Johann Christian Breutel

B. erlangte v.a. als Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine, weniger als Naturwissenschaftler Bekanntheit. In Fachkreisen ist allenfalls der Name „Breutelia“ bekannt, einer überwiegend tropischen Moosgattung, die Wilhelm Philipp Schimper ihm zu Ehren aufstellte. Dies belegt, dass B. Mitte des 19. Jahrhunderts in Bryologenkreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte, er aber in der folgenden Zeit in Vergessenheit geriet. Der Hauptgrund liegt wohl in B.s Zugehörigkeit zur Herrnhuter Brüdergemeine und der damit verbundenen eingeschränkten wissenschaftlichen Tätigkeit. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass B. beachtliche Beiträge zur Kryptogamenkunde, speziell zu der Gruppe der Moose, geleistet hat. So entdeckte B. das seltene Laubmoos Micromitrium tenerum (Bruch & Schimp.) Crosby. Seine Laubmoossammlungen wurden von Schimper, Ernst Georg Ludwig Hampe und Carl Müller bearbeitet, die Lebermoossammlungen von Carl Moritz Gottsche und Johann Bernhard Wilhelm Lindenberg. Nach B. wurden u.a. benannt: Anacolia breutelii Hampe in C. Müll., Anoectangium breutelianum Bruch & Schimp. ex Besch. oder Anthoceros breutelii Gottsche, Bazzania breuteliana (Lindenb. & Gottsche) Trev. – Nach der Grundschulzeit kam B. 1799, wohl auf Wunsch der den Herrnhutern religiös nahestehenden Eltern, nach Ebersdorf (heute Ortsteil von Saalburg-Ebersdorf) in die dortige Anstalt der Brüdergemeine und erlernte das Beutlerhandwerk. Er freundete sich mit dem Apothekerlehrling Aschenbach an und begeisterte sich mit diesem für die Botanik. Bis 1814 blieb B. in der Ebersdorfer Brüdergemeine, um nach abgeschlossener Lehre zum Vorsteher des Brüderchors in Gnadenfrei [später Oberpeilau (poln. Piława Górna)] berufen zu werden. B. wurde 1819 zu einem Diakonus der Brüderkirche ordiniert und erhielt bald darauf den Ruf als Pfleger und Vorsteher der Brüdergemeine in Neuwied. Im Frühjahr 1824 unternahm B. eine Reise in die Schweiz, wo er in Thun Sophie Röderer kennenlernte, die er im September des gleichen Jahrs heiratete. Nach seiner Versetzung zur Brüdergemeine in Niesky (sorb. Niska) stieg B. in den folgenden Jahren innerhalb der Hierarchie der Unität auf. So wurde er 1832 Mitglied der Ältestenkonferenz, was den Umzug von Niesky nach Berthelsdorf bei Herrnhut (sorb. Ochranow) nach sich zog. 1835 besuchte B. die Gemeinden in Ebersdorf, Neudietendorf, Gnadau, Christiansfeld (Dänemark) sowie die Herrnhuter Sozietät in Kopenhagen. Im Jahr darauf wurde B. in das Missionsdepartment der Unität gewählt, 1840 erhielt er den Auftrag zu einer Visitation der Missionsstationen auf den Westindischen Inseln. Eine zweite derartige Reise folgte 1853 zu den Missionsstationen in Südafrika. Im selben Jahr wurde er zum Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine ernannt. Schließlich besuchte B. die Gemeinde in Haarlem (Niederlande), wohin sein Sohn Carl Julius einen Ruf erhalten hatte. Zunehmende gesundheitliche Probleme, u.a. die Verschlechterung des Gehörs bis zur völligen Taubheit, machten die Niederlegung seiner Ämter notwendig. Er starb an den Folgen eines Schlaganfalls. – In seinem für die Herrnhuter Brüdergemeine verfassten Lebenslauf erwähnt B. eine wissenschaftliche Tätigkeit nur am Rande. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass sich B. bereits in seiner Jugend in Ebersdorf, v.a. aber dann in Gnadenfrei und Neuwied intensiv mit Botanik beschäftigte. Gefördert wurde er u.a. von Bischof Johann Baptist von Albertini, einem hervorragender Kenner der lokalen Flora der Lausitz, speziell aber der Pilze. B. widmete sich v.a. den Moosen und suchte deshalb den Kontakt zu dem Apotheker Heinrich Christian Funck im oberfränkischen Gefrees, einem Spezialisten auf dem Gebiet der Kryptogamenkunde. Dieser reagierte erst zögerlich, doch entwickelte sich in B.s Neuwieder Zeit ein reger brieflicher Austausch. 1820 erschien Funcks „Moos-Taschenherbarium“, von dem B. begeistert war. Er schickte zahlreiche Moose an Funck, auch um dessen Exsikkatenreihe „Cryptogamische Gewächse des Fichtelgebirg’s“ mit Exemplaren zu bereichern. Im Austausch erhielt B. von Funck v.a. Alpenpflanzen. In Neuwied hatte B. zudem Kontakt mit Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck, der zwischen 1818 und 1858 als Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina wirkte. Auf seinen Missionsreisen sammelte B. Algen, Flechten und Moose. Belege finden sich verstreut in verschiedenen Herbarien, das meiste wohl im Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz. In Zusammenarbeit mit dem Dresdner Botaniker Ludwig Reichenbach erschien schließlich eine „Flora Germanica Exsiccata“, wobei B. die Kryptogamen in fünf Centurien beitrug. – Auch wenn die Aufsammlungen von B. umfangreich erscheinen, er wäre als Wissenschaftler ohne seine Spezialstudien kaum einer Erwähnung wert. Diese betrieb er mit großem Eifer und vertiefte sich in bestimmte Gruppen, wie etwa in die Torfmoose, für die er aufgrund von langjährigen gründlichen Beobachtungen genaueste Analysen zu verschiedenen Taxa lieferte. Mit diesem Wissen als Hintergrund konnte er an die Herausgabe eigener Floren gehen, die er in vorbildlicher Weise als Exsikkatensammlungen herausbrachte. B. steht damit in der Tradition von Kryptogamenforschern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche sich diesen Organismengruppen widmeten und maßgeblich zu deren Kenntnis beitrugen.

Quellen Unitätsarchiv Herrnhut, Nachlass Johann Christian B.; Naturkunde Museum Bamberg, Autographensammlung B., Briefe an H. C. Funck; Autographensammlung R. Hirsch, Schwaigern, B., Briefe an H. C. Funck; Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Kirchenbücher Weißenburg 289-6-4 +, S. 472.

Werke Musci frondosi exsiccati, Centurien I-V, Leipzig 1822-1843; Beitrag zu der Moosgattung Sphagnum, in: Flora 7/1824, Nr. 28, S. 433-443; Einige vergleichende Bemerkungen aus den Gattungen Phascum, Gymnostomum und Grimmia, in: ebd. 9/1826, Nr. 6, S. 61-63; mit H. G. L. Reichenbach, Flora germanica exsiccata, Sectio II, Cryptogamia, Centurien I-V, Leipzig 1832-1862; Bericht über die Reise zu den Westindischen Inseln, in: Flora 25/1842, Nr. 2, S. 549-560; Lebenslauf, in: Nachrichten aus der Brüder-Gemeine 59/1875, S. 755-788.

Literatur F. A. Schade, Über die kryptogamische Erforschung der Oberlausitz, in: Natura Lusatica 5/1961, S. 17-38; F. A. Stafleu/R. S. Cowan, Taxonomic literature, 10 Bde., Utrecht 1967-2009; W. D. Margadant, Early bryological literature, Utrecht 1968, S. 59; G. Sayre, Cryptogamae exsiccatae, in: Memoirs of the New York Botanical Garden, 19/1971, Nr. 1, S. 8f., Nr. 2, S. 189, Nr. 3, S. 298; M. Gunn/L. E. Codd, Botanical exploration of Southern Africa, Kapstadt 1981; E. Hertel, Materialien zu einer Biographie von Heinrich Christian Funck (2. Teil), in: Berichte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Bayreuth 18/1982/1984, S. 7-157; ders., Materialien zu einer Biographie von Heinrich Christian Funck (3. Teil), in: ebd. 20/1988/1989, S. 69-144; ders., Ein Leben im Dienste der Wissenschaft, Bayreuth 1995. – V. Grummann, Biographisch-bibliographisches Handbuch der Lichenologie, Lehre 1974; J.-P. Frahm, Lexikon deutscher Bryologen, Bonn 1995, S. 15f.; J.-ders./J. Eggers, Lexikon deutschsprachiger Bryologen, Bd. 1, Norderstedt ²2001, S. 52f. (P); J. Eggers, Ergänzungsband zu J.-P. Frahm/J. Eggers, Lexikon deutschsprachiger Bryologen, in: Limprichtia 27/2005, S. 13f.

Eduard Hertel
20.2.2012


Empfohlene Zitierweise:
Eduard Hertel, Artikel: Johann Christian Breutel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26006 [Zugriff 16.5.2024].

Johann Christian Breutel



Quellen Unitätsarchiv Herrnhut, Nachlass Johann Christian B.; Naturkunde Museum Bamberg, Autographensammlung B., Briefe an H. C. Funck; Autographensammlung R. Hirsch, Schwaigern, B., Briefe an H. C. Funck; Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Kirchenbücher Weißenburg 289-6-4 +, S. 472.

Werke Musci frondosi exsiccati, Centurien I-V, Leipzig 1822-1843; Beitrag zu der Moosgattung Sphagnum, in: Flora 7/1824, Nr. 28, S. 433-443; Einige vergleichende Bemerkungen aus den Gattungen Phascum, Gymnostomum und Grimmia, in: ebd. 9/1826, Nr. 6, S. 61-63; mit H. G. L. Reichenbach, Flora germanica exsiccata, Sectio II, Cryptogamia, Centurien I-V, Leipzig 1832-1862; Bericht über die Reise zu den Westindischen Inseln, in: Flora 25/1842, Nr. 2, S. 549-560; Lebenslauf, in: Nachrichten aus der Brüder-Gemeine 59/1875, S. 755-788.

Literatur F. A. Schade, Über die kryptogamische Erforschung der Oberlausitz, in: Natura Lusatica 5/1961, S. 17-38; F. A. Stafleu/R. S. Cowan, Taxonomic literature, 10 Bde., Utrecht 1967-2009; W. D. Margadant, Early bryological literature, Utrecht 1968, S. 59; G. Sayre, Cryptogamae exsiccatae, in: Memoirs of the New York Botanical Garden, 19/1971, Nr. 1, S. 8f., Nr. 2, S. 189, Nr. 3, S. 298; M. Gunn/L. E. Codd, Botanical exploration of Southern Africa, Kapstadt 1981; E. Hertel, Materialien zu einer Biographie von Heinrich Christian Funck (2. Teil), in: Berichte der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Bayreuth 18/1982/1984, S. 7-157; ders., Materialien zu einer Biographie von Heinrich Christian Funck (3. Teil), in: ebd. 20/1988/1989, S. 69-144; ders., Ein Leben im Dienste der Wissenschaft, Bayreuth 1995. – V. Grummann, Biographisch-bibliographisches Handbuch der Lichenologie, Lehre 1974; J.-P. Frahm, Lexikon deutscher Bryologen, Bonn 1995, S. 15f.; J.-ders./J. Eggers, Lexikon deutschsprachiger Bryologen, Bd. 1, Norderstedt ²2001, S. 52f. (P); J. Eggers, Ergänzungsband zu J.-P. Frahm/J. Eggers, Lexikon deutschsprachiger Bryologen, in: Limprichtia 27/2005, S. 13f.

Eduard Hertel
20.2.2012


Empfohlene Zitierweise:
Eduard Hertel, Artikel: Johann Christian Breutel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/26006 [Zugriff 16.5.2024].