Georg Beutel
B. wuchs nach dem frühen Tod seines Vaters im Vogtland auf und besuchte dort die Schule. Anschließend studierte er in Berlin und Leipzig Geschichte, wo Heinrich von Treitschke zu jenen Professoren gehörte, die einen besonders prägenden Einfluss auf B. ausübten. Im Frühjahr 1888 schloss er sein Studium mit einer Dissertation über den „Ursprung des Augsburger Interims“ an der Universität Leipzig ab und trat im Mai 1888 als Assistent beim Ratsarchiv und der Stadtbibliothek in die Dienste der Stadt Dresden. Unter der fachkundigen Leitung von Ratsarchivar Otto Richter war B. in seinen ersten Dienstjahren v.a. für die Stadtbibliothek zuständig. Zunehmend beteiligte er sich auch an der Einrichtung des Stadtmuseums und der ersten Inventarisierung der Ausstellungsobjekte. Um die Jahrhundertwende bildeten für B., der 1896 als zweiter Archivar zum offiziellen Stellvertreter Richters ernannt wurde, die Führung der Stadtchronik und die Verzeichnung von Akten eingemeindeter Vororte Arbeitsschwerpunkte. Als aktives Mitglied des Vereins für Geschichte Dresdens veröffentlichte B. mehrere wissenschaftliche Aufsätze, die in der Viertelmonatsschrift „Dresdner Geschichtsblätter“ oder den „Mitteilungen des Vereins für Geschichte“ erschienen. Hervorzuheben sind hier „Dresdner Bürgersoldaten des 19. Jahrhunderts“ und „Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten“ mit biografischen Angaben zu den vorgestellten Persönlichkeiten. Nach dem Ausscheiden Richters aus städtischen Diensten und als Vorsitzender des Vereins für Geschichte Dresdens übernahm B. im Januar 1913 für ein Jahr den Vereinsvorsitz, ließ sich jedoch im Januar 1914 nicht wiederwählen. Seit Ende 1914 übte er die Funktion des geschäftsführenden Vorsitzenden der Ortsgruppe Dresden des Alldeutschen Verbands aus (in Vertretung des zum Kriegsdienst einberufenen, gewählten ersten Vorsitzenden
Paul Martiny). Dieser Aufgabe konnte sich B. nun auch intensiver widmen, da er nach dem Ausscheiden Richters und im Zuge der Zusammenlegung von Ratsarchiv, Stadtbibliothek und Stadtmuseum zu den Städtischen Sammlungen unter Leitung des Kunsthistorikers Georg Minde-Pouet ebenfalls noch 1913 aus städtischen Diensten ausgeschieden war. Minde-Pouet legte den Schwerpunkt seines Wirkens auf kunstgeschichtliche Aspekte und hatte zudem die bisherige Arbeit von Ratsarchiv und Stadtbibliothek stark kritisiert, was den Rat der Stadt im Oktober 1913 dazu veranlasst hatte, die Stelle des Ratsarchivars künftig einzusparen. B. konnte nun weder auf Richters Position nachrücken, noch sah er in der neuen Konstellation und Leitung offensichtlich eine berufliche Perspektive für sich. Zum Alldeutschen Verband fand B. bereits vor Gründung einer Ortsgruppe in Dresden im Januar 1897, wobei ihn wie viele Vertreter seiner akademischen Generation die Vorlesungen von Treitschke und das Studium der „Alldeutschen Blätter“ zum Beitritt in diese nationalistische Organisation bewegt haben dürften. Ab 1919 gewählter erster Vorsitzender der Ortsgruppe Dresden des Alldeutschen Verbands, stand B. während der Zeit der Weimarer Republik und bis Ende 1933 an deren Spitze. Bis zur unfreiwilligen Auflösung des Verbands im März 1939 war B. Ehrenvorsitzender der Ortsgruppe Dresden und sorgte noch dafür, dass deren Vereinsakten geschlossen in das Stadtarchiv Dresden gelangten. Nach zehnjähriger Unterbrechung war B. ab 1923 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im April 1930 wieder für acht Jahre im Ratsarchiv und der Stadtbibliothek als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter tätig. Bereits 1917 war es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Stadtverwaltung und Minde-Pouet gekommen, in dessen Folge dieser aus dem Amt schied. Seitdem wurde das Ratsarchiv in Personalunion vom Direktor der Stadtbibliothek Georg Hermann Müller geleitet, der B. als erfahrenen Fachmann gern wieder beschäftigte. – B.s Leistungen als Bearbeiter zahlreicher Aktenbestände sowie seine orts- und heimatgeschichtlichen Veröffentlichungen sind bis heute unumstritten und haben Bestand für die Stadtgeschichte. Andererseits muss er als einer der führenden Köpfe einer radikalen, antisemitischen und ultranationalistischen Organisation in Dresden betrachtet werden, die einen nicht zu unterschätzenden Beitrag als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus leistete.
Quellen Stadtarchiv Dresden, Alldeutscher Verband, Ortsgruppe Dresden und Oberelbgau.
Werke Der Ursprung des Augsburger Interims, Diss. Leipzig 1888; Das prinzliche Grundstück in der Zinzendorfstraße, in: Dresdner Geschichtsblätter 4/1894, S. 153-163; Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten, Dresden 1908; Tiecks Vorlesungen in Dresden, in: Dresdner Geschichtsblätter 4/1913, S. 57-68; Dresdner Bürgersoldaten des 19. Jahrhunderts, Dresden 1926; Die Bürgerwiese zu Dresden, Dresden 1938.
Literatur Dresdner Nachrichten 31.3.1930 (Abendausgabe), S. 2; G. Kolditz, Entwicklungen und Leistungen des Vereins für Geschichte Dresdens von 1869 bis 1945, in: Dresdner Hefte, Sonderheft 1992, S. 10; ders., Zur Geschichte des Stadtarchivs Dresden, in: K. Tauscher (Red.), Das Stadtarchiv Dresden und seine Bestände, Dresden 1995. – DBA III; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2, München/London/New York/Paris 1992, S. 63.
Gerald Kolditz
8.9.2006
Empfohlene Zitierweise:
Gerald Kolditz, Artikel: Georg Beutel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16788 [Zugriff 19.11.2024].
Georg Beutel
Quellen Stadtarchiv Dresden, Alldeutscher Verband, Ortsgruppe Dresden und Oberelbgau.
Werke Der Ursprung des Augsburger Interims, Diss. Leipzig 1888; Das prinzliche Grundstück in der Zinzendorfstraße, in: Dresdner Geschichtsblätter 4/1894, S. 153-163; Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten, Dresden 1908; Tiecks Vorlesungen in Dresden, in: Dresdner Geschichtsblätter 4/1913, S. 57-68; Dresdner Bürgersoldaten des 19. Jahrhunderts, Dresden 1926; Die Bürgerwiese zu Dresden, Dresden 1938.
Literatur Dresdner Nachrichten 31.3.1930 (Abendausgabe), S. 2; G. Kolditz, Entwicklungen und Leistungen des Vereins für Geschichte Dresdens von 1869 bis 1945, in: Dresdner Hefte, Sonderheft 1992, S. 10; ders., Zur Geschichte des Stadtarchivs Dresden, in: K. Tauscher (Red.), Das Stadtarchiv Dresden und seine Bestände, Dresden 1995. – DBA III; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2, München/London/New York/Paris 1992, S. 63.
Gerald Kolditz
8.9.2006
Empfohlene Zitierweise:
Gerald Kolditz, Artikel: Georg Beutel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16788 [Zugriff 19.11.2024].