Heinrich Gottfried Koch

K. kam als Schauspieler, Dekorationsmaler, Bearbeiter und Übersetzer von Theaterstücken 1728 zur Neuber’schen Truppe, nachdem er sein Jura-Studium an der Universität Leipzig nach zwei Jahren aufgegeben hatte. Er wechselte dann zu Sophie Charlotte Schröders Gesellschaft nach Hamburg und spielte auch kurz in Prag, bevor er 1744 zur „Neuberin“ zurückkehrte. Dort blieb er, bis er 1748 zu Johann Friedrich Schönemanns Truppe nach Göttingen ging, dem er wieder nach Leipzig folgte. Dort brach er allerdings mit Schönemann, der die Stadt verließ. K. wurde ermuntert, eine eigene Gesellschaft zu gründen und um das kursächsische Spielprivileg nachzusuchen, das ihm 1749 auch gewährt wurde. Damit hatte sich K. sowohl gegen Schönemann als auch gegen die auseinanderfallende Neuber’sche Truppe durchsetzen können, die sich ebenfalls um dieses Privileg bemüht hatten. – K.s Gesellschaft, die „Königlich Pohlnischen und Churfürstlich Sächsischen Hof-Comödianten“, spielte erstmalig am 6.7.1750 in Leipzig auf dem Theater in Richters Garten. In der Folgezeit übernahm er das Neuber’sche Theater am Blumenberg und bespielte auch das Theater in Quandts Hof. K. bemühte sich schon zu dieser Zeit um einen eigenen Theaterbau, scheiterte jedoch am Widerstand des Leipziger Magistrats. – Kurz darauf kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Leipziger Professor und Literaturtheoretiker Johann Christoph Gottsched. Aufgrund der Bemühungen Gottscheds um eine Theaterreform im Sinne der Aufklärung war die deutsche Oper seit 1741 von den Bühnen verschwunden, nur italienische Opern wurden noch aufgeführt. Der Aufschwung der ballad opera in England brachte neues Spielmaterial in die deutschen Theater. „The devil to pay“ (1743) war schon von der Schönemann’schen Truppe in einer deutschen Bearbeitung gespielt worden und wurde nun als Singspiel in einer Fassung von Christian Felix Weiße und der Musik von Johann Georg Standfuß unter dem Titel „Der Teufel ist los“ 1752 in Leipzig mit großem Erfolg von K. aufgeführt. In einer heftigen Polemik zwischen den Anhängern K.s und den Gottschedianern unterlagen die letzteren. Gottsched gab daraufhin sein Interesse am Theater auf. Dabei entwarf K. kein Gegenprogramm zur aufklärerischen „Reinigung“ des Theaters. Seine Singspiele waren gegenüber den tradierten Komödien und Intermezzi im Sinne des bürgerlichen Theaters fortschrittlich, wenn sie auch der Strenge der gottschedianischen Reformgedanken nicht genügten. – Der Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs 1756 setzte K.s Wirken in Leipzig zunächst ein Ende. Er ging nach Lübeck und übernahm dort die frühere Schönemann’sche Gesellschaft, zu der damals auch Conrad Ekhof zählte. Mit ihr bespielte K. v.a. Hamburg und unternahm u.a. Abstecher nach Lübeck und Leipzig. Dorthin kehrte er 1763 zurück und nahm seine Bemühungen um den Bau eines festen Theaters wieder auf. Georg Rudolph Faesch wurde auf der Ranstädter Bastei Baugrund für ein Konzert- und Theaterhaus zur Verfügung gestellt, auf dem er gemeinsam mit Johann Benedict Zaemisch den ersten festen Theaterbau Leipzigs errichtete. K. hatte schon zuvor seine Absicht bekundet, das geplante Theater zu mieten. Am 10.10.1766 eröffnete die Koch’sche Gesellschaft das Leipziger Schauspielhaus auf der Ranstädter Bastei mit Johann Elias Schlegels „Herrmann“. Damit war ein entscheidender Schritt zur Institutionalisierung des Theaterwesens in Sachsen vollzogen worden. Auch die 1768 erfolgte Einschränkung des Spielprivilegs auf zwei Vorstellungen wöchentlich wurde schon im folgenden Jahr wieder aufgehoben, als K. in Dresden spielte. Dass K.s Stellung nunmehr gefestigt war, zeigte sich, als Johann Christian Wäser 1770 eine „Bude“, einen eigens errichteten hölzernen Theaterbau, vor dem Grimmaischen Tor aufschlug. Der Konkurrenzbau, in dem Wäser v.a. durch Ballette und Intermezzi ein größeres Publikum anzog als K. durch sein bürgerliches Theater, durfte nach einer Beschwerde K.s beim sächsischen Hof nur während der Messezeiten bespielt werden. – 1771 ging K. nach Berlin, wo er das Privileg Franz Schuchs d.J. und dessen Theater übernahm. In diese letzte Schaffensperiode fiel 1774 die Uraufführung von Johann Wolfgang Goethes Götz von Berlichingen“. – K.s zweite Frau Christiane Henriette führte die Prinzipalschaft nach seinem Tod noch ein Vierteljahr weiter und verkaufte dann das Theater und die Konzession an Carl Theophil Doebbelin. – K. galt den Zeitgenossen als einer der besten Schauspieler, dessen Stärken v.a. im komischen Fach lagen. Als Prinzipal genoss er einen vergleichbar guten Ruf wie Schönemann und Konrad Ackermann.

Literatur C. H. Schmid, Chronologie des deutschen Theaters, 1775; H. Blümner, Geschichte des Theaters in Leipzig, Leipzig 1818; M. Fürstenau, Der Prinzipal Johann Gottfried Heinrich K. in Dresden 1764 und 1765, in: Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger 3/1875, S. 17-30; J. Minor, Christian Felix Weiße und seine Beziehungen zur deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, Innsbruck 1880; P. Stein (Hg.), Deutsche Schauspieler, Bd. 1: Das 18. Jahrhundert, Eine Bildnissammlung, Berlin 1907, S. 11 (P); G. Rudloff-Hille, Das Theater auf der Ranstädter Bastei Leipzig 1766, Leipzig 1969; E. Pies, Prinzipale. Zur Genealogie des deutschsprachigen Berufstheaters vom 17. bis 19. Jahrhundert, Ratingen 1973, S. 194-196; R. Theobald, „Melpomenens und Thaliens Günstling“. Zum 200. Todestag des Schauspieldirektors H. G. K., in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 71/1975, Nr. 2, S. 18-24, Nr. 3, S. 49-62; G. Gläser, Heinrich Gottfried K. und seine Schauspielergesellschaft, Greifswald 1982. – ADB 16, S. 380-383; DBA I; II; III; DBE 5, S. 640; NDB 12, S. 264f.; W. Kosch, Deutsches Theater-Lexikon, Bd. 2, Klagenfurt/Wien 1960, S. 1039f.

Porträt Heinrich Gottfried K. - Melpomenens und Thaliens Günstling, J. F. Bause, 1783, Kupferstich, in: Leipziger Kalender 11/1914, S. 21 (Bildquelle).

Corinna Kirschstein
10.8.2011


Empfohlene Zitierweise:
Corinna Kirschstein, Artikel: Heinrich Gottfried Koch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2475 [Zugriff 19.11.2024].

Heinrich Gottfried Koch



Literatur C. H. Schmid, Chronologie des deutschen Theaters, 1775; H. Blümner, Geschichte des Theaters in Leipzig, Leipzig 1818; M. Fürstenau, Der Prinzipal Johann Gottfried Heinrich K. in Dresden 1764 und 1765, in: Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger 3/1875, S. 17-30; J. Minor, Christian Felix Weiße und seine Beziehungen zur deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, Innsbruck 1880; P. Stein (Hg.), Deutsche Schauspieler, Bd. 1: Das 18. Jahrhundert, Eine Bildnissammlung, Berlin 1907, S. 11 (P); G. Rudloff-Hille, Das Theater auf der Ranstädter Bastei Leipzig 1766, Leipzig 1969; E. Pies, Prinzipale. Zur Genealogie des deutschsprachigen Berufstheaters vom 17. bis 19. Jahrhundert, Ratingen 1973, S. 194-196; R. Theobald, „Melpomenens und Thaliens Günstling“. Zum 200. Todestag des Schauspieldirektors H. G. K., in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 71/1975, Nr. 2, S. 18-24, Nr. 3, S. 49-62; G. Gläser, Heinrich Gottfried K. und seine Schauspielergesellschaft, Greifswald 1982. – ADB 16, S. 380-383; DBA I; II; III; DBE 5, S. 640; NDB 12, S. 264f.; W. Kosch, Deutsches Theater-Lexikon, Bd. 2, Klagenfurt/Wien 1960, S. 1039f.

Porträt Heinrich Gottfried K. - Melpomenens und Thaliens Günstling, J. F. Bause, 1783, Kupferstich, in: Leipziger Kalender 11/1914, S. 21 (Bildquelle).

Corinna Kirschstein
10.8.2011


Empfohlene Zitierweise:
Corinna Kirschstein, Artikel: Heinrich Gottfried Koch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2475 [Zugriff 19.11.2024].