Johannes Müller

M. war von Juli bis Oktober 1945 Oberbürgermeister von Dresden. Im Mittelpunkt seines Wirkens stand das Bemühen um weitere Normalisierung des Lebens nach dem Zweiten Weltkrieg. – M. studierte nach Abschluss des Königlichen Gymnasiums zu Dresden-Neustadt ab 1912 Rechtswissenschaften an den Universitäten in Genf, München und Berlin. Im Ersten Weltkrieg diente er 1914 bis 1918 als Leutnant. Anschließend setzte er das Studium in Leipzig fort. 1919 legte er das erste, 1922 das zweite juristische Staatsexamen ab, nachdem er bereits 1920 zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert hatte. 1925 erfolgte M.s Ernennung zum Amtsgerichtsrat; bis 1927 war er als Richter am Amtsgericht Dresden tätig. Vom Justizdienst beurlaubt, wirkte er 1928 bis 1931 als Syndikus bei der AG Sächsische Werke in Dresden. 1932 wurde er Hilfsrichter zunächst am Oberlandesgericht Dresden, dann am Reichsgericht in Leipzig. Als Landgerichtsdirektor leitete er 1933 die 18. Zivilkammer am Landgericht Dresden. Die vom Präsidenten des Reichsgerichts 1936 vorgeschlagene Beförderung M.s zum Reichsgerichtsrat wurde abgelehnt, weil seine Ehefrau Jüdin war. Entsprechend dem Deutschen Beamtengesetz vom 26.1.1937 wurde er dem Amtsgericht Dresden zugewiesen und von jeglicher spruchrichterlicher Tätigkeit entbunden. Bis 1944 arbeitete M. im Grundbuchamt, dann in der metallverarbeitenden Firma Louis Herrmann in Dresden. Bei den Luftangriffen auf Dresden am 13./14. Februar 1945 wurde seine Wohnung völlig zerstört. Er fand mit seiner Familie Unterkunft in Borna, Landkreis Pirna, und war vorübergehend Lagerarbeiter in einer Werkzeugmaschinenfabrik. – Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog er wieder nach Dresden, wo „antifaschistische Kräfte“ für öffentliche Ämter gesucht wurden. Da M. in der Zeit des Nationalsozialismus gemaßregelt worden war, nicht der NSDAP angehört hatte und über die erforderliche Ausbildung verfügte, wurde er im Juni Landgerichtsdirektor. In der Sitzung des Rats der Stadt am 5.7.1945 stellte der bisherige Oberbürgermeister Rudolf Friedrichs, der tags zuvor zum Präsidenten der Landesverwaltung Sachsen ernannt worden war, M. als den vom sowjetischen Stadtkommandanten bestätigten neuen Dresdner Oberbürgermeister vor. In den wöchentlichen Ratssitzungen unter M.s Leitung ging es zumeist um die Wiederherstellung eines geordneten Lebens in der Stadt, wozu u.a. die Versorgung der Dresdner sowie der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten mit Lebensmitteln, die Trümmerberäumung und der schnelle personelle Neuaufbau der Stadtverwaltung gehörten. In Verhandlungen des Oberbürgermeisters mit Vertretern der neu gegründeten bürgerlichen Parteien CDU und LDPD ging es v.a. um die Stellenbesetzung in städtischen Ämtern, wobei M. nicht immer mit der radikalen Personalpolitik der KPD übereinstimmte. Schwierigkeiten bereitete ihm auch das von Misstrauen bis Denunziation geprägte Verhalten einiger Kommunisten in der Stadt- und Landesverwaltung, besonders seines Stellvertreters und 1. Bürgermeisters Walter Weidauer. In einem Rundschreiben an alle städtischen Dienststellen vom 8.8.1945 bestand M. auf unbedingter Einhaltung des Dienstwegs für sämtliche Entscheidungen: erst zur Prüfung an die Landesverwaltung, dann zur Genehmigung an die Sowjetische Militäradministration in Sachsen. Am 22.10.1945 sprach M. in einer öffentlichen Versammlung neben Fragen des Wiederaufbaus auch über Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht. Dies gab Anlass, ihn nach nur dreimonatiger Amtszeit am 26.10.1945 mit Verfügung des 1. Vizepräsidenten der Landesverwaltung Sachsen Kurt Fischer (KPD) und im Einverständnis mit dem Chef der SMAD in Sachsen als Oberbürgermeister der Stadt Dresden abzulösen. Ab 1.1.1946 war M. Senatspräsident beim Oberlandesgericht Dresden. Von einem Urlaub in der Bundesrepublik Deutschland nicht zurückgekehrt, wurde M. zum 31.10.1949 aus dem sächsischen Justizdienst entlassen. In Frankfurt/Main arbeitete er vom 1.5.1951 bis zu seiner Pensionierung als Senatspräsident am Oberlandesgericht.

Quellen Archiv des Deutschen Liberalismus Gummersbach, Nachlass Dieckmann; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium des Innern, Ministerium der Justiz, Ministerpräsident; Stadtarchiv Dresden, Ratssitzungen, Dezernate Oberbürgermeister und Innere Verwaltung; Universitätsarchiv Leipzig, Auskunft 2002; Landeshauptstadt Dresden, Standesamt, Auskunft 2002; Magistrat Stadt Frankfurt/Main, Melderegister, Auskunft 2002.

Werke Interview mit dem Oberbürgermeister M., in: Amtliches Nachrichtenblatt des Rats der Stadt Dresden 16.7.1945, Nr. 4, S. 1.

Literatur C. Hermann, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Rudolf Friedrichs, Johannes M., Gustav Leißner, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 8, Altenburg 2002, S. 207-224 (P); T. Widera, Dresden 1945-1948, Göttingen 2004.

Porträt K. Schaarschuch, Fotografie 1945, Stadtmuseum Dresden.

Christel Hermann
2.5.2011


Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Johannes Müller,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25076 [Zugriff 19.11.2024].

Johannes Müller



Quellen Archiv des Deutschen Liberalismus Gummersbach, Nachlass Dieckmann; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium des Innern, Ministerium der Justiz, Ministerpräsident; Stadtarchiv Dresden, Ratssitzungen, Dezernate Oberbürgermeister und Innere Verwaltung; Universitätsarchiv Leipzig, Auskunft 2002; Landeshauptstadt Dresden, Standesamt, Auskunft 2002; Magistrat Stadt Frankfurt/Main, Melderegister, Auskunft 2002.

Werke Interview mit dem Oberbürgermeister M., in: Amtliches Nachrichtenblatt des Rats der Stadt Dresden 16.7.1945, Nr. 4, S. 1.

Literatur C. Hermann, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Rudolf Friedrichs, Johannes M., Gustav Leißner, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 8, Altenburg 2002, S. 207-224 (P); T. Widera, Dresden 1945-1948, Göttingen 2004.

Porträt K. Schaarschuch, Fotografie 1945, Stadtmuseum Dresden.

Christel Hermann
2.5.2011


Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Johannes Müller,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25076 [Zugriff 19.11.2024].