Lucas Cranach der Ältere

C. stammte aus dem oberfränkischen Städtchen Kronach, dessen Namen er in leichter Abwandlung für sich selbst übernahm. Über seine frühen Lebensjahre ist nur sehr wenig bekannt. Nach Abschluss seiner Ausbildung, die er vermutlich bei seinem Vater, einem ansonsten unbekannt gebliebenen Maler erhielt, muss C. seine Gesellenwanderschaft absolviert haben. Kunsthistorisch tritt er erst relativ spät in Wien, als beinahe 30-Jähriger, in Erscheinung. Die Wiener Werke zeigen ihn bereits als eigenständigen Maler mit einem ausgeprägten persönlichen Stil. Von seinen Kontakten zu den Humanisten der Wiener Universität legen großartige Bildnisse beredtes Zeugnis ab. – 1505 kam C. als Hofmaler zu Kurfürst Friedrich (der Weise) nach Wittenberg. Von Beginn an entfaltete C. hier eine außergewöhnliche künstlerische Vitalität. Schon früh beschäftigte er Gesellen, um den vielfältigen Aufgaben nachkommen zu können. Zu diesen gehörten nicht nur die Illustration höfischen Lebens und höfischer Vergnügungen wie der Jagd, die Ausstattung der kurfürstlichen Schlösser mit Gemälden religiösen, mythologischen oder historischen Inhalts und das Porträtieren der Hofgesellschaft, sondern auch profanere Pflichten wie das Entwerfen von Turnier- und Festdekorationen. – Bei Hof genoss C. das Vertrauen des Landesherrn: 1508 sandte ihn der Kurfürst in einer diplomatischen Mission in die Niederlande an das Hoflager Kaiser Maximilians zu Mecheln. Im gleichen Jahr verlieh ihm sein kurfürstlicher Dienstherr als besondere Gunstbezeigung einen Wappenbrief, der eine bekrönte, geflügelte Schlange mit Rubinring im Maul zeigt. C. verwendete das Wappentier nach 1508, zunächst noch in Verbindung mit seinem Monogramm LC, zum Signieren von Bildern. In der Folgezeit entwickelte sich die „Cranach-Schlange“ zum Markenzeichen der gesamten Cranach-Werkstatt. Um 1537 veränderte sich ihre Form, aus den stehenden Flügeln wurden liegende. Dies wird mit dem Tod des ältesten Sohnes Hans und mit dem sich dadurch verschiebenden Kräfteverhältnis innerhalb der Cranach-Werkstatt in Verbindung gebracht. – Sehr rasch gelangte C. zu großem Wohlstand und Ansehen. Gewinnbringende Nebentätigkeiten wie der Weinschank (ab 1512), das Betreiben einer Apotheke (ab 1520) und einer Druckerstube (nachweisbar 1522-1526) machten den Hofmaler bald zu einem der begütertsten und einflussreichsten Bürger Wittenbergs. 1519 wurde er Mitglied des Wittenberger Rats, dem er mit kurzen Unterbrechungen bis 1545, mehrere Jahre auch als Bürgermeister der Stadt, vorstand. – Als Künstler stand C. in hoher Gunst sowohl der Hofgesellschaft als auch des Bürgertums. Kirchenvertreter schätzten seine Kunst in besonderem Maße. Herausragend ist C.s künstlerische Rolle bei der Verbreitung reformatorischer Schriften und ihrer anschaulichen Umsetzung. Darüber hinaus prägte C. das Bildnis Luthers, mit dem ihn auch eine persönliche Freundschaft verband, die durch zahlreiche Begebenheiten belegt ist. Die Verdienste C.s und seiner Bildwerke für die Verbreitung reformatorischen Gedankenguts sind unbestritten, wenngleich er immer auch für altgläubige Auftraggeber wie Kardinal Albrecht von Brandenburg oder Herzog Georg (der Bärtige) Arbeiten ausführte. – Der offensichtlichste Beleg eines Einflusses der Reformation auf C.s Gemälde ist das Aufkommen neuer Themen, die bisher - zumindest auf Tafelbildern - nicht oder nur sehr selten dargestellt worden waren. Dazu gehören die Bildmotive von „Gesetz und Gnade“, „Christus und die Ehebrecherin“ und „Christus segnet die Kinder“. Die Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben ist jeweils das zentrale Thema und der Bezug zur lutherischen Lehre. Darüber hinaus fertigte C. auch Arbeiten für die protestantische Bildpolemik an, wie die drastischen Holzschnitte zum „Passional Christi und Antichristi“ von 1521. – Während C. bis ins hohe Alter Gemälde schuf, beschäftigte er sich nur wenige Jahre intensiv mit druckgrafischen Arbeiten. Die künstlerisch bedeutenden und im schöpferischen Sinn prägenden Holzschnitte entstanden zwischen 1505 und 1515, die wenigen Kupferstiche C.s datieren aus den Jahren 1509/10 und 1520/21. Viele Blätter tragen das kursächsische Wappen und verweisen so darauf, dass sie vermutlich als Auftragsarbeiten des Wittenberger Hofs entstanden sind. Dabei befasste sich C. auch mit Themen, die erst einige Zeit später in seinem gemalten Werk erscheinen. Aber nicht nur thematisch beschritt C. in seinen grafischen Arbeiten neue Wege: Sehr früh experimentierte er, zeitgleich mit Hans Burgkmair, auch mit neuen Techniken zum Farbholzschnitt („Tonplattendruck“). Das Wittenberger Heiltumsbuch, das 1509/10 erschien, stellt C.s umfangreichste grafische Arbeit dar. In über 100 Holzschnitten werden die Reliquiare des Reliquienschatzes der Stifts- und Schlosskirche Wittenberg gezeigt, den Kurfürst Friedrich und sein Bruder Herzog Johann gesammelt hatten. Das Wittenberger Heiltumsbuch ist ein wichtiges Zeugnis für den ausufernden Reliquienkult und das Ablasswesen der römischen Kirche in der unmittelbaren vorreformatorischen Zeit. – Von nachhaltigem Einfluss auf C.s Schaffen waren die Werke Albrecht Dürers. Im Gegensatz zu Dürer suchte C. jedoch weniger die Auseinandersetzung mit der Antike und den klassischen Proportionen, sondern bewegte sich innerhalb nordalpiner Darstellungstraditionen, die von burgundisch-niederländischen Formen geprägt sind. Für 1524 ist eine unmittelbare Begegnung mit Dürer in Nürnberg belegt. Bei dieser Gelegenheit entstand die berühmte Silberstiftzeichnung, welche Dürer von C. anfertigte (Musée Bonnat, Bayonne, Frankreich). – Nach Jahrzehnten erfolgreichen Wirkens traten im Leben des bereits betagten Malers noch einmal einschneidende Veränderungen ein. Sein dritter kurfürstlicher Dienstherr, Johann Friedrich (der Großmütige), unterlag 1547 in der Schlacht bei Mühlberg den Truppen Kaiser Karls V., büßte die Kurwürde und Teile seines Fürstentums ein und wurde Gefangener des Kaisers. Bereits im Jahr der Niederlage forderte er C. schriftlich auf, zu ihm in die Gefangenschaft nach Augsburg zu kommen. Zunächst entschuldigte sich C. mit Krankheit, 1550 verfasste er jedoch sein Testament, übertrug seinem Sohn endgültig den Werkstattbetrieb und reiste zu Johann Friedrich. Ob dies aus Pflichtgefühl, persönlicher Treue oder merkantilen Erwägungen geschah, lässt sich nicht mehr klären. Briefe und Abrechnungen belegen, dass C. in Augsburg noch einmal eine reiche Tätigkeit für den Ernestiner und dessen Besucher entwickelte. In Augsburg traf C. auch den mit 73 Jahren ebenfalls schon betagten Tizian. Als Johann Friedrich 1552 aus der Haft entlassen wurde, begleitete ihn C. nach Weimar, in die neue Residenz des ernestinischen Gebiets in Thüringen. – Mit seinen vielfältigen Bilderfindungen bereicherte C. wie kein anderer Meister des 16. Jahrhunderts die Kunst im Norden und Osten Deutschlands. Mit Hilfe eines hervorragend organisierten Werkstattbetriebs gelang es ihm, über ein halbes Jahrhundert hinweg eine außergewöhnliche Produktivität zu entfalten. Der hoch effizienten Arbeitsweise der Werkstatt ist ein Gesamtwerk zu verdanken, das heute noch etwa 1.000 erhaltene Gemälde umfasst, seine ursprüngliche Größe wird auf das Fünffache geschätzt. Aber nicht nur quantitativ, auch qualitativ steht es für die Zeit einzigartig dar. Charakteristisch ist die Unterordnung künstlerischer Handschriften der einzelnen Mitarbeiter unter einen in Stil, Kolorit, aber auch Ikonografie und Ausführung einheitlichen Werkstatt-Standard. Ohne Zweifel gehörte C. neben Albrecht Dürer und Hans Holbein d.J. zu den bedeutendsten Künstlern dieser Epoche in Deutschland.

Werke Kreuzigung Christi, vor 1502, Kunsthistorisches Museum Wien; Johannes Cuspinian, Anna Cuspinian, um 1502/03, Sammlung Oskar Reinhart Winterthur; Katharinenaltar, 1506, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Sippenaltar (Torgauer Fürstenaltar), 1509, Städelmuseum Frankfurt/Main; Venus und Amor, 1509, Eremitage St. Petersburg; Wittenberger Heiltumsbuch, 1509/10, Lutherhaus Wittenberg; Herzog Heinrich von Sachsen, Herzogin Katharina von Mecklenburg, 1514, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Passional Christi und Antichristi, 1521, Lutherhaus Wittenberg; Martin Luther als Junker Jörg, um 1521, Kunstsammlungen Weimar.

Literatur J. F. Christ, Leben des berühmten Mahlers Lucas C., in: Fränckische Acta erudita et curiosa 1/1726, S. 338-355; C. E. Reimer, Historisch-critische Abhandlung über das Leben und die Kunstwerke des berühmten deutschen Mahlers Lucas C., Hamburg/Leipzig 1761; C. Schuchardt, Lucas C. des Älteren Leben und Werke, 3 Bde., Leipzig 1851-1871; M. B. Lindau, Lucas C. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Reformation, Leipzig 1883; K. Woermann (Hg.), Deutsche Kunstausstellung, Abteilung Cranach-Ausstellung, Ausstellungskatalog, Dresden 1899; E. Flechsig, Cranachstudien, T. 1, Leipzig 1900; ders., Tafelbilder Lucas C.s d.Ä. und seiner Werkstatt, Leipzig 1900; M. J. Friedländer/J. Rosenberg, Lucas C., Berlin 1932 (ND Stuttgart 1989) (WV); H. Lüdecke (Hg.), Lucas C. der Ältere. Der Künstler und seine Zeit, Berlin (Ost) 1953; J. Rosenberg, Die Zeichnungen Lucas C.s d.Ä., Berlin 1960; J. Jahn (Hg.), Lucas C. d.Ä., Das gesamte graphische Werk. Mit Exempeln aus dem graphischen Werk Lucas C.s d.J. und der Cranachwerkstatt, Berlin 1972 (WV); W. Schade, Die Malerfamilie Cranach, Dresden 1974; D. Koepplin/T. Falk (Hg.), Lucas C. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik, Ausstellungskatalog, 2 Bde., Basel/Stuttgart 1974-1976; M. Warnke, C.s Luther. Entwürfe für ein Image, Frankfurt/Main 1984; A. Tacke, Der katholische C. Zu zwei Großaufträgen von Lucas C. d.Ä., Simon Franck und der Cranach-Werkstatt 1520-1540, Mainz 1992; C. Grimm u.a. (Hg.), Lucas C. Ein Maler-Unternehmer aus Franken, Ausstellungskatalog, Augsburg 1994; B. Hinz, Lucas C. d.Ä. und seine Bildermanufaktur, München 1994; Lucas C. d.Ä. und die Cranachhöfe in Wittenberg, hrsg. von der Cranach-Stiftung, Halle 1998; S. Heiser, Das Frühwerk Lucas C.s des Älteren. Wien um 1500 - Dresden um 1900, Berlin 2002; E. Bierende, Lucas C. d.Ä. und der deutsche Humanismus, Berlin/München 2002; G. Heydenreich, Painting materials, techniques and workshop practice of Lucas C. the Elder, London 2002; K. Kolb, Cranach und Dresden, Berlin 2005. – ADB 4, S. 559-562; DBA I, II, III; DBE 2, S. 392f.; AKL, Bd. 22, München/Leipzig 1999, S. 168-173; W. Freitag (Hg.), Mitteldeutsche Lebensbilder, Köln/Weimar 2004, S. 33-54.

Porträt Selbstbildnis Lucas C. d.Ä., von Lucas Cranach d.Ä., 1550, Kopie nach dem Gemälde in den Uffizien Florenz, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Foto: Unbekannter Fotograf, vor 1932 (Bildquelle).

Karin Kolb
30.8.2005


Empfohlene Zitierweise:
Karin Kolb, Artikel: Lucas Cranach der Ältere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1065 [Zugriff 29.3.2024].

Lucas Cranach der Ältere



Werke Kreuzigung Christi, vor 1502, Kunsthistorisches Museum Wien; Johannes Cuspinian, Anna Cuspinian, um 1502/03, Sammlung Oskar Reinhart Winterthur; Katharinenaltar, 1506, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Sippenaltar (Torgauer Fürstenaltar), 1509, Städelmuseum Frankfurt/Main; Venus und Amor, 1509, Eremitage St. Petersburg; Wittenberger Heiltumsbuch, 1509/10, Lutherhaus Wittenberg; Herzog Heinrich von Sachsen, Herzogin Katharina von Mecklenburg, 1514, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Passional Christi und Antichristi, 1521, Lutherhaus Wittenberg; Martin Luther als Junker Jörg, um 1521, Kunstsammlungen Weimar.

Literatur J. F. Christ, Leben des berühmten Mahlers Lucas C., in: Fränckische Acta erudita et curiosa 1/1726, S. 338-355; C. E. Reimer, Historisch-critische Abhandlung über das Leben und die Kunstwerke des berühmten deutschen Mahlers Lucas C., Hamburg/Leipzig 1761; C. Schuchardt, Lucas C. des Älteren Leben und Werke, 3 Bde., Leipzig 1851-1871; M. B. Lindau, Lucas C. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Reformation, Leipzig 1883; K. Woermann (Hg.), Deutsche Kunstausstellung, Abteilung Cranach-Ausstellung, Ausstellungskatalog, Dresden 1899; E. Flechsig, Cranachstudien, T. 1, Leipzig 1900; ders., Tafelbilder Lucas C.s d.Ä. und seiner Werkstatt, Leipzig 1900; M. J. Friedländer/J. Rosenberg, Lucas C., Berlin 1932 (ND Stuttgart 1989) (WV); H. Lüdecke (Hg.), Lucas C. der Ältere. Der Künstler und seine Zeit, Berlin (Ost) 1953; J. Rosenberg, Die Zeichnungen Lucas C.s d.Ä., Berlin 1960; J. Jahn (Hg.), Lucas C. d.Ä., Das gesamte graphische Werk. Mit Exempeln aus dem graphischen Werk Lucas C.s d.J. und der Cranachwerkstatt, Berlin 1972 (WV); W. Schade, Die Malerfamilie Cranach, Dresden 1974; D. Koepplin/T. Falk (Hg.), Lucas C. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik, Ausstellungskatalog, 2 Bde., Basel/Stuttgart 1974-1976; M. Warnke, C.s Luther. Entwürfe für ein Image, Frankfurt/Main 1984; A. Tacke, Der katholische C. Zu zwei Großaufträgen von Lucas C. d.Ä., Simon Franck und der Cranach-Werkstatt 1520-1540, Mainz 1992; C. Grimm u.a. (Hg.), Lucas C. Ein Maler-Unternehmer aus Franken, Ausstellungskatalog, Augsburg 1994; B. Hinz, Lucas C. d.Ä. und seine Bildermanufaktur, München 1994; Lucas C. d.Ä. und die Cranachhöfe in Wittenberg, hrsg. von der Cranach-Stiftung, Halle 1998; S. Heiser, Das Frühwerk Lucas C.s des Älteren. Wien um 1500 - Dresden um 1900, Berlin 2002; E. Bierende, Lucas C. d.Ä. und der deutsche Humanismus, Berlin/München 2002; G. Heydenreich, Painting materials, techniques and workshop practice of Lucas C. the Elder, London 2002; K. Kolb, Cranach und Dresden, Berlin 2005. – ADB 4, S. 559-562; DBA I, II, III; DBE 2, S. 392f.; AKL, Bd. 22, München/Leipzig 1999, S. 168-173; W. Freitag (Hg.), Mitteldeutsche Lebensbilder, Köln/Weimar 2004, S. 33-54.

Porträt Selbstbildnis Lucas C. d.Ä., von Lucas Cranach d.Ä., 1550, Kopie nach dem Gemälde in den Uffizien Florenz, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Foto: Unbekannter Fotograf, vor 1932 (Bildquelle).

Karin Kolb
30.8.2005


Empfohlene Zitierweise:
Karin Kolb, Artikel: Lucas Cranach der Ältere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1065 [Zugriff 29.3.2024].