Ernst Neef

N. zählt neben Carl Troll zu den Vorreitern der deutschsprachigen Landschaftsökologie. Er etablierte sich als einflussreicher Fachvertreter innerhalb der DDR-Wissenschaft mit internationalem Ansehen. Die von ihm begründete „Leipzig-Dresdner Schule der Landschaftsökologie“ prägte nachhaltig die Fachentwicklung der neueren deutschsprachigen Geografie. – N. wurde schon während seiner Dresdner Schulzeit v.a. von seinen Lehrern Friedrich Lamprecht und Johannes Rußner in die Geografie und Landeskunde seiner sächsischen Heimat eingeführt. Nach dem Abitur studierte er 1927 bis 1932 Geografie und Geologie, zunächst in Innsbruck und anschließend in Heidelberg. Seine Lehrer waren u.a. Hans Kinzl, Raimund von Klebelsberg, Wilhelm Salomon-Calvi, Hermann Erdmannsdörfer und insbesondere Johann Sölch. 1932 reichte N. in Heidelberg seine geomorphologisch-quartärgeologisch ausgerichtete Dissertation über die „Landformung des Bregenzer Waldes“ ein und war anschließend bis 1936 Assistent von Kurt Hassert am Geographischen Institut der Technischen Hochschule Dresden. Dort erfolgte 1935 auch seine Habilitation über „Studien zur Landwirtschaftsgeographie von Sachsen“, in der er seine umfassenden methodischen und kulturgeografischen Ansätze darstellten konnte. Bereits ein Jahr später erging an ihn der Ruf auf den Lehrstuhl für Geographie an der Technischen Hochschule Danzig, den er 1936 bis zu seiner Einberufung in die Wehrmacht 1939 innehatte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde N. u.a. als Kriegsmeteorologe bei der Luftwaffe eingesetzt. – Da nach 1945 eine Rückkehr nach Danzig nicht mehr in Frage kam, ging N. nach Kriegsende in seine zerstörte Heimatstadt Dresden zurück. Dort wirkte er 1945 bis 1949 bei der Stadtplanung sowie nach einer kurzzeitigen Umschulung als Maurer bei der sächsischen Regionalplanung mit, u.a. als Sachbearbeiter der Planungsgemeinschaft für den Großraum Dresden und in enger Zusammenarbeit mit Kurt Wiedemann. Vorübergehend erhielt N. einen Lehrauftrag für städtebauliche Grundlagenforschung an der Technischen Hochschule Dresden. 1949 wurde er schließlich an die Universität Leipzig berufen. Am dortigen Geographischen Institut, das nach einem mehrjährigen Provisorium nun wieder mit N. ordentlich besetzt war, legte er die Grundlagen für die von ihm begründete Schule der Landschaftsökologie. Zu seinen ersten Schülern und Mitarbeitern gehörten Gerhard Schmidt, Hans Richter und Günter Haase. Das von ihm in Leipzig eingerichtete physisch-geographische Labor war beispielgebend für die Weiterentwicklung der Bodengeografie und Geoökologie im deutschsprachigen Raum. – 1951/52 leitete N. auch kommissarisch das Geographische Seminar an der Universität Halle-Wittenberg. An der Leipziger Universität war N. 1955 bis 1958 als Dekan der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät tätig. 1959 folgte er schließlich einem Ruf an die Technische Hochschule Dresden, stand jedoch zugleich noch bis 1961 dem Leipziger Institut vor. In Dresden wirkte er erfolgreich als akademischer Lehrer bis zu seiner Emeritierung 1973 und bis zu seinem Tod als engagierter Wissenschaftler und Forscher. Nach der Degradierung des Dresdner Instituts in Folge der Dritten DDR-Hochschulreform bemühte sich N. seit den 1970er-Jahren um eine starke interdisziplinäre Einbindung der Geografie, v.a. im Rahmen des Projekts „Sozialistische Umweltgestaltung“. – Neben der Entwicklung der Landschaftsökologie war N. immer bemüht, eine Verbindung zur Kulturgeografie, zur angewandten Geografie, zur Theoriebildung, aber auch zur Landeskunde zu finden. – N.s außeruniversitäres wissenschaftliches Wirken war eng mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig verbunden. 1956 wurde er zum ordentlichen Mitglied gewählt; 1964 bis 1973 amtierte er als Vizepräsident, 1960 bis 1965 und 1971 bis 1983 als Sekretar der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse. In Dresden wurde 1965 auf seine Initiative hin die Arbeitsstelle „Naturhaushalt und Gebietscharakter“ eingerichtet. Er engagierte sich auch in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, die ihn 1959 als ordentliches Mitglied aufnahm. – Seit Anfang der 1950er-Jahre übernahm N. führende Positionen innerhalb des DDR-Wissenschaftssystems, zunächst als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Geographie beim Staatssekretariat für Hochschulwesen und 1953 bis 1957 als erster Vorsitzender der Geographischen Gesellschaft in der DDR. Die von ihm geprägte Geographische Gesellschaft gründete zahlreiche Ortssektionen und war Plattform einer wissenschaftlichen und populären Geografie und Heimatkunde in der DDR. Seit Ende der 1950er-Jahre trat N. insbesondere innerhalb der Fachsektion Physische Geographie hervor, der er 1958 bis 1970 vorstand. – Neben seinem umfangreichen literarischen Schaffen (über 180 größere Schriften) fungierte N. auch als Herausgeber zahlreicher Werke, u.a. von „Petermanns Geographischen Mitteilungen“ (1954-1978), den „Geographischen Berichten“ (1956-1959) und den „Werten der deutschen Heimat“. – N. wurden zahlreiche Ehrungen des In- und Auslands zuerkannt, so die Goldene Carl-Ritter-Medaille der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin und die Ehrenmitgliedschaften der Geographischen Gesellschaften in Polen, Ungarn, in Wien und der DDR. – N. starb nach langer Krankheit 1984 in seiner Heimatstadt Dresden.

Quellen Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde, Leipzig, Nachlass N., Nachlass Geographische Gesellschaft der DDR; Universität Leipzig, Universitätsarchiv, PA 1738; Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, PA 11319.

Werke Die Landformung des Bregenzer Waldes, Diss. Freiburg/Heidelberg 1933; Studien zur Landwirtschaftsgeographie von Sachsen, Habil. Dresden 1935; Das Gesicht der Erde, Leipzig 1956, 61984; Die theoretischen Grundlagen der Landschaftslehre, Gotha/Leipzig 1967; H. Barthel (Hg.), Ausgewählte Schriften, Gotha 1983.

Literatur H. Richter, Ernst N., in: A. Ermisch/K. Renner (Hg.), Namhafte Hochschullehrer der Karl-Marx-Universität Leipzig, Bd. 6, Leipzig 1984, S. 35-39 (P); W. Sperling, Der Beitrag von Ernst N. (1908-1984) zur Regionalen Geographie Mitteleuropas und zur Landeskunde Sachsens, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 59/1985, H. 1, S. 11-22; H. Leser, Ernst N. und die landschaftsökologische Forschung, in: Die Erde 116/1985, H. 1, S. 1-6 (P); K. Mannsfeld/W. Sperling, Ernst N. (1908-1984), in: Geographisches Taschenbuch 1991/1992, S. 115-129 (P); K. Mannsfeld/H. Neumeister (Hg.), Ernst N.s Landschaftslehre heute, Gotha/Stuttgart 1999; W. Stams, Ernst N. zum 100. Geburtstag, in: Sächsische Heimatblätter 54/2008, S. 139-153 (Bildquelle).

Bruno Schelhaas
23.11.2009


Empfohlene Zitierweise:
Bruno Schelhaas, Artikel: Ernst Neef,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9235 [Zugriff 18.4.2024].

Ernst Neef



Quellen Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde, Leipzig, Nachlass N., Nachlass Geographische Gesellschaft der DDR; Universität Leipzig, Universitätsarchiv, PA 1738; Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, PA 11319.

Werke Die Landformung des Bregenzer Waldes, Diss. Freiburg/Heidelberg 1933; Studien zur Landwirtschaftsgeographie von Sachsen, Habil. Dresden 1935; Das Gesicht der Erde, Leipzig 1956, 61984; Die theoretischen Grundlagen der Landschaftslehre, Gotha/Leipzig 1967; H. Barthel (Hg.), Ausgewählte Schriften, Gotha 1983.

Literatur H. Richter, Ernst N., in: A. Ermisch/K. Renner (Hg.), Namhafte Hochschullehrer der Karl-Marx-Universität Leipzig, Bd. 6, Leipzig 1984, S. 35-39 (P); W. Sperling, Der Beitrag von Ernst N. (1908-1984) zur Regionalen Geographie Mitteleuropas und zur Landeskunde Sachsens, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 59/1985, H. 1, S. 11-22; H. Leser, Ernst N. und die landschaftsökologische Forschung, in: Die Erde 116/1985, H. 1, S. 1-6 (P); K. Mannsfeld/W. Sperling, Ernst N. (1908-1984), in: Geographisches Taschenbuch 1991/1992, S. 115-129 (P); K. Mannsfeld/H. Neumeister (Hg.), Ernst N.s Landschaftslehre heute, Gotha/Stuttgart 1999; W. Stams, Ernst N. zum 100. Geburtstag, in: Sächsische Heimatblätter 54/2008, S. 139-153 (Bildquelle).

Bruno Schelhaas
23.11.2009


Empfohlene Zitierweise:
Bruno Schelhaas, Artikel: Ernst Neef,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9235 [Zugriff 18.4.2024].