Nikolaus Willibald Graf von Gersdorff
G. wirkte unter Kurfürst Friedrich August II. (August III.) als Gesandter an verschiedenen europäischen Fürstenhöfen. Hervorzuheben ist insbesondere seine Korrespondenz mit dem sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl mit umfangreicher Berichterstattung aus dem Ausland. – G., der väterlicherseits der Enkel der bedeutenden Mäzenin und gelehrten Dichterin Henriette Katharina Freifrau von Gersdorff ist, wuchs vermutlich auf dem väterlichen Gut Baruth auf. Nach der häuslichen Erziehung durch Hofmeister schrieb sich G. 1729 zum Studium an der Universität Leipzig ein und schloss an dieses eine Kavalierstour an. Anschließend wurde er zum königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen Hof- und Justizrat bestellt. Die Ernennung zum Kammerherrn erfolgte im April 1733. – Seine Diplomatenkarriere begann G., als er im Dezember 1740 als kursächsischer Gesandter an den kurtrierischen Hof in Koblenz geschickt wurde, wo er sich bis Oktober 1741 aufhielt. Zurück in Dresden erfolgte im März 1742 seine Berufung als außerordentlicher Gesandter an den russischen Hof in St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg). Im Monat darauf wohnte er in Moskau der Selbstkrönung
Elisabeth Romanows, einer unehelichen Tochter
Peters des Großen, zur Kaiserin von Russland bei. Hier bekam G. den russischen Alexander-Newski-Orden verliehen. Er verließ Russland im November 1742 und kehrte kurzzeitig nach Dresden zurück, um bereits im Juni des Folgejahres erneut ins Zarenreich gesandt zu werden. U.a. überbrachte er dort dem Großfürsten und späteren Zaren
Peter III. den polnischen Orden des Weißen Adlers, den Kurfürst Friedrich August I. (August II., der Starke) 1705 als König von Polen gestiftet hatte. Erfahren durch seinen ersten Russlandaufenthalt erbat sich G. für diese Gesandtschaft mindestens die Ernennung zum Geheimen Rat, da dieser Titel damals in Russland hoch angesehen war. Nach anderen Quellen wurde G. allerdings erst nach seiner Rückkehr nach Sachsen im März 1745 zum Geheimen Rat ernannt. In diesem Jahr folgte außerdem eine kurze Sondergesandtschaft nach Hannover. – Im Juni 1745 reiste er als sog. bevollmächtigter Minister und als solcher Nachfolger des Grafen Christian von Loß an den kurbayerischen Hof. In Bayern hielt er sich mit Unterbrechungen bis zum Januar 1748 auf. Seine wichtigste Aufgabe war die Aushandlung der Eheschließung des sächsischen Kurprinzen, dem späteren Kurfürsten Friedrich Christian, mit Maria Antonia Walburga, der Tochter des bayerischen Kurfürsten und nachmaligen Kaisers
Karl VII. (Karl Albrecht). Als „außerordentlicher Ambassadeur“ warb er am 11.6.1747 in Vertretung des Kurprinzen öffentlich um die Hand der Prinzessin. Schon zwei Tage später erfolgte die Vermählung „per Procurat“ und am 20.7. die Hochzeit in Dresden. Im Januar 1748 kehrte G. nach Dresden zurück und wurde nun zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt. Zudem wurde ihm eine Pension aus der Gesandtschaftskasse bewilligt. Nach einigen eigenen Gutserwerbungen gelangte G. 1752 durch Erbschaft in den Besitz der zahlreichen väterlichen Rittergüter in der Oberlausitz und scheint sich zunächst ausschließlich auf deren Bewirtschaftung konzentriert zu haben. Dies mag eine Erklärung dafür gewesen sein, dass über ein politisches Engagement G.s. in dieser Zeit - die Jahre des Siebenjährigen Kriegs eingeschlossen - nichts überliefert ist. G.s. umfangreicher Besitz umfasste nunmehr die bedeutenden Güter Baruth bei Bautzen (sorb. Bart), Milkel und Kreba, des Weiteren Bretnig, Hauswalde, Kemnitz, Buchwalde (sorb. Bukojna), Kreckwitz (sorb. Krakecy), Rackel (sorb. Rakojdy), Dauban, Mücka bei Rothenburg, Teichnitz (sorb. Ćichońca), Teicha (sorb. Hat), Droben (sorb. Droby), Wessel (sorb. Wjesel), Lomske (sorb. Łomsk) und Crosta (sorb. Chróst). – Nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs 1763 wurde G. schließlich zum kursächsischen Konferenzminister ernannt und gehörte neben den Mitgliedern der Restaurationskommission zu den geistigen Führern des sächsischen Wiederaufbauwerks nach dem Krieg. Ein entsprechendes Wirken blieb ihm allerdings verwehrt, da er bereits 1765 an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb. – Am 28.8.1745 war G.s Vater Gottlob Friedrich und damit auch G. selbst von Kurfürst Friedrich August II. als Reichsvikar in den Reichsgrafenstand erhoben worden.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Kabinett.
Literatur J. B. Carpzov, Neueröffneter Ehren-Tempel Merckwürdiger Antiquitäten des Marggraffthums Ober-Lausitz, Leipzig 1719, Teil 2, S. 122; Genealogische Nachrichten, in: Lausitzisches Magazin 1/1768, S. 170-172; Necker, Gersdorffsche Familien-Nachrichten, Quedlinburg 1818, S. 81; W. von Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 1, Görlitz 1912, S. 448f.; M. Hamer-Prinzessin zur Lippe-Weißenfeld (Hg.), Baruth in Sachsen 1945-1950, Spitzkunnersdorf 2004, S. 186 (P); J. Matzke, Gesandtschaftswesen und diplomatischer Dienst Sachsens 1694-1763, Leipzig 2011, besonders S. 337. – NDB, Bd. 6, S. 318; Neues Historisches Hand-Lexikon, Ulm 1800, Sp. 633.
Porträt Nikolaus Willibald Graf von G., unbekannter Maler, Ölgemälde, Privatbesitz (Bildquelle).
Jan Bergman
19.3.2014
Empfohlene Zitierweise:
Jan Bergman, Artikel: Nikolaus Willibald Graf von Gersdorff,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23692 [Zugriff 20.12.2024].
Nikolaus Willibald Graf von Gersdorff
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Kabinett.
Literatur J. B. Carpzov, Neueröffneter Ehren-Tempel Merckwürdiger Antiquitäten des Marggraffthums Ober-Lausitz, Leipzig 1719, Teil 2, S. 122; Genealogische Nachrichten, in: Lausitzisches Magazin 1/1768, S. 170-172; Necker, Gersdorffsche Familien-Nachrichten, Quedlinburg 1818, S. 81; W. von Boetticher, Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, Bd. 1, Görlitz 1912, S. 448f.; M. Hamer-Prinzessin zur Lippe-Weißenfeld (Hg.), Baruth in Sachsen 1945-1950, Spitzkunnersdorf 2004, S. 186 (P); J. Matzke, Gesandtschaftswesen und diplomatischer Dienst Sachsens 1694-1763, Leipzig 2011, besonders S. 337. – NDB, Bd. 6, S. 318; Neues Historisches Hand-Lexikon, Ulm 1800, Sp. 633.
Porträt Nikolaus Willibald Graf von G., unbekannter Maler, Ölgemälde, Privatbesitz (Bildquelle).
Jan Bergman
19.3.2014
Empfohlene Zitierweise:
Jan Bergman, Artikel: Nikolaus Willibald Graf von Gersdorff,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23692 [Zugriff 20.12.2024].