Salomon Gabriel Wallerstein

Salomon Gabriel Wallerstein war in Dresden als Lotteriehauptkollekteur und Bankier tätig. Mit seiner Familie wohnte er in der Prager Straße 14. Sowohl die beiden genannten Berufe als auch die Wohnadresse zeugen von dem gesellschaftlichen Aufstieg der Familie. Ein weiteres Indiz dafür ist sein ungewöhnlich prächtiger Grabstein aus schlesischem Marmor mit einer Größe von über zwei Metern auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Dresden. – Wallersteins Großvater, Abraham Wallerstein, lebte im 18. Jahrhundert noch in eher prekären Verhältnissen. Ohne eigene Konzession für seinen Aufenthalt in Dresden war er als „Judenbedienter“ auf den Schutz anderer, konzessionierter Juden, für die er arbeitete, angewiesen. Abraham Wallerstein war daher erst für den 1756 konzessionierten Juden Nathan Eibschütz als Silberaufkäufer tätig und später im Handelsgeschäft seines 1762 mit einer Kammerkonzession versehenen Schwiegervaters Lippmann Pollack. Sein Sohn Gawriel, Wallersteins Vater, schaffte es, sich in Dresden ein eigenes Geschäft aufzubauen. Von seinen fünf Söhnen arbeiteten vier als Lotteriekollekteure in Dresden. Der zweitälteste von ihnen, Wallerstein, stieg sogar zum Lotteriehauptkollekteur auf. Die Erlaubnis, Lotteriescheine verkaufen zu dürfen, war damals Privileg und Risiko zugleich. Bisher ist nicht bekannt, für welche Lotterien die Wallersteins tätig waren. Aber es gab seit dem 18. Jahrhundert ein strenges Reglement für deren Betrieb. Lotterien waren weitgehend in staatlicher oder kurfürstlicher Hand und dienten primär dazu, Geld in die Stadt- oder Staatskasse zu bekommen, um Kriegskosten auszugleichen oder soziale Aufgaben zu finanzieren. Besonders beliebt waren Lotterien zugunsten von Armen- und Zuchtanstalten. Meist waren die Loskosten so hoch, dass nur vermögende Personen in der Lage waren, sich an diesem Glücksspiel zu beteiligen. Den Verkauf der Lose übernahmen bevollmächtigte Lotteriekollekteure. Diese mussten einerseits finanziell in der Lage sein, Lose zum Verkauf zu erwerben, und andererseits benötigten sie eine Erlaubnis, um diese Lose weiterverkaufen zu dürfen. Solche Lizenzen wurden nur an Personen vergeben, die als finanzmächtig, glaubwürdig und zuverlässig galten. Oft handelte es sich dabei um ehemalige Offiziere der sächsischen Armee. Aber auch für zahlreiche Juden, denen der Zugang zu vielen anderen Berufen verschlossen blieb, stellte der Verkauf von Lotterielosen eine wichtige Einnahmequelle dar. Bei ihnen wurde bei der Erteilung der Erlaubnis zudem noch darauf geachtet, dass sie ein gutes Renommee besaßen und ihr Aufenthaltsstatus in Dresden geklärt war, sie also mit einer Konzession legalisiert waren. Die Kollekteure verdienten an den Schreibgebühren, Provisionen und Gewinnbeteiligungen der Lose. Sie trugen aber auch das Risiko, wenn es ihnen nicht gelang, genügend Lose zu verkaufen, die sie ja vorab bezahlen mussten. Das zeigt beispielhaft das Schicksal eines der Brüder Wallersteins: Der sehr erfolgreiche Bankier und Lotteriekollekteur David Wallerstein nahm sich 1878 nach dem Bankrott seines Geschäfts in Dresden das Leben. Wallerstein wiederum erreichte mit seinem Lotterie- und Bankgeschäft eine angesehene Stellung in der Gesellschaft. Er engagierte sich zudem in der jüdischen Gemeinde als Vorsteher des Vereins für Krankenpflege (Bikkur Cholim) sowie als Vorsteher der Verpflegungskasse für fremde Arme. 1839 stiftete Wallerstein gemeinsam mit seinem Bruder Levi 600 Taler für den Bau der Sempersynagoge. Später gewährte er weitere 200 Taler als Kredit für dieses Bauprojekt. Mit solchen Privatkrediten konnte verhindert werden, dass das neu errichtete Gebäude aus Geldmangel versteigert werden musste. – Mit seiner zweiten Frau Henriette hatte Wallerstein mindestens zwölf Kinder, von denen sechs bereits im Kindesalter starben. Ein weiterer Sohn, Gustav, starb im Alter von 19 Jahren, während er gerade seine Handelslehre in Leipzig absolvierte. Ebenfalls erst 19-jährig verstarb seine Tochter Johanne. Zwei seiner Söhne, [Anton # 27933] und Joseph, traten in die Fußstapfen des Vaters und wurden wie er Lotteriekollekteure und Bankiers. Sohn Adolf hingegen eröffnete eine Schirmfabrikation und [Isidor Gabriel # 1037558987] unterhielt einen Buch- und Postkartenverlag in Dresden, was durch die Liberalisierung der sächsischen Judenpolitik möglich geworden war. – Als Wallerstein 1868 im Alter von 79 Jahren in Dresden starb, fand er seine letzte Ruhestätte auf dem neu angelegten Israelitischen Friedhof in dem späteren Dresdner Stadtteil Johannstadt. Dies war eine bewusste Entscheidung der Familie, denn eine Beerdigung auf dem bisherigen Friedhof in der Dresdner Äußeren Neustadt, der 1869 geschlossen werden sollte, hätte bedeutet, dass seine Witwe später nicht an seiner Seite hätte bestattet werden können. Somit war Wallerstein der erste, der auf dem neuen Friedhof seine letzte Ruhestätte fand. Vielleicht war diese besondere Grabstätte aber auch eine Ehrenbezeigung seitens der Gemeinde. Jedenfalls wurde auf seinem Grabstein ausdrücklich vermerkt, dass es sich um den ersten Denkstein des neuen Friedhofs handelte. Fast zwei Jahre lang blieb die Beerdigung Wallersteins die einzige auf diesem Friedhof. Das Begräbnis fand mit großer öffentlicher Anteilnahme statt und noch heute kündet die Inschrift des Grabsteins von dem Respekt, dem man ihm entgegengebracht hat.

Quellen Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem, G5/ 976 RSA - J 976; HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Archiv, Gesamtdokumentation des Alten Jüdischen Friedhofes in Dresden an der Pulsnitzer Str. 12, Gesamtdokumentation des Neuen Israelitischen Friedhofes in Dresden auf der Fiedlerstr. 3; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc 00581/02: Die Einschränkung der Anzahl der Juden und deren Gewerbes in der Residenzstadt Dresden, auch die von selbigen zu entrichtende Personensteuer, Bd. 1; Dresdner Journal 8.12.1865, S. 1157; A Jewish Youth in Dresden. The Diary of Louis Lesser, 1833-1837, hrsg. von Christopher R. Friedrichs, Bethesda 2011; epidat - epigraphische Datenbank.

Literatur Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886; ders., Ein Halbjahrhundert in der israelitischen Religionsgemeinschaft zu Dresden. Erlebtes und Erlesenes, Dresden 1890; Christoph R. Friedrichs, Jüdische Jugend im Biedermeier. Ein unbekanntes Tagebuch aus Dresden 1833-1837, Baalsdorf 1997; Der Alte Jüdische Friedhof in Dresden - …daß wir uns unterwinden, um eine Grabestätte fußfälligst anzuflehen…, hrsg. von HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Teetz 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - Jüdisches Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Helge Heinz Heinker, Hoher Einsatz und großer Gewinn für Sachsen. Ein historisches Panorama zum 300. Jahrestag der Lotterien in Sachsen, Dresden 2013; Wiebke Lutze, „das wirksamste Mittel“. Juden als Lotterieeinnehmer in Mecklenburg-Schwerin, in: Archivalie des Monats Januar 2020, hrsg. vom Landesarchiv Mecklenburg-Vorpommern, 2020; Heike Liebsch (Hg.), Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden, Leipzig 2021; Joachim Albrecht, Die Wiederbesiedelung Dresdens durch Juden um die Zeit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert [Ms.].

Heike Liebsch
8.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Heike Liebsch, Artikel: Salomon Gabriel Wallerstein,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27936 [Zugriff 30.10.2025].

Salomon Gabriel Wallerstein



Quellen Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem, G5/ 976 RSA - J 976; HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Archiv, Gesamtdokumentation des Alten Jüdischen Friedhofes in Dresden an der Pulsnitzer Str. 12, Gesamtdokumentation des Neuen Israelitischen Friedhofes in Dresden auf der Fiedlerstr. 3; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc 00581/02: Die Einschränkung der Anzahl der Juden und deren Gewerbes in der Residenzstadt Dresden, auch die von selbigen zu entrichtende Personensteuer, Bd. 1; Dresdner Journal 8.12.1865, S. 1157; A Jewish Youth in Dresden. The Diary of Louis Lesser, 1833-1837, hrsg. von Christopher R. Friedrichs, Bethesda 2011; epidat - epigraphische Datenbank.

Literatur Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886; ders., Ein Halbjahrhundert in der israelitischen Religionsgemeinschaft zu Dresden. Erlebtes und Erlesenes, Dresden 1890; Christoph R. Friedrichs, Jüdische Jugend im Biedermeier. Ein unbekanntes Tagebuch aus Dresden 1833-1837, Baalsdorf 1997; Der Alte Jüdische Friedhof in Dresden - …daß wir uns unterwinden, um eine Grabestätte fußfälligst anzuflehen…, hrsg. von HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Teetz 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - Jüdisches Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Helge Heinz Heinker, Hoher Einsatz und großer Gewinn für Sachsen. Ein historisches Panorama zum 300. Jahrestag der Lotterien in Sachsen, Dresden 2013; Wiebke Lutze, „das wirksamste Mittel“. Juden als Lotterieeinnehmer in Mecklenburg-Schwerin, in: Archivalie des Monats Januar 2020, hrsg. vom Landesarchiv Mecklenburg-Vorpommern, 2020; Heike Liebsch (Hg.), Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden, Leipzig 2021; Joachim Albrecht, Die Wiederbesiedelung Dresdens durch Juden um die Zeit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert [Ms.].

Heike Liebsch
8.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Heike Liebsch, Artikel: Salomon Gabriel Wallerstein,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27936 [Zugriff 30.10.2025].