Erwin Thiele
T. war insbesondere in der DDR ein erfolgreicher Pianist, Komponist und Leiter eines eigenen Tanzmusik-Orchesters. Er komponierte hauptsächlich Orchester- und Unterhaltungsmusik, später auch zahlreiche Kinder- und Jugendlieder. – 1908 bis 1916 besuchte T. die Volksschule, danach bis 1923 das Lehrerseminar in Bautzen (sorb. Budyšin), wo er auch eine Ausbildung in Orgelspiel, Klavier und Geige erhielt. Nach erfolgreichem Seminarabschluss folgten zwei Jahre Tätigkeit als Lehrer im Raum Zittau (sorb. Žitawa) (1923-1925). 1925 begann T. ein Studium am Konservatorium in Leipzig, u.a. bei Robert Teichmüller (Klavier) und
Erwin Paul (Theorie). Gleichzeitig studierte er Musikwissenschaft und Germanistik an der Universität Leipzig. Um Studium und Lebensunterhalt - auch den seiner inzwischen alleinstehenden Mutter - zu finanzieren, arbeitete T. nebenbei als Pianist in Unterhaltungs- und Tanzmusik-Orchestern. Im Winter 1930/31 nahm er ein Engagement als Pianist auf dem Kreuzfahrtschiff „Monte Olivia“ an. Nach seiner Rückkehr brach er das Studium in Leipzig aus finanziellen Gründen ab und arbeitete mit bekannten Tanz- und v.a. Unterhaltungsmusik-Ensembles zusammen. Ab ca. 1936 leitete T. seine eigene Kapelle und spielte jahrelang in erstklassigen Häusern (Hotels, Restaurants, Kurbädern) in Deutschland und Österreich. 1942 erfolgte die Einberufung zum Militärdienst, vorerst zur sog. Frontbühne nach und durch Frankreich bis zur Atlantikküste. 1943 wurde er nach Finnland abkommandiert - ohne Bühne und Musik. Unmittelbar vor Kriegsende, soeben aus dem Heimaturlaub in der Oberlausitz zurückgekehrt an die Front, geriet er im Mai 1945 in fast fünf Jahre dauernde sowjetische Kriegsgefangenschaft, die er in Lagern und Bergwerken u.a. in Georgien (Tkibuli, Tbilissi) und in Aserbaidschan (Baku) verbringen musste. Dort erhielt er die Möglichkeit, in bescheidenen Gefangenen-Theatergruppen mit kleinem Chor und „Orchester“ mitzuwirken. Das bedeutete aber auch eine (straffreie) Gelegenheit, Selbstkomponiertes und -arrangiertes aufzuführen. 1949 erfolgte die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in die DDR. Seine Mutter war inzwischen verstorben, die Wohnung beschlagnahmt, Inventar und einstiges Eigentum nur noch in Fragmenten auffindbar. Seit Sommer 1950 bis zu seinem Tod 1975 hatte T. seinen Wohnsitz in Radebeul, wo er auch mit seiner späteren Familie lebte. Hier unternahm er nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft den Neuanfang als Pianist und Leiter seines eigenen Unterhaltungs- und Tanzmusik-Orchesters, spezialisiert auf Tanzturnierbegleitung auf höchstem Niveau, zu nationalen und internationalen Turnieren. Bei großen gesellschaftlichen Veranstaltungen (von Instituten, Kommunen, zu Jubiläen), wo v.a. ein hoher Anteil konzertanter Musik gefragt war, wurde das Erwin-Thiele-Ensemble erweitert, hauptsächlich durch Streicher aus dem klassischen Bereich. T. war nicht nur als Pianist und Leiter seines Tanzmusik-Orchesters sehr erfolgreich und in der Musikszene bekannt und anerkannt, sondern auch als Komponist zahlreicher Arrangements für sein eigenes Orchesterprogramm, aber auch für Rundfunkaufnahmen, für kleine und große Orchesterbesetzungen, Ensembles und Chöre. Hauptsächlich komponierte er Unterhaltungsmusik, bevorzugt für Streicherbesetzung. Später entstanden als Auftragswerke zahlreiche Kinder- und Jugendlieder, vorrangig aus Anlässen wie Pionier- und Jugendtreffen. Als bekanntestes Massenlied erschien anlässlich des Deutschlandtreffens der Jugend 1964 in Berlin „Jungen und Mädchen, wir fahren nach Berlin“. – Seit 1953 war T. Mitglied im Komponistenverband der DDR; er war Vorstandsmitglied und Leiter der Sektion Tanzmusik des Bezirks Dresden, wobei er eng mit dem Dresdner Bezirkskabinett für Kulturarbeit sowie mit dem Kreiskabinett Freital zusammenarbeitete. T. gehörte zur Jury eines Gremiums, das die Qualitätsprüfung und Einstufung junger Laien-Tanzmusikkapellen/-combos vornahm und gegebenenfalls bei der Qualifizierung behilflich war. Das Erwin-Thiele-Ensemble wurde im September 1970 auf dem 5. Internationalen Kolloquium Europäischer Bürgermeister und Kommunalpolitiker und im Mai 1974 auf dem 7. Kolloquium ausgezeichnet. Außerdem erhielt T. Ehrenurkunden und Ehrennadeln verschiedener Tanzturnierveranstalter sowie 1974 die Medaille für Verdienste im künstlerischen Volksschaffen der DDR.
Quellen Familienarchiv Thiele.
Werke Heimweh, für Männerchor, Lied aus der Kriegsgefangenschaft, Baku 1946; Legionärsheimweh, für gemischten Chor, Text W. Giertz, 1946; Das Lied von der Elbe, für Frauenchor, Text G. Scholz, ca. 1949/50; Heimatlied, für 3-stimmigen Jugendchor, Text A. Geissler; Thema mit Variationen für 2 Violinen und Viola, aufgenommen vom Landessender Dresden, 1950; Am Ufer, Intermezzo für kleines und großes Orchester, u.a. für Weimarer Orchestergemeinschaft, 1950; Wiener Schnitzel, Walzerszenen für Streichorchester und Klavier, 1952; Lustige alte Bekannte, Bearbeitung alter Schlagermelodien für Streichorchester, 1952; Heiteres Spiel, für Soloflöte und Streichorchester; Deutscher Tanz 1, 2, 3, für Streichorchester; Tänzerische Impressionen, für großes Orchester; Ukrainischer Walzer, für großes Orchester; Jung und verliebt, für großes Orchester, Valce caprice, 1956; Am Ufer, Lyrisches Intermezzo für großes Orchester; Graziöse Miniatur; Serenade in Moll, für Solistenensemble; Am Ufer der Newa; Weiße Nächte über Leningrad, Präludium und graziöser Marsch; Frohe Gedanken, ca. 1956; Charmantes Erlebnis, ca. 1956; Serenade für Monika, 1960; Wir lieben das Leben, aus „Goldene Note“, Text G. Pauls, 1960; Jungen und Mädchen, wir fahren nach Berlin, anlässlich des Deutschlandtreffens der Jugend in Berlin, Text K.-H. Thiele, 1964; In Leipzig ist Messe, Walzerlied anlässlich des Jubiläums „800 Jahre Messestadt“, Text G. Kremnitz, 1965; Vorwärts, Freie Deutsche Jugend, Text K.-H. Thiele, 1966/67; Lob des Lernens, in: Frösi. Pioniermagazin für Mädchen und Jungen der DDR, 1975/76; Maiwind bläst, Jugendmarschlied, Text W. Stranka; Monte Olivia, Tango; Antonio, Samba; Souvenir de Krakow, Langsamer Walzer; Wenn droben am Himmel, Langsamer Walzer.
Porträt Erwin T., Fotografie, Familienbesitz Thiele (Bildquelle).
Monika Thiele
26.5.2015
Empfohlene Zitierweise:
Monika Thiele, Artikel: Erwin Thiele,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27493 [Zugriff 20.12.2024].
Erwin Thiele
Quellen Familienarchiv Thiele.
Werke Heimweh, für Männerchor, Lied aus der Kriegsgefangenschaft, Baku 1946; Legionärsheimweh, für gemischten Chor, Text W. Giertz, 1946; Das Lied von der Elbe, für Frauenchor, Text G. Scholz, ca. 1949/50; Heimatlied, für 3-stimmigen Jugendchor, Text A. Geissler; Thema mit Variationen für 2 Violinen und Viola, aufgenommen vom Landessender Dresden, 1950; Am Ufer, Intermezzo für kleines und großes Orchester, u.a. für Weimarer Orchestergemeinschaft, 1950; Wiener Schnitzel, Walzerszenen für Streichorchester und Klavier, 1952; Lustige alte Bekannte, Bearbeitung alter Schlagermelodien für Streichorchester, 1952; Heiteres Spiel, für Soloflöte und Streichorchester; Deutscher Tanz 1, 2, 3, für Streichorchester; Tänzerische Impressionen, für großes Orchester; Ukrainischer Walzer, für großes Orchester; Jung und verliebt, für großes Orchester, Valce caprice, 1956; Am Ufer, Lyrisches Intermezzo für großes Orchester; Graziöse Miniatur; Serenade in Moll, für Solistenensemble; Am Ufer der Newa; Weiße Nächte über Leningrad, Präludium und graziöser Marsch; Frohe Gedanken, ca. 1956; Charmantes Erlebnis, ca. 1956; Serenade für Monika, 1960; Wir lieben das Leben, aus „Goldene Note“, Text G. Pauls, 1960; Jungen und Mädchen, wir fahren nach Berlin, anlässlich des Deutschlandtreffens der Jugend in Berlin, Text K.-H. Thiele, 1964; In Leipzig ist Messe, Walzerlied anlässlich des Jubiläums „800 Jahre Messestadt“, Text G. Kremnitz, 1965; Vorwärts, Freie Deutsche Jugend, Text K.-H. Thiele, 1966/67; Lob des Lernens, in: Frösi. Pioniermagazin für Mädchen und Jungen der DDR, 1975/76; Maiwind bläst, Jugendmarschlied, Text W. Stranka; Monte Olivia, Tango; Antonio, Samba; Souvenir de Krakow, Langsamer Walzer; Wenn droben am Himmel, Langsamer Walzer.
Porträt Erwin T., Fotografie, Familienbesitz Thiele (Bildquelle).
Monika Thiele
26.5.2015
Empfohlene Zitierweise:
Monika Thiele, Artikel: Erwin Thiele,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27493 [Zugriff 20.12.2024].