Johann Frauenburg
F. erlangte neben seiner Bedeutung für die Stadt Görlitz Bekanntheit v.a. durch sein literarisches Schaffen. Er hinterließ einen sog. Bürgermeisterspiegel, Amtstagebücher und Gedichte. – F. studierte seit 1451 in Leipzig, wo er 1454 den Grad eines Bakkalaureus und 1457 den eines Magisters erwarb. Hier traf er auch mit den Görlitzer Bürgern
Andreas Rüdiger (Rektor),
Johann und
Hieronymus Schwofheim sowie
Georg Emerich zusammen, die für seine weitere Karriere wichtig werden sollten. Wohl durch die Fürsprache des Letzteren erhielt F. 1462 in Görlitz, wo er vielleicht schon seit 1457 tätig war, die Stelle des Schulrektors. Seit 1463 war er im Nebenamt in der Görlitzer Kanzlei tätig, bevor er ab 1465 hauptamtlich die Nachfolge von Johann Bereit, gen. von Jüterbog, im Stadtschreiberamt antrat. 1469 wurde F. Ratsherr, 1473 erstmals Schöffe sowie 1474 und 1478 Bürgermeister; 1482 zog er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Rat zurück. – F.s. Verdienste sind v.a. im Ausbau und der Rationalisierung der Görlitzer Kanzlei und in seinem vehementen Eintreten für die Interessen der Stadt zu sehen. Er verstand es, die Privilegien der Stadt zu schützen. Dies galt besonders in den außenpolitisch schwierigen Jahren, als sich die Stadt Görlitz 1467 vom mittlerweile exkommunizierten Landesherrn, dem böhmischen König
Georg Podiebrad, lossagte und die böhmischen Thronstreitigkeiten ausbrachen. Die mit der außenpolitischen Situation im Zusammenhang stehende sog. Pulververschwörung endete in Görlitz mit der Verbannung bzw. Hinrichtung der Beteiligten, zu denen auch Angehörige von Ratsfamilien zählten. Für das scharfe Vorgehen gegen die politischen Gegner soll v.a. F. verantwortlich gewesen sein. – Aufgrund von F.s. reger Tätigkeit in der Görlitzer Kanzlei ist aus seiner Hand nicht nur das übliche Geschäftsschriftgut wie Briefe, Gerichtsprotokolle, Stadtbücher usw. überliefert. Er verfasste zudem ein „Secretarium“, eine Art Tagebuch (1470-1480), sowie ein „Diarium“, ein richterliches Tagebuch (1457-1477). Zudem schrieb er Gedichte und den berühmten „Bürgermeisterspiegel“ („Wy sich eyn Burgermeister by seinem Regiment einnemen vnnd an seiner personn vnnd thun haldenn sal“), in welchem er sich u.a. auf
Platon,
Aristoteles,
Cicero und Papst
Pius II. (Aeneas Silvius Piccolomini) berief und wo er die Frömmigkeit und Gerechtigkeit im Dienst des Gemeinen Nutzens als die höchsten Ziele des hohen Politikers pries.
Quellen Codex diplomaticus Lusatiae superioris, Bd. 6: Oberlausitzer Urkunden unter König Georg Podjebrad, H. 1: 1458-1463, Görlitz 1931, S. 249.
Werke Diarium, Görlitz 1457-1477, Ratsarchiv Görlitz, Varia 224; Sammlung Magdeburger Schöffensprüche, Staatsbibliothek Berlin, Handschrift Preußischer Kulturbesitz Nr. 79; M. Johannes Frawenburg’s Anweisung, wie sich ein Bürgermeister unter seinem Amacht halten soll, hrsg. von J. K. O. Jancke, in: Neues Lausitzisches Magazin 23/1846, S. 1-28; Handschriftliches von Magister F., in: ebd. 33/1857, S. 281; Ein Liebesgedicht von Mgr. Johann F., in: ebd. 43/1866, S. 435f.; Das Tagebuch des Görlitzischen Stadtschreibers Johannes F. 1470-1480, hrsg. von M. O. Sauppe, in: ebd. 65/1889, S. 151-189; Die Pflichten eines mittelalterlichen Bürgermeisters. Instruktion eines Görlitzer Bürgermeisters, verfasst 1476 vom Stadtschreiber Johannes F., hrsg. von R. Jecht, in: Deutsche Geschichtsblätter 10/1909, S. 89-102; W. Preusler, Ein Gedicht Johann F.s?, in: Neues Lausitzisches Magazin 117/1941, S. 68-70.
Literatur J. K. O. Jancke, M. F., in: Neues Lausitzisches Magazin 19/1841, S. 174-183; R. Jecht, Quellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis 1600, Görlitz 1909, S. 231; ders., Die Grabsteine, Epitaphien und Gedächtnisfahnen in der Görlitzer Klosterkirche, in: Neues Lausitzisches Magazin 86/1910, S. 162-188; ders., In welchen Häusern wohnten die berühmten Görlitzer: Johannes F., Georg Emerich, Benigna Horschelin, Agnes Fingerin, Hans Frenzel, Johannes Haß, Bartholomäus Scultetus, Jakob Böhme, Karl Gottlob von Anton?, in: ebd. 89/1913, S. 214-222; ders., Geschichte der Stadt Görlitz, Bd. 1.1, Görlitz 1926, S. 197-203, 227-231, Bd. 1.2, Görlitz 1927-1934; E. Isenmann, Ratsliteratur und städtische Ratsordnungen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: P. Monnet/O. G. Oexle (Hg.), Stadt und Recht im Mittelalter, Göttingen 2003, S. 215-479; V. Honemann, Kanzlei, Stadt und Kultur im Leben und Werk des Johann F. von Görlitz, in: R. Suntrup/J. R. Veenstra (Hg.), Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit. City Culture and Urban Chanceries in an Era of Change, Frankfurt/Main 2004, S. 47-70; H. Bierschwale/J. van Leeuwen, Wie man eine Stadt regieren soll, Frankfurt/Main 2005, S. 33f.; C. Speer, Frömmigkeit und Politik, Berlin 2011. – W. Stammler (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin 1933, Sp. 640-643; K. Ruh (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin/New York ²1981, Sp. 861f.
Christian Speer
14.4.2014
Empfohlene Zitierweise:
Christian Speer, Artikel: Johann Frauenburg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1497 [Zugriff 19.11.2024].
Johann Frauenburg
Quellen Codex diplomaticus Lusatiae superioris, Bd. 6: Oberlausitzer Urkunden unter König Georg Podjebrad, H. 1: 1458-1463, Görlitz 1931, S. 249.
Werke Diarium, Görlitz 1457-1477, Ratsarchiv Görlitz, Varia 224; Sammlung Magdeburger Schöffensprüche, Staatsbibliothek Berlin, Handschrift Preußischer Kulturbesitz Nr. 79; M. Johannes Frawenburg’s Anweisung, wie sich ein Bürgermeister unter seinem Amacht halten soll, hrsg. von J. K. O. Jancke, in: Neues Lausitzisches Magazin 23/1846, S. 1-28; Handschriftliches von Magister F., in: ebd. 33/1857, S. 281; Ein Liebesgedicht von Mgr. Johann F., in: ebd. 43/1866, S. 435f.; Das Tagebuch des Görlitzischen Stadtschreibers Johannes F. 1470-1480, hrsg. von M. O. Sauppe, in: ebd. 65/1889, S. 151-189; Die Pflichten eines mittelalterlichen Bürgermeisters. Instruktion eines Görlitzer Bürgermeisters, verfasst 1476 vom Stadtschreiber Johannes F., hrsg. von R. Jecht, in: Deutsche Geschichtsblätter 10/1909, S. 89-102; W. Preusler, Ein Gedicht Johann F.s?, in: Neues Lausitzisches Magazin 117/1941, S. 68-70.
Literatur J. K. O. Jancke, M. F., in: Neues Lausitzisches Magazin 19/1841, S. 174-183; R. Jecht, Quellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis 1600, Görlitz 1909, S. 231; ders., Die Grabsteine, Epitaphien und Gedächtnisfahnen in der Görlitzer Klosterkirche, in: Neues Lausitzisches Magazin 86/1910, S. 162-188; ders., In welchen Häusern wohnten die berühmten Görlitzer: Johannes F., Georg Emerich, Benigna Horschelin, Agnes Fingerin, Hans Frenzel, Johannes Haß, Bartholomäus Scultetus, Jakob Böhme, Karl Gottlob von Anton?, in: ebd. 89/1913, S. 214-222; ders., Geschichte der Stadt Görlitz, Bd. 1.1, Görlitz 1926, S. 197-203, 227-231, Bd. 1.2, Görlitz 1927-1934; E. Isenmann, Ratsliteratur und städtische Ratsordnungen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: P. Monnet/O. G. Oexle (Hg.), Stadt und Recht im Mittelalter, Göttingen 2003, S. 215-479; V. Honemann, Kanzlei, Stadt und Kultur im Leben und Werk des Johann F. von Görlitz, in: R. Suntrup/J. R. Veenstra (Hg.), Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit. City Culture and Urban Chanceries in an Era of Change, Frankfurt/Main 2004, S. 47-70; H. Bierschwale/J. van Leeuwen, Wie man eine Stadt regieren soll, Frankfurt/Main 2005, S. 33f.; C. Speer, Frömmigkeit und Politik, Berlin 2011. – W. Stammler (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin 1933, Sp. 640-643; K. Ruh (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin/New York ²1981, Sp. 861f.
Christian Speer
14.4.2014
Empfohlene Zitierweise:
Christian Speer, Artikel: Johann Frauenburg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1497 [Zugriff 19.11.2024].