Camillo Schaufuß

S.s Werdegang als Naturalienhändler und Entomologe wurde durch das Erbe seines Vaters Ludwig Wilhelm Schaufuß wesentlich vorherbestimmt. Während S., der sich selbst als „Privatgelehrter“ bezeichnete, - letztlich vergeblich - versuchte, das von diesem gegründete „Museum Ludwig Salvator“ für die Zukunft zu sichern, konnte er als Tierschützer erfolgreich ein eigenes Profil entwickeln. – S. erhielt eine gymnasiale Schulbildung. Nach dem Tod seines Vaters 1890 trat er dessen Nachfolge als Naturalienhändler an. Das Geschäft war zunächst in Dresden etabliert und später nach Meißen verlagert worden, wo es unter dem Namen „C. W. Schaufuß sonst E. Klocke“ in der Vorbrücker Straße 34 fortgeführt wurde. Die Arbeit war S. hinreichend vertraut, da er bereits 1884, noch im väterlichen Geschäft in Dresden, den Vertrieb der Lehrmittel übernommen hatte. – Die Fortführung des von Carl Gustav Calwer begründeten Käferbuchs gehört zu S.s wichtigsten Veröffentlichungen als Naturwissenschaftler. Zudem führte er die 1884 von seinem Vater gegründete „Insektenbörse“ zwischen 1890 und 1910 als „Entomologisches Wochenblatt“ weiter und verfasste die Leitartikel. Diese redaktionelle Arbeit endete mit der Übernahme der Leitung der „Deutschen Entomologischen Nationalbibliothek“. – S.s Naturaliengeschäft kam 1915 durch das Kriegsgeschehen zum Erliegen. Er stellte sich daraufhin für den Kriegshilfsdienst zur Verfügung und wurde nach dem Krieg Direktor des Wohlfahrts- und Jugendamts der Amtshauptmannschaft Meißen. Darüber hinaus tat sich S. auch im Tierschutz hervor. 1900 bis etwa 1935 war er Vorsitzender des 1878 gegründeten Meißner Tierschutzvereins und zwischen 1910 und 1933 Vorstand bzw. Präsident des Reichsverbands der Deutschen Tierschutzvereine. Für sein Engagement im Vogelschutz und sein Werben für eine artgerechte Haltung von Pferden und Hunden erhielt er die Perner-Medaille. Dass S. nach 1933/35 den Vorsitz in den Tierschutzvereinen abgeben musste, könnte u.a. mit seiner Mitgliedschaft in der 1847 gegründeten Johannis-Loge „Zur Akazie“ in Meißen zu tun haben, da Freimaurerlogen und ihre Mitglieder während des Nationalsozialismus massiv unter Druck gerieten. – Als Nachlassverwalter des von seinem Vater gegründeten Museums übernahm S. ein schwieriges Erbe. Die ursprünglich in Aussicht gestellte Unterbringung in der Meißener Klosterkirche zerschlug sich. Zwar wurde die ehemalige Kirche 1891 als Museum eröffnet, allerdings ohne die Schaufußschen Sammlungen. Mit sehr konkreten Vorstellungen wandte sich S. daher im Oktober 1892 an Fürst Günther Viktor von Schwarzburg-Rudolstadt und bot ihm die Sammlungen als Geschenk zur Einrichtung eines Landesmuseums in dessen Fürstentum an. Bereits am 21.12.1892 erhielt er jedoch eine Absage. – Offensichtlich war S.s wirtschaftliche Situation zu dieser Zeit angespannt. Zumindest gelang es ihm nicht, das Museum in Meißen ohne finanzielle Unterstützung weiterzuführen, da der Vertrieb der Dubletten über die von seinem Vater übernommene Naturalienhandlung nicht genügend Erträge einbrachte. Nach dem abschlägigen Bescheid aus Rudolstadt bot S. sein Museum Anfang 1893 weiteren potenziellen Interessenten an, neben dem Oberpräsidium der Provinz Sachsen auch mehreren Städten. Da seine Sammlungen zu großen Teilen den sächsischen Raum betrafen, war sein Privatmuseum allerdings für Städte außerhalb Sachsens kaum von Interesse. S. gelang es deshalb nicht, sein Museum in der gewünschten Form unterzubringen. Weder die Stadt Osnabrück, noch Greiz, Plauen und Szegedin (ungar. Szeged), mit denen ebenfalls Verhandlungen geführt wurden, zeigten Interesse an seiner Schenkung. S. gab deshalb seine Bemühungen vermutlich bald auf, sodass es zur schrittweisen Auflösung des Museums und zur Zersplitterung seiner Sammlungen kam. – Nachdem S. das Museum 1908 in Meißen endgültig schloss und bis 1915 auch seinen Naturalienhandel mitsamt dem Lehrmittelverkauf aufgab, gingen die verbliebenen wertvollsten naturwissenschaftlichen Sammlungsteile an unterschiedliche größere Naturkundemuseen und -institute in Berlin, Dresden, Eberswalde, Freiberg, Hamburg, Leipzig und Paris. Die Zerstreuung der Sammlung gipfelte schließlich in der Verteilung vieler Tierpräparate als pädagogische Anschauungsobjekte an die umliegenden Landschulen. Die allerletzten Reste an Sammlungsstücken sollen schließlich auf dem Weinbergsgrundstück in Oberspaar bei Meißen vergraben worden sein.

Quellen Archiv des Kulturgeschichtlichen Museums Osnabrück (Depositum im Niedersächsischen Landesarchiv - Standort Osnabrück), A.11003, Museumsverein (1879-1925), 7./8.2.1893; Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Rudolstadt, Ministerium Rudolstadt, Abt. Kirchen- und Schulsachen, Nr. 2423: Anerbieten d. Direktors Camillo S. in Cölln (Elbe) wegen schenkungsweiser Überlassung der ihm gehörigen wertvollen Sammlung von Naturalien in das Fürstl. Haus, Oktober 1892; Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden, Zugangskatalog 1867-1897, S. 63, Nr. 1894/5; Adreß- und Geschäftsbuch der Stadt Meißen […], Meißen 1904, S. 148.

Werke Calwer’s Käferbuch. Einführung in die Kenntnis der Käfer Europas, 2. Bde., Stuttgart 1858, 61916; Die hauptsächlichsten Erzeugnisse der Erde und ihrer Bewohner. Ein Hülfsmittel für den Unterricht in der Erdkunde, Meißen 1890; (Hg.), Entomologisches Wochenblatt 1890-1910; Promemoria über ein zu errichtendes Landes- bz. Provinzial-Museum, Meißen 1892; mit K. E. Viertel, Die g. u. v. St. Johannis-Loge „Zur Akazie“ im Or. Meißen, Meißen 1897; Wie sorgen wir für unsere Kriegsbeschädigten, für die Witwen und Waisen unserer Helden?, Meißen 1917; Zusammenstellung der Tierschutzvereine, deutscher Sprache, Meißen 1931; Der Verband der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches, [Meißen 1934]; Der Tierschutz im heutigen Deutschland, Meißen 1935.

Literatur Bericht über die Verwaltung und Vermehrung der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu Dresden in den Jahren 1898 und 1899, [Dresden], S. 38; A. Otto, Zwei Coleopterologen - Vater und Sohn: Sr. L. W. Schaufuß und Direktor Camillo S., in: Abhandlungen und Berichte des Vereins für Naturgeschichte Greiz 7/1926, S. 77-88 (P); W. Horn u.a., Collectiones entomologicae. Ein Kompendium über den Verbleib entomologischer Sammlungen der Welt bis 1960, Teil 2, Berlin 1990, S. 345; G. Steinecke, Meißen so wie es war, Düsseldorf 1994; E. Mey, Nur eine Idee geblieben. Ein Landesmuseum im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, in: Jahrbuch Saalfeld-Rudolstadt 16/2006/07, S. 119-125; T. Heese, Verstecktes Kleinod in Oberblasewitz. Das „Museum Ludwig Salvator", in: Der Elbhang-Kurier 2017, H. 11, S. 10-12; ders., Kaufmann - Sammler - Autodidakt. Ludwig Wilhelm Schaufuß und sein „Museum Ludwig Salvator“, in: Sächsische Heimatblätter (in Vorbereitung).

Porträt Camillo Festivus Christian S. (1862-1944), undatiert, Fotografie, Archiv Deutsches Entomologisches Institut Müncheberg; Camillo S., ca. 1942, Fotografie, Stadtarchiv Meißen/T. Schaufuß (Bildquelle) [CC BY SA 3.0, Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons 3.0 Deutschland Lizenz].

Thorsten Heese
25.1.2018


Empfohlene Zitierweise:
Thorsten Heese, Artikel: Camillo Schaufuß,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23595 [Zugriff 19.3.2024].

Camillo Schaufuß



Quellen Archiv des Kulturgeschichtlichen Museums Osnabrück (Depositum im Niedersächsischen Landesarchiv - Standort Osnabrück), A.11003, Museumsverein (1879-1925), 7./8.2.1893; Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Rudolstadt, Ministerium Rudolstadt, Abt. Kirchen- und Schulsachen, Nr. 2423: Anerbieten d. Direktors Camillo S. in Cölln (Elbe) wegen schenkungsweiser Überlassung der ihm gehörigen wertvollen Sammlung von Naturalien in das Fürstl. Haus, Oktober 1892; Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden, Zugangskatalog 1867-1897, S. 63, Nr. 1894/5; Adreß- und Geschäftsbuch der Stadt Meißen […], Meißen 1904, S. 148.

Werke Calwer’s Käferbuch. Einführung in die Kenntnis der Käfer Europas, 2. Bde., Stuttgart 1858, 61916; Die hauptsächlichsten Erzeugnisse der Erde und ihrer Bewohner. Ein Hülfsmittel für den Unterricht in der Erdkunde, Meißen 1890; (Hg.), Entomologisches Wochenblatt 1890-1910; Promemoria über ein zu errichtendes Landes- bz. Provinzial-Museum, Meißen 1892; mit K. E. Viertel, Die g. u. v. St. Johannis-Loge „Zur Akazie“ im Or. Meißen, Meißen 1897; Wie sorgen wir für unsere Kriegsbeschädigten, für die Witwen und Waisen unserer Helden?, Meißen 1917; Zusammenstellung der Tierschutzvereine, deutscher Sprache, Meißen 1931; Der Verband der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches, [Meißen 1934]; Der Tierschutz im heutigen Deutschland, Meißen 1935.

Literatur Bericht über die Verwaltung und Vermehrung der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft zu Dresden in den Jahren 1898 und 1899, [Dresden], S. 38; A. Otto, Zwei Coleopterologen - Vater und Sohn: Sr. L. W. Schaufuß und Direktor Camillo S., in: Abhandlungen und Berichte des Vereins für Naturgeschichte Greiz 7/1926, S. 77-88 (P); W. Horn u.a., Collectiones entomologicae. Ein Kompendium über den Verbleib entomologischer Sammlungen der Welt bis 1960, Teil 2, Berlin 1990, S. 345; G. Steinecke, Meißen so wie es war, Düsseldorf 1994; E. Mey, Nur eine Idee geblieben. Ein Landesmuseum im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, in: Jahrbuch Saalfeld-Rudolstadt 16/2006/07, S. 119-125; T. Heese, Verstecktes Kleinod in Oberblasewitz. Das „Museum Ludwig Salvator", in: Der Elbhang-Kurier 2017, H. 11, S. 10-12; ders., Kaufmann - Sammler - Autodidakt. Ludwig Wilhelm Schaufuß und sein „Museum Ludwig Salvator“, in: Sächsische Heimatblätter (in Vorbereitung).

Porträt Camillo Festivus Christian S. (1862-1944), undatiert, Fotografie, Archiv Deutsches Entomologisches Institut Müncheberg; Camillo S., ca. 1942, Fotografie, Stadtarchiv Meißen/T. Schaufuß (Bildquelle) [CC BY SA 3.0, Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons 3.0 Deutschland Lizenz].

Thorsten Heese
25.1.2018


Empfohlene Zitierweise:
Thorsten Heese, Artikel: Camillo Schaufuß,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23595 [Zugriff 19.3.2024].