Franz Theodor Blanckmeister

B. war der maßgebliche kirchenhistorische Schriftsteller Sachsens vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des NS-Regimes. Über Leitungstätigkeiten im Gustav-Adolf-Verein und im Evangelischen Bund erlangte er kirchenpolitischen Einfluss über Sachsen hinaus bis nach Österreich-Ungarn. – Nach dem Abitur in Plauen und dem Theologiestudium in Leipzig finanzierte B. 1880/81 seinen Lebensunterhalt als Lehrer und Internatsbetreuer am Käufferschen Institut in Dresden. Unter Franz Dibelius, dem Pfarrer zu St. Annen und späteren Dresdner Superintendenten und Oberhofprediger, beteiligte er sich an der damals umstrittenen Kindergottesdienstarbeit. Da ihn die Gemeinde Schönberg bei Bad Brambach, in der er sich zur Amtszeit seines Schwagers Eugen Theodor Pöschmann im Predigen geübt hatte, als Pfarrer favorisierte, durfte er die Wahlfähigkeitsprüfung vorziehen und wurde am 12.6.1881 ordiniert. – Während seiner Amtszeit als Archidiakon in Schneeberg (1884-1889) begann B. seine publizistische Tätigkeit, um über die Gottesdienstbesucher hinaus ein breiteres Publikum zu erreichen. Als Antwort auf die gesellschaftlichen Umbrüche infolge von Industrialisierung und Urbanisierung propagierte er die Werte „der guten alten Zeit“, die er in erbaulichen Geschichten aus dem kleinstädtisch-ländlichen „Sachsenland“ schilderte. Über Lebensbilder für den Gustav-Adolf-Verein vermittelte er Kenntnisse der lutherischen, v.a. sächsischen Kirchengeschichte. – In seiner Zeit als Erster Anstaltsgeistlicher am Stadtkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt, dem Städtischen Irren- und Siechenhaus und dem „Versorghaus“ sah sich B. 1889 bis 1897 mit Entkirchlichung und großer sozialer Not konfrontiert. – B. engagierte sich zudem im Evangelischen Bund, der in Sachsen vom Zwickauer Superintendenten Friedrich Meyer geleitet wurde und der sich, auch zur Ablenkung von der sozialen Frage, scharf gegen die römisch-katholische Kirche richtete. Seit 1890/91 war B. Herausgeber der Zeitschriften „Sächsischer Gustav-Adolf-Bote“ und „Das Pfarrhaus“ sowie seit 1897 Pfarramtsleiter der Dresdner Trinitatisgemeinde. Für den Evangelischen Bund sowie für den ebenfalls durch Meyer mit geführten Gustav-Adolf-Verein unternahm B. zahlreiche Reisen zu evangelischen Diaspora-Gemeinden in Österreich-Ungarn. Er gehörte zu den Unterstützern der evangelischen Bewegung in Österreich und der „Los-von-Rom-Bewegung“. Die Evangelisch-Theologische Fakultät Wien verlieh ihm 1911 die Ehrendoktorwürde. – Auch publizistisch war B. weiter aktiv. In seiner 1899 erschienenen „Sächsischen Kirchengeschichte“, die sich schnell als Standardwerk etablierte, sowie in weiteren Veröffentlichungen propagierte er das Luthertum als das „Sachsenbekenntnis“. Über konfessionelle Gräben hinweg verband B. jedoch seine sächsisch-nationale Gesinnung mit dem katholischen sächsischen Herrscherhaus. – Während des Ersten Weltkriegs beteiligte sich B., dessen beide Söhne 1914 fielen, als „Obmann“ an der Versorgung der „Kriegerfamilien“ in der Kriegsorganisation der Dresdner Vereine. 1916 wurde ihm das königlich sächsische Kriegsverdienstkreuz verliehen, 1918 folgte das Eiserne Ehrenzeichen des Werbeausschusses für Kriegsanleihen. – Als Monarchist lehnte B. die Weimarer Republik ab, wirkte jedoch in den geänderten kirchlichen Strukturen tatkräftig mit. Angesichts der Abschaffung des schulischen Religionsunterrichts in Sachsen 1919 verfasste er ein Lehrbuch für den Hausunterricht. Sein Engagement im Evangelischen Bund und in der Gustav-Adolf-Stiftung setzte er unverändert fort. 1920 wurde er Ehrenvorstandsmitglied des Sächsischen Landesvereins des Evangelischen Bunds. Nach dem Tod des Superintendenten Franz Költzsch 1927 übernahm B. als dessen Vertreter die kommissarische Leitung der Ephorie Dresden I. – Unter B.s Publikationen erfreuten sich insbesondere seine biografischen Monografien über Valentin Ernst Löscher und seiner Zeitgenossen Emil Frommel, Friedrich Meyer, Oskar Pank und Franz Dibelius großer Beliebtheit. Nach Dibelius’ Tod wurde B. 1924 dessen Nachfolger als Vorsitzender der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte sowie als Herausgeber der „Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte.“ Anlässlich seiner Emeritierung 1928 gründete der Gemeindebund der Trinitatisgemeinde die D. Blanckmeister-Stiftung. Herzogin Maria Immaculata verlieh ihm das Ehrenkreuz III. Klasse des Albertvereins. B., seit seiner Jugend Genealoge und Autografensammler, arbeitete bis kurz vor seinem Tod maßgeblich an der Bestandsaufnahme der Kirchenbücher und kirchgemeindlicher Archivalien der sächsischen Landeskirche mit. Insgesamt sind heute rund 250 kirchenhistorische Veröffentlichungen B.s nachweisbar.

Quellen Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Bestand 12: Teilnachlass Franz B.; Gedächtnisreden für Altpfarrer D. Franz B. bei der Trauerfeier in der Trinitatiskirche zu Dresden, Dresden 1936.

Werke Alte Geschichten aus dem Sachsenlande, Barmen 1886-1888; Einst und jetzt. Bilder und Geschichten aus dem Bürgerleben der guten alten Zeit, ein Volksbuch, Calw 1889; Die Pietät und ihre Pflege in Volk und Haus, Stuttgart 1890; Aus dem kirchlichen Leben des Sachsenlandes, Leipzig 1893; Emil Frommel. Sein Leben und seine Schriften, Dresden 1897; Sachsenspiegel. Altes und Neues aus dem Sachsenlande in Geschichten und Lebensbildern, Dresden 1897, 31913; Sächsische Kirchengeschichte, Dresden 1899 (ND Dresden 2013), 21906; Die Trinitatisgemeinde in Dresden, in: Neue Sächsische Kirchengalerie: Die Ephorie Dresden I, hrsg. von P. Flade, Leipzig 1906, S. 615-635; Altsachsenland, 3 Bde., Leipzig 1908-1913; Die theologische Fakultät der Universität Leipzig in fünf Jahrhunderten, Dresden 1909; Friedrich Meyer. Ein Leben im Dienste der Kirche, Leipzig 1912; Pastorenbilder aus dem alten Dresden, Dresden 1917; Luther und sein Werk im Sachsenlande, Leipzig 1917; Ewige Wahrheit. Hausunterricht im Christentum, Dresden 1919; Der Prophet von Kursachsen. Valentin Ernst Löscher und seine Zeit, Dresden 1920; Goethe und die Kirche seiner Zeit, Dresden 1923; Franz Dibelius, Dresden 1925; Karl Hases Briefe an Benedikt Winer, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 36/1927, S. 1-20; Heimatscholle. Jugenderinnerungen, Dresden 1925; Urahnenland. Familienerinnerungen, Dresden 1927; Der alte Steuermann. Erinnerungen an Oskar Pank, Leipzig 1928; Im Pfarrhausfrieden. Amtserinnerungen, Dresden 1935.

Literatur O. Clemen, Franz B.s Verdienste um die sächsische Kirchengeschichte, in: Neues Sächsisches Kirchenblatt 43/1936, S. 373-376; C. Niedner, Franz B., in: NASG 57/1936, S. 239-241; H. Köhler, Sippenkundliche Quellen der ev.-luth. Pfarrämter Sachsens, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte Sonderheft 45/1938 (ND Neustadt/Aisch 1995); G. Müller-Benedict, Werke von Franz B., in: Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte 47/1942, S. 49-53; A. Müller-Dreier, Konfession in Politik, Gesellschaft und Kultur des Kaiserreichs, Gütersloh 1998; C. M. Raddatz, „Lobredner der guten alten Zeit.“ Der Pfarrer und Kirchenhistoriker Franz B. (1858-1936), in: Sächsische Heimatblätter 52/2006, S. 148-155 (P). – BBKL 1, Sp. 610; DBA II, III; DBE 1, S. 556; C. M. Raddatz-Breidbach, Franz B., in: Sächsische Lebensbilder, Bd. 8 (im Druck); R. Hager, B., Franz - Dr. theol., in: Berühmte Vogtländer, Bd. 3, Plauen 2002, S. 14 (P).

Porträt Franz Theodor B., Fotografie, Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Bestand 20, Nr. 1434 (Bildquelle).

Carlies Maria Raddatz-Breidbach
16.2.2018


Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz-Breidbach, Artikel: Franz Theodor Blanckmeister,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/581 [Zugriff 19.4.2024].

Franz Theodor Blanckmeister



Quellen Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Bestand 12: Teilnachlass Franz B.; Gedächtnisreden für Altpfarrer D. Franz B. bei der Trauerfeier in der Trinitatiskirche zu Dresden, Dresden 1936.

Werke Alte Geschichten aus dem Sachsenlande, Barmen 1886-1888; Einst und jetzt. Bilder und Geschichten aus dem Bürgerleben der guten alten Zeit, ein Volksbuch, Calw 1889; Die Pietät und ihre Pflege in Volk und Haus, Stuttgart 1890; Aus dem kirchlichen Leben des Sachsenlandes, Leipzig 1893; Emil Frommel. Sein Leben und seine Schriften, Dresden 1897; Sachsenspiegel. Altes und Neues aus dem Sachsenlande in Geschichten und Lebensbildern, Dresden 1897, 31913; Sächsische Kirchengeschichte, Dresden 1899 (ND Dresden 2013), 21906; Die Trinitatisgemeinde in Dresden, in: Neue Sächsische Kirchengalerie: Die Ephorie Dresden I, hrsg. von P. Flade, Leipzig 1906, S. 615-635; Altsachsenland, 3 Bde., Leipzig 1908-1913; Die theologische Fakultät der Universität Leipzig in fünf Jahrhunderten, Dresden 1909; Friedrich Meyer. Ein Leben im Dienste der Kirche, Leipzig 1912; Pastorenbilder aus dem alten Dresden, Dresden 1917; Luther und sein Werk im Sachsenlande, Leipzig 1917; Ewige Wahrheit. Hausunterricht im Christentum, Dresden 1919; Der Prophet von Kursachsen. Valentin Ernst Löscher und seine Zeit, Dresden 1920; Goethe und die Kirche seiner Zeit, Dresden 1923; Franz Dibelius, Dresden 1925; Karl Hases Briefe an Benedikt Winer, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 36/1927, S. 1-20; Heimatscholle. Jugenderinnerungen, Dresden 1925; Urahnenland. Familienerinnerungen, Dresden 1927; Der alte Steuermann. Erinnerungen an Oskar Pank, Leipzig 1928; Im Pfarrhausfrieden. Amtserinnerungen, Dresden 1935.

Literatur O. Clemen, Franz B.s Verdienste um die sächsische Kirchengeschichte, in: Neues Sächsisches Kirchenblatt 43/1936, S. 373-376; C. Niedner, Franz B., in: NASG 57/1936, S. 239-241; H. Köhler, Sippenkundliche Quellen der ev.-luth. Pfarrämter Sachsens, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte Sonderheft 45/1938 (ND Neustadt/Aisch 1995); G. Müller-Benedict, Werke von Franz B., in: Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte 47/1942, S. 49-53; A. Müller-Dreier, Konfession in Politik, Gesellschaft und Kultur des Kaiserreichs, Gütersloh 1998; C. M. Raddatz, „Lobredner der guten alten Zeit.“ Der Pfarrer und Kirchenhistoriker Franz B. (1858-1936), in: Sächsische Heimatblätter 52/2006, S. 148-155 (P). – BBKL 1, Sp. 610; DBA II, III; DBE 1, S. 556; C. M. Raddatz-Breidbach, Franz B., in: Sächsische Lebensbilder, Bd. 8 (im Druck); R. Hager, B., Franz - Dr. theol., in: Berühmte Vogtländer, Bd. 3, Plauen 2002, S. 14 (P).

Porträt Franz Theodor B., Fotografie, Landeskirchenarchiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Bestand 20, Nr. 1434 (Bildquelle).

Carlies Maria Raddatz-Breidbach
16.2.2018


Empfohlene Zitierweise:
Carlies Maria Raddatz-Breidbach, Artikel: Franz Theodor Blanckmeister,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/581 [Zugriff 19.4.2024].