines Lebens verbrachte. – Der in
Prag geborene Sohn eines jüdischen Tuchhändlers wuchs in einer äußerst kunstsinnigen Familie auf, in der auch die Musik eine wichtige Rolle spielte. Ab 1804 erhielt er auf väterliche Intervention hin Unterricht im Klavierfach durch Friedrich Dionys Weber, den späteren Direktor des Prager Konservatoriums, und soll bereits mit 13 Jahren zum ersten Mal öffentlich aufgetreten sein. Als 14-Jähriger konzertierte Moscheles schon unter Leitung Carl Maria von Webers. Etwa zu dieser Zeit verstarb sein Vater und Moscheles wechselte von Prag nach
Wien, wo er Unterrichtsstunden bei Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri nahm. Als junger Erwachsener gastierte er dann erfolgreich in verschiedensten Konzerthäusern des europäischen Kontinents. 1824 begegnete er in
Berlin dem erst 15-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy, woraus sich trotz des deutlichen Altersunterschieds eine dauerhafte Freundschaft entwickeln sollte. Nach längeren Europareisen ließ sich Moscheles ab 1825 in
London nieder, wo er eine Klavierprofessur an der Royal Academy of Music annahm und 1832 Co-Direktor der Philharmonic Society of London wurde. Seit 1825 war er mit der gebürtigen Hamburgerin Charlotte Emden verheiratet. Aus der als glücklich beschriebenen Ehe gingen fünf Kinder hervor, die allesamt während Moscheles’ Zeit in London zur Welt kamen. Der Erstgeborene verstarb jedoch bereits mit nur drei Jahren. Abseits seiner englischen Wahlheimat war Moscheles immer wieder europaweit zu Konzerten unterwegs, so spielte er 1838 in
Paris eine Klaviersonate in Gegenwart der Königsfamilie. Wohl auf Wunsch des befreundeten Mendelssohn Bartholdy kehrte er London 1846 den Rücken und ließ sich ab Oktober in Leipzig nieder, um hier die Leitung einer Klavierklasse des 1843 gegründeten Königlichen Konservatoriums zu übernehmen. Womöglich in der inneren Überzeugung, das Vermächtnis seines Freunds vor Ort fortzusetzen, blieb Moscheles auch nach Mendelssohn Bartholdys frühem Tod im November 1847 dauerhaft in Leipzig, zumal es hier anders als in London vergleichsweise beschaulich zuging und die traditionelle Musikstadt ebenfalls genug Entfaltungsmöglichkeiten bereithielt. Ganz im Sinne der Musik als zentralem Lebensinhalt war Moscheles im Juli 1850 unter der Verzeichnisnummer 66 einer der Mitbegründer der Bach-Gesellschaft zu Leipzig, die sich der jährlichen Herausgeberschaft einer kritischen Werksammlung Johann Sebastian Bachs verschrieben hatte. Am 4.11.1850 folgte ein Appell der Gesellschaft für einen Beitritt, um möglichst rasch die Gelder zur ersten Drucklegung einzunehmen, der Aufruf trug dabei auch Moscheles’ Namen. Im fortschreitenden Lebensalter trat Moscheles nicht mehr öffentlich auf, fertigte aber nach wie vor kleinere Kompositionen an, beim Klavierspiel tat er sich besonders durch Klarheit, Präzision und Eleganz hervor. Zudem wurde Moscheles für seine Funktion als Herausgeber der Beethoven’schen Sonaten geschätzt. Die Freizeit verbrachte der als sanftmütiger Familienmensch geltende Musiker gern im vertrauten Kreis, dazu gehörten auch Reisen von Leipzig zu verschiedenen Zielen Europas. Seine späten Jahre verlebte Moscheles recht rüstig, so besuchte er noch 1868 über längere Zeit seine Kinder in London und 1869 folgte ein Aufenthalt bei der Tochter Serena Anna in
Belgrad. Gegen Ende des Jahrs nahmen die Kräfte des inzwischen 75-jährigen Moscheles jedoch zusehends ab, am 31.12. notierte er im Tagebuch, dass seine Gedanken dem Schöpfer zugewandt seien. Weniger als drei Monate darauf starb er in seiner Leipziger Wohnung auf der Dresdner Straße, wo er zuletzt ansässig war. Am 13.3.1870 wurde er in der V. Abteilung auf dem Neuen Johannisfriedhof beigesetzt. – Moscheles hinterließ der Nachwelt eine Vielzahl an Klaviersonaten, die schon zu seinen Lebzeiten auf Resonanz stießen und bis heute in Gebrauch sind. Seine Ehefrau Charlotte, die den verstorbenen Moscheles um fast 20 Jahre überleben sollte, zog als Witwe von Leipzig nach [Detmold #ognd 4011555-0] und nahm sich des Erbes ihres Ehemanns an, indem sie ab 1872/1873 dessen Briefe und Tagebuchnotizen in zwei Bänden herausgab. Seit 1873 trägt Moscheles zu Ehren eine Straße im Leipziger Zentrum-West seinen Namen. Die Umbenennung durch die Nationalsozialisten 1935 wurde im Mai 1945 wieder rückgängig gemacht, sodass Moscheles bis heute auch in Leipzig einen Platz in der städtischen Erinnerungskultur innehat. Dabei scheint er zeitlebens in der Rolle des Musikers, Komponisten und Pädagogen sowie im Privatleben als Familienoberhaupt aufgegangen zu sein, während über Verbindungen zum jüdisch-religiösen Leben trotz seiner Wurzeln nichts bekannt ist.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig, 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig, Nr. 5116/01, Nr. 1853; Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Nr. 203 Ratsleichenbücher (1870), S. 376, 0021 Friedhofsamt, Nr. 43 Grabregister. – Adressbücher Leipzig 1847-1870.
Literatur Charlotte Moscheles (Hg.), Aus Moscheles’ Leben. Nach Briefen und Tagebüchern, 2 Bde., Leipzig 1872/1873; Alfred E. Otto Paul, Der neue Johannisfriedhof in Leipzig, Leipzig 2012. – ADB 22, S. 345-351; DBA I, II, III; DBE II 7, S. 204; NDB 18, S. 165f.; Horst Riedel, Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, Leipzig 2005, S. 413 (P); Klassika. Die deutschsprachigen Klassikseiten (WV).
Porträt Bildnis des Komponisten und Pianisten Ignaz Moscheles, Hermann Krone, 1851, Daguerreotypie, Technische Universität Dresden, Fotosammlung Krone, Tafel 12, Nr. 2, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Foto: Martin Würker, 1982 (Bildquelle).
Lucas Böhme
18.8.2025
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Ignaz Moscheles,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2922 [Zugriff 2.9.2025].
Ignaz Moscheles
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig, 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig, Nr. 5116/01, Nr. 1853; Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Nr. 203 Ratsleichenbücher (1870), S. 376, 0021 Friedhofsamt, Nr. 43 Grabregister. – Adressbücher Leipzig 1847-1870.
Literatur Charlotte Moscheles (Hg.), Aus Moscheles’ Leben. Nach Briefen und Tagebüchern, 2 Bde., Leipzig 1872/1873; Alfred E. Otto Paul, Der neue Johannisfriedhof in Leipzig, Leipzig 2012. – ADB 22, S. 345-351; DBA I, II, III; DBE II 7, S. 204; NDB 18, S. 165f.; Horst Riedel, Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, Leipzig 2005, S. 413 (P); Klassika. Die deutschsprachigen Klassikseiten (WV).
Porträt Bildnis des Komponisten und Pianisten Ignaz Moscheles, Hermann Krone, 1851, Daguerreotypie, Technische Universität Dresden, Fotosammlung Krone, Tafel 12, Nr. 2, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Foto: Martin Würker, 1982 (Bildquelle).
Lucas Böhme
18.8.2025
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Ignaz Moscheles,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2922 [Zugriff 2.9.2025].